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BGH fordert Versuche einvernehmlicher Streitbeilegung
Kündigung des Bauvertrages erschwert
11.10.2000 (GE 4/2000, 244) Wer einen Bauvertrag kündigt, hat später vielleicht einen schweren Stand, wenn er nicht vorher alles versucht, Meinungsverschiedenheiten beizulegen.
I. Problemstellung/Sachverhalt
Das hier besprochene Urteil des BGH vom 28. Oktober 1999 wird Auswirkungen auf die Praxis am Bau haben. Der BGH hat - unter Aufhebung und gleichzeitiger Zurückverweisung einer Entscheidung des OLG Frankfurt - die Bauvertragsparteien sehr deutlich angemahnt, die einvernehmliche Beilegungen von Meinungsverschiedenheiten zu versuchen, bevor der Weg der Kündigung eines Bauvertrages gegangen wird.
Ausgangssachverhalt war die öffentliche Ausschreibung über die Ausführung von Decken. Mit der Beklagten des hiesigen Verfahrens wurde, nachdem sie den Zuschlag erhalten hatte, ein Arbeitsbeginn auf den 7. August 1992 vereinbart. Dieser Termin wurde auf Veranlassung der Klägerin/Auftraggeberin verschoben, weil die vorgelagerten Arbeiten anderer Unternehmer nicht termingerecht fertiggestellt werden konnten. Am 22. Juni 1992, d. h. ca. zwei Wochen vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn, übersandte das bauleitende Architekturbüro der Auftraggeberin dem Unternehmer einen geänderten Terminplan. Dort war für den Beginn der Arbeiten der 4. November 1992 vorgesehen. Im Anschluß hieran fand am 2. September 1992 zwischen den streitigen Parteien eine Besprechung statt. Die Klägerin behauptete später, hierbei habe sich die Beklagte auf den neuen Termin eingelassen. Die beklagte Unternehmerin wird dies bestreiten.
Unabhängig hiervon stellte die Beklagte am 2. Oktober 1992 aufgrund der Verschiebung des Baubeginns einen Nachtrag über 133.152 DM. Wörtlich lautete der Nachtrag: "N 1 Verschiebung des Baubeginns - sechs Mann je 608 Std. je 36,50 DM/Std., insgesamt 133.152 DM". Die Begründung ging dahin, daß die in Rede stehenden sechs Mann gerade für diese Baumaßnahme eingestellt worden seien. Die Auftraggeberseite wies diesen Nachtrag in der Folgezeit zurück, wobei sie u. a. monierte, die Auftragnehmerin hätte ihr Montagepersonal anderweitig einsetzen können.
Als Antwort hierauf kündigte die Auftragnehmerin den Vertrag. Die Auftraggeberseite forderte unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Arbeitsaufnahme auf. Als der entsprechende Termin verstrichen war, kündigte auch die Klägerseite den Bauvertrag. Weiter beauftragte sie einen Drittunternehmer. Die ihr dabei entstandenen Mehrkosten hat sie im Wege des vorliegenden Verfahrens geltend gemacht.
II. Entscheidung des LG
und OLG Frankfurt
Beide Vorinstanzen haben dieses Begehren der Klägerin zurückgewiesen. Die Begründung ging dahin, daß zuvor die Beklagte den Vertrag gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B rechtmäßig gekündigt habe. Dabei sei das Ergebnis der Baubesprechung vom 2. September 1992 unbeachtlich. Selbst wenn sich die Parteien dort auf eine Verschiebung des Ausführungsbeginnes geeinigt hätten, sei die Auftragnehmerin berechtigt gewesen, Mehrkosten über § 2 Nr. 5 VOB/B geltend zu machen. Die Änderung des Arbeitsbeginns habe insoweit eine Anordnung des beauftragten Landes i. S. des § 2 Nr. 5 VOB/B dargestellt. Selbst eine Einwilligung der Beklagten in die Verschiebung der Ausführungsfrist stelle keinen Verzicht eines entsprechenden Anspruches dar. Die Kündigung sei insoweit gerechtfertigt gewesen, weil sich die Klägerin "ernsthaft und endgültig geweigert habe, mit der Beklagten über eine Anpassung der Vergütung zu verhandeln".
