Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Mietzahlungspflicht
Wohnung Dritten überlassen
02.10.2002 (GE 19/02, Seite 1235) Der vorzeitig ausgezogene Mieter muß die Miete auch dann weiterzahlen, wenn der Vermieter die Mietsache an einen Dritten weitervermietet, aber einen Anspruch gegen diesen nicht realisieren kann.
Der Fall: Der Mieter war im bestehenden Mietverhältnis ausgezogen, der Vermieter hatte die Räume anschließend einem Dritten entgeltlich überlassen, erhielt von diesem jedoch kein Geld. Nach Behauptung des Vermieters im Prozeß war er verschwunden. Der Vermieter wollte nun von dem (ursprünglichen) Mieter die geschuldete Miete.

Die Entscheidung: Das Landgericht Berlin, ZK 63, kam zum Ergebnis, daß ein Anspruch auf die Miete gegen den bisherigen Mieter nicht bestand. Grundsätzlich müsse der bisherige Mieter zwar weiterzahlen, wenn der Anspruch gegen den Dritten nicht realisiert werden könne. Das stehe jedoch selbst unter Berücksichtigung der Behauptung des Vermieters zum unbekannten Aufenthalt des Dritten nicht fest, da nicht ersichtlich sei, ob nicht Ansprüche doch durchgesetzt werden könnten (Vermieterpfandrecht, andere Verwertungsmöglichkeiten). Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil diese Frage noch nicht obergerichtlich geklärt ist.

Der Kommentar: Nach § 537 Abs. 2 BGB (vor der Mietrechtsreform § 552 Satz 3 BGB) ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet, solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren. Diese Rechtsfolge ist an sich selbstverständlich, erhält ihre besondere Problematik jedoch dann, wenn der Mieter trotz bestehenden Mietverhältnisses auszieht, keine Miete mehr zahlt und der Vermieter die Räume einem Dritten überläßt. Ist ein Mietanspruch gegen den Dritten dann tatsächlich nicht zu realisieren, entsteht die Frage, ob der ausgezogene Mieter noch haftet.
In der täglichen Mietrechtspraxis kommen diese Fälle vor allem dann vor, wenn sich die Mietvertragsparteien über das rechtliche Ende eines Mietverhältnisses nach Kündigung des Mieters streiten, der Mieter unabhängig von dem Streit jedoch sogleich auszieht und sich später erst im Rechtsstreit herausstellt, daß das Mietverhältnis erst etliche Zeit nach dem tatsächlichen Auszug des Mieters aus der Wohnung geendet hat (vgl. zu dem Problem insgesamt Kinne in Kinne/Schach, Miet- und Mietprozeßrecht, § 537 BGB Rn. 15 f.).
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (vgl. z. B. BGH in GE 2000, 340 f.) kann sich der Mieter in einem derartigen Fall gegenüber dem Mietzinsanspruch des sonst vertragstreuen Vermieters regelmäßig nicht darauf berufen, der Vermieter sei wegen einer Weitervermietung zur Gebrauchsüberlassung nicht in der Lage gewesen, wenn der Mieter ohne Rücksicht auf den weiterbestehenden Mietvertrag einfach ausgezogen ist und keine Miete mehr bezahlt hat. In einem solchen Einwand läge nämlich dann eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung (BGHZ 122, 163 ff.).
Ein Selbstläufer wird das im Hinblick auf diese Rechtsprechung dennoch nicht. Der Pferdefuß liegt darin, daß sich der Vermieter in einem solchen Fall die Vorteile anrechnen lassen muß, die er durch die Weitervermietung erlangt hat (§ 552 Satz 2 BGB a. F., § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.).
Der Vermieter muß also zunächst versuchen, seine Ansprüche gegen den nunmehrigen Raumnutzer durchzusetzen und darf nicht etwa den Weg des geringsten Widerstandes gehen und sich den Schuldner aussuchen, bei dem am schnellsten und leichtesten etwas zu holen ist. Schon der Anspruch gegen den neuen Mieter stellt einen anzurechnenden Vorteil dar. Nach BGH (GE 2000, 341) muß sich nämlich der Vermieter den Wert dieses Anspruchs anrechnen lassen, selbst wenn er aus der Weitervermietung noch kein Geld erlangt hat, sondern lediglich einen - eventuell titulierten - Mietzinsanspruch gegen den neuen Mieter.
Nur wenn der Durchsetzung des Anspruchs im Einzelfall wegen der Bonität des neuen Mieters oder aus anderen Gründen Hindernisse entgegenstehen, ist dies zu berücksichtigen. Ist der Anspruch wirtschaftlich wertlos, kommt eine Anrechnung nicht in Betracht (BGH, a. a. O.).
Der Vermieter ist übrigens in derartigen Fällen nicht verpflichtet, die Wohnung sogleich weiterzuvermieten. Tut er es, obwohl das Mietverhältnis mit dem ausgezogenen Mieter noch gar nicht beendet ist, so geschieht das aus eigenen wirtschaftlichen Überlegungen, was sicher dann reizvoll ist, wenn er nunmehr einen neuen potenten Mieter erhält und nicht auf vage zu realisierende Ansprüche gegen den bisherigen Mieter angewiesen ist.
LG Berlin, Urteil vom 19. Juli 2002 - 63 S 233/01 - Wortlaut Seite 1269
Autor: Klaus Schach