Bemerkenswert ist dabei, daß das OLG Frankfurt zusätzlich ausführt, daß die Klägerin die Forderung der Beklagten bezüglich der "Mehrkosten" schon deshalb nicht habe zurückweisen dürfen, weil es sich gerade nicht um einen "zusätzlichen Vergütungsanspruch" gehandelt habe, sondern um einen Schadensersatzanspruch. Weiter geht das OLG darauf ein, daß den entsprechenden Reaktionen der Auftragnehmerseite auch § 18 Nr. 4 VOB/B nicht entgegengestanden habe. Auch dies ist bemerkenswert. Immerhin ist in dieser Regelung wörtlich festgehalten: "Streitfälle berechtigen den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen." Das OLG geht über diese Vorschrift mit der Begründung hinweg, daß sie dann nicht gelte, wenn sich die Auftraggeberseite eine grobe Pflichtverletzung zuschulden kommen lasse. Dies sei hier in der Ablehnung des Nachfragebegehrens zu sehen gewesen.
III. Entscheidung des BGH
Der BGH hebt diese Entscheidung auf und fordert das OLG zur erneuten Verhandlung auf. Bei der anstehenden Entscheidung muß es folgendes beachten:
Nicht die Beklagtenseite, sondern die Auftraggeberin war berechtigt, den Vertrag zu kündigen. Folglich war auch die Beauftragung eines Drittunternehmers mit diesen Arbeiten rechtmäßig. Die Beklagte ihrerseits sei nicht berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen. Insbesondere durfte sie nicht die Arbeitsaufnahme davon abhängig machen, daß die Klägerin ihre Forderung akzeptiere. Gerade entgegengesetzt dem OLG betont der BGH, daß die Klägerin/Auftraggeberin berechtigt war, den Vertrag aus wichtigem Grunde zu kündigen. Dies wird wie folgt begründet:
Nicht die Klägerin, sondern die beklagte Auftragnehmerin habe die ihr obliegende Pflicht zur Kooperation verletzt und durch ihre Kündigung des Vertrages die Erfüllung ihrer eigenen Vertragspflichten "unberechtigt und endgültig verweigert". Der BGH verweist insoweit auf sein frühes Urteil vom 23. Mai 1996 (BGHZ 133, 44, 47), wonach die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrages während dessen Durchführung zur Kooperation verpflichtete seien. Aus diesem Kooperationsverhältnis ergeben sich ausdrückliche "Obliegenheiten bzw. Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information". Damit solle u. a. gewährleistet sein, daß in Fällen - wie dem vorliegenden -, bei denen der Inhalt eines Vertrages an geänderte tatsächliche Umstände angepaßt werden muß, entstehende Meinungsverschiedenheiten "einvernehmlich" beigelegt werden können. Ein wenig überraschend verweist das höchste Zivilgericht dabei auf die Regelung des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B. Überraschend deshalb, weil diese Regelungen gerade aussagen, daß die Parteien bezüglich geänderter/zusätzlicher Leistungen vor ihrer Durchführung kritische Vergütungsfragen abklären sollen.
Unstreitig ist dies im vorliegenden Falle nicht geschehen. Dabei belegt der Sachverhalt an sich sehr deutlich, daß die Auftraggeberseite diesbezüglich nicht kooperativ war. Dies vor Augen führt der BGH weiter aus, daß eine Konfliktbeilegung sicherlich dann nicht mehr möglich sei, wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung "nachhaltig und endgültig verweigert". Erneut überraschend ist insoweit, daß der BGH nach diesen Hinweisen die fehlende Kooperationsbereitschaft ausschließlich auf seiten der Auftragnehmerin sieht. Seine Begründung geht dahin, daß das oben zitierte Schreiben vom 16. Oktober 1992, in dem der Auftragnehmerin vorgeworfen wurde, sie habe ihr Montagepersonal anderweitig einsetzen können, gerade nicht als endgültige Weigerung gewertet wird, etwaige berechtigte Nachtragsforderungen der Beklagten zu akzeptieren. Der BGH spricht vielmehr davon, daß diese Schreiben eine "verständliche Reaktion" auf das vorausgegangene Forderungsschreiben der Beklagten darstelle. Die insoweit von der Klägerin geäußerten Zweifel an den abgerechneten sechs Mann seien nur nachvollziehbar gewesen. Die Beklagte habe sich insoweit vertragswidrig verhalten, als sie sich mit diesem Vorwurf nicht weiter auseinandergesetzt hat.
An diesem Punkt ist dem BGH vielleicht doch "ein wenig" Recht zu geben. Die Auftragnehmerin hat insoweit sehr absolut reagiert, als sie bereits in ihrem zweiten Schreiben die Kündigung ausgesprochen hat. Gleichwohl erscheint es etwas übertrieben, wenn im gesamten Verfahren nur von einer fehlenden Kooperationsbereitschaft auf Auftragnehmerseite gesprochen wird. Jedoch sei es, wie es sei, der BGH entscheidet.
VI. Fazit
Was können die Parteien eines Bauvertrages, insbesondere die Auftragnehmerseite, aus diesem Urteil entnehmen? Sie können hieraus für die Zukunft die Lehre ziehen, daß derjenige, der einen Bauvertrag kündigt, später vor Gericht regelmäßig einen schweren Stand haben wird. Dies deshalb, weil er den Grund der außerordentlichen Kündigung beweisen muß. Was im Zuge eines Bauablaufes mit Hektik und Zeitdruck oftmals als unzumutbare Umstände angesehen wird, erscheint später vor Gericht, nach Monaten bzw. Jahren, oftmals als Überreaktion mit der Folge, daß die Richter einen Grund zur außerordentlichen Kündigung verneinen. Dies mit der weiteren Folge, daß alle daraus entstandenen finanziellen Folgen zu Lasten desjenigen gehen, der "voreilig" gekündigt hat. So auch in diesem Fall.
Letzteres ist allerdings nicht neu. Jeder, der im Zuge der Abwicklung von Bauvorhaben Vertragsparteien berät, wird diesen oftmals vorhalten müssen, daß eine außerordentliche Kündigung wirklich die ultima ratio sein muß. Zuvor müssen andere Wege gegangen werden, um nicht der Entscheidung des Gerichtes so ausgeliefert zu sein wie die Auftragnehmerseite im vorliegenden Fall.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 393/98 -
Den Wortlaut des gesamten Urteils finden Sie abgedruckt in GE 4/2000, 276.
Das hier besprochene Urteil des BGH vom 28. Oktober 1999 wird Auswirkungen auf die Praxis am Bau haben. Der BGH hat - unter Aufhebung und gleichzeitiger Zurückverweisung einer Entscheidung des OLG Frankfurt - die Bauvertragsparteien sehr deutlich angemahnt, die einvernehmliche Beilegungen von Meinungsverschiedenheiten zu versuchen, bevor der Weg der Kündigung eines Bauvertrages gegangen wird.
Ausgangssachverhalt war die öffentliche Ausschreibung über die Ausführung von Decken. Mit der Beklagten des hiesigen Verfahrens wurde, nachdem sie den Zuschlag erhalten hatte, ein Arbeitsbeginn auf den 7. August 1992 vereinbart. Dieser Termin wurde auf Veranlassung der Klägerin/Auftraggeberin verschoben, weil die vorgelagerten Arbeiten anderer Unternehmer nicht termingerecht fertiggestellt werden konnten. Am 22. Juni 1992, d. h. ca. zwei Wochen vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn, übersandte das bauleitende Architekturbüro der Auftraggeberin dem Unternehmer einen geänderten Terminplan. Dort war für den Beginn der Arbeiten der 4. November 1992 vorgesehen. Im Anschluß hieran fand am 2. September 1992 zwischen den streitigen Parteien eine Besprechung statt. Die Klägerin behauptete später, hierbei habe sich die Beklagte auf den neuen Termin eingelassen. Die beklagte Unternehmerin wird dies bestreiten.
Unabhängig hiervon stellte die Beklagte am 2. Oktober 1992 aufgrund der Verschiebung des Baubeginns einen Nachtrag über 133.152 DM. Wörtlich lautete der Nachtrag: "N 1 Verschiebung des Baubeginns - sechs Mann je 608 Std. je 36,50 DM/Std., insgesamt 133.152 DM". Die Begründung ging dahin, daß die in Rede stehenden sechs Mann gerade für diese Baumaßnahme eingestellt worden seien. Die Auftraggeberseite wies diesen Nachtrag in der Folgezeit zurück, wobei sie u. a. monierte, die Auftragnehmerin hätte ihr Montagepersonal anderweitig einsetzen können.
Als Antwort hierauf kündigte die Auftragnehmerin den Vertrag. Die Auftraggeberseite forderte unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Arbeitsaufnahme auf. Als der entsprechende Termin verstrichen war, kündigte auch die Klägerseite den Bauvertrag. Weiter beauftragte sie einen Drittunternehmer. Die ihr dabei entstandenen Mehrkosten hat sie im Wege des vorliegenden Verfahrens geltend gemacht.
II. Entscheidung des LG
und OLG Frankfurt
Beide Vorinstanzen haben dieses Begehren der Klägerin zurückgewiesen. Die Begründung ging dahin, daß zuvor die Beklagte den Vertrag gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B rechtmäßig gekündigt habe. Dabei sei das Ergebnis der Baubesprechung vom 2. September 1992 unbeachtlich. Selbst wenn sich die Parteien dort auf eine Verschiebung des Ausführungsbeginnes geeinigt hätten, sei die Auftragnehmerin berechtigt gewesen, Mehrkosten über § 2 Nr. 5 VOB/B geltend zu machen. Die Änderung des Arbeitsbeginns habe insoweit eine Anordnung des beauftragten Landes i. S. des § 2 Nr. 5 VOB/B dargestellt. Selbst eine Einwilligung der Beklagten in die Verschiebung der Ausführungsfrist stelle keinen Verzicht eines entsprechenden Anspruches dar. Die Kündigung sei insoweit gerechtfertigt gewesen, weil sich die Klägerin "ernsthaft und endgültig geweigert habe, mit der Beklagten über eine Anpassung der Vergütung zu verhandeln".
Bemerkenswert ist dabei, daß das OLG Frankfurt zusätzlich ausführt, daß die Klägerin die Forderung der Beklagten bezüglich der "Mehrkosten" schon deshalb nicht habe zurückweisen dürfen, weil es sich gerade nicht um einen "zusätzlichen Vergütungsanspruch" gehandelt habe, sondern um einen Schadensersatzanspruch. Weiter geht das OLG darauf ein, daß den entsprechenden Reaktionen der Auftragnehmerseite auch § 18 Nr. 4 VOB/B nicht entgegengestanden habe. Auch dies ist bemerkenswert. Immerhin ist in dieser Regelung wörtlich festgehalten: "Streitfälle berechtigen den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen." Das OLG geht über diese Vorschrift mit der Begründung hinweg, daß sie dann nicht gelte, wenn sich die Auftraggeberseite eine grobe Pflichtverletzung zuschulden kommen lasse. Dies sei hier in der Ablehnung des Nachfragebegehrens zu sehen gewesen.
III. Entscheidung des BGH
Der BGH hebt diese Entscheidung auf und fordert das OLG zur erneuten Verhandlung auf. Bei der anstehenden Entscheidung muß es folgendes beachten:
Nicht die Beklagtenseite, sondern die Auftraggeberin war berechtigt, den Vertrag zu kündigen. Folglich war auch die Beauftragung eines Drittunternehmers mit diesen Arbeiten rechtmäßig. Die Beklagte ihrerseits sei nicht berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen. Insbesondere durfte sie nicht die Arbeitsaufnahme davon abhängig machen, daß die Klägerin ihre Forderung akzeptiere. Gerade entgegengesetzt dem OLG betont der BGH, daß die Klägerin/Auftraggeberin berechtigt war, den Vertrag aus wichtigem Grunde zu kündigen. Dies wird wie folgt begründet:
Nicht die Klägerin, sondern die beklagte Auftragnehmerin habe die ihr obliegende Pflicht zur Kooperation verletzt und durch ihre Kündigung des Vertrages die Erfüllung ihrer eigenen Vertragspflichten "unberechtigt und endgültig verweigert". Der BGH verweist insoweit auf sein frühes Urteil vom 23. Mai 1996 (BGHZ 133, 44, 47), wonach die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrages während dessen Durchführung zur Kooperation verpflichtete seien. Aus diesem Kooperationsverhältnis ergeben sich ausdrückliche "Obliegenheiten bzw. Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information". Damit solle u. a. gewährleistet sein, daß in Fällen - wie dem vorliegenden -, bei denen der Inhalt eines Vertrages an geänderte tatsächliche Umstände angepaßt werden muß, entstehende Meinungsverschiedenheiten "einvernehmlich" beigelegt werden können. Ein wenig überraschend verweist das höchste Zivilgericht dabei auf die Regelung des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B. Überraschend deshalb, weil diese Regelungen gerade aussagen, daß die Parteien bezüglich geänderter/zusätzlicher Leistungen vor ihrer Durchführung kritische Vergütungsfragen abklären sollen.
Unstreitig ist dies im vorliegenden Falle nicht geschehen. Dabei belegt der Sachverhalt an sich sehr deutlich, daß die Auftraggeberseite diesbezüglich nicht kooperativ war. Dies vor Augen führt der BGH weiter aus, daß eine Konfliktbeilegung sicherlich dann nicht mehr möglich sei, wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung "nachhaltig und endgültig verweigert". Erneut überraschend ist insoweit, daß der BGH nach diesen Hinweisen die fehlende Kooperationsbereitschaft ausschließlich auf seiten der Auftragnehmerin sieht. Seine Begründung geht dahin, daß das oben zitierte Schreiben vom 16. Oktober 1992, in dem der Auftragnehmerin vorgeworfen wurde, sie habe ihr Montagepersonal anderweitig einsetzen können, gerade nicht als endgültige Weigerung gewertet wird, etwaige berechtigte Nachtragsforderungen der Beklagten zu akzeptieren. Der BGH spricht vielmehr davon, daß diese Schreiben eine "verständliche Reaktion" auf das vorausgegangene Forderungsschreiben der Beklagten darstelle. Die insoweit von der Klägerin geäußerten Zweifel an den abgerechneten sechs Mann seien nur nachvollziehbar gewesen. Die Beklagte habe sich insoweit vertragswidrig verhalten, als sie sich mit diesem Vorwurf nicht weiter auseinandergesetzt hat.
An diesem Punkt ist dem BGH vielleicht doch "ein wenig" Recht zu geben. Die Auftragnehmerin hat insoweit sehr absolut reagiert, als sie bereits in ihrem zweiten Schreiben die Kündigung ausgesprochen hat. Gleichwohl erscheint es etwas übertrieben, wenn im gesamten Verfahren nur von einer fehlenden Kooperationsbereitschaft auf Auftragnehmerseite gesprochen wird. Jedoch sei es, wie es sei, der BGH entscheidet.
VI. Fazit
Was können die Parteien eines Bauvertrages, insbesondere die Auftragnehmerseite, aus diesem Urteil entnehmen? Sie können hieraus für die Zukunft die Lehre ziehen, daß derjenige, der einen Bauvertrag kündigt, später vor Gericht regelmäßig einen schweren Stand haben wird. Dies deshalb, weil er den Grund der außerordentlichen Kündigung beweisen muß. Was im Zuge eines Bauablaufes mit Hektik und Zeitdruck oftmals als unzumutbare Umstände angesehen wird, erscheint später vor Gericht, nach Monaten bzw. Jahren, oftmals als Überreaktion mit der Folge, daß die Richter einen Grund zur außerordentlichen Kündigung verneinen. Dies mit der weiteren Folge, daß alle daraus entstandenen finanziellen Folgen zu Lasten desjenigen gehen, der "voreilig" gekündigt hat. So auch in diesem Fall.
Letzteres ist allerdings nicht neu. Jeder, der im Zuge der Abwicklung von Bauvorhaben Vertragsparteien berät, wird diesen oftmals vorhalten müssen, daß eine außerordentliche Kündigung wirklich die ultima ratio sein muß. Zuvor müssen andere Wege gegangen werden, um nicht der Entscheidung des Gerichtes so ausgeliefert zu sein wie die Auftragnehmerseite im vorliegenden Fall.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 393/98 -
Den Wortlaut des gesamten Urteils finden Sie abgedruckt in GE 4/2000, 276.
Autor: Prof. Dr. Axel Wirth, Ordinarius an der TU Darmstadt






