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Grüne und Sarrazin schliessen Massenkonkurs nicht aus
Anschlußförderung bei Sozialwohnungen ab Wohnungsbauprogramm 1987
20.09.2002 (GE 18/02, Seite 1158) Wir haben als erste bereits im Jahre 2000 getitelt: „Den Eigentümern von Sozialwohnungen in Berlin droht der Konkurs“ (GE 2000 [24] 1662). In der Folgezeit haben wir uns mehrfach mit dem drängenden Problem beschäftigt.
Die in der Folge von der Stadtentwicklungsverwaltung verabreichten Beruhigungspillen („Wirtschaftlichkeit ist gegeben …“, vgl. Brand GE 2001 [7] 448) erweisen sich in der grauen Berliner Haushaltswirklichkeit als Placebos. Von West-Berliner „Baumafia“ und „Baukartell“ faselte Berlins Finanzsenator Sarrazin, was diejenigen nicht trifft und schon gar nicht hilft, die Sozialwohnungen bewirtschaften müssen. Eigentümer von mit Aufwendungszuschüssen und -darlehen geförderten Wohnungen schlicht pleite gehen zu lassen, ist für den Finanzsenator, der Rückendeckung von der gesamten Opposition erhält, denkbar. Wie verludert das Denken in diesem Land inzwischen ist, zeigen Äußerungen des Grünen-Abgeordneten Oliver Schruoffeneger: Konkurse von Hauseigentümern kämen billiger als weitere Förderung, wird er von der Berliner Morgenpost zitiert. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Schließlich sind es ja nicht nur die ausfallenden Landes- und Bundesbürgschaften, um die es geht. Nicht nur die Kredite privater und öffentlicher Banken. Nicht nur die Erhöhung der Sozialhilfe aufgrund steigender Mieten. Der Standort Berlin würde den letzten Rest von Vertrauen verlieren, ließe man diejenigen, die der Staat regelrecht in die Förderungsfalle gelockt hat, mit unlösbaren Problemen allein, indem man jedwede Anschlußförderung versagt. Einziger Rückhalt der betroffenen Eigentümer: Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und die SDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

In allernächster Zukunft läuft die erste 15jährige Förderungsphase der in den Wohnungsbauprogrammen 1987 bis 1989 geförderten Sozialwohnungen aus. Für das erste Objekt endet die Förderung zum Jahresende 2002, so daß eine Anschlußförderung im Januar 2003 beginnen müßte. Die erforderliche Förderung, über die unmittelbar in der nächsten Zeit entschieden werden muß, betrifft 197 Objekte mit 5.831 Wohnungen, darunter sind 1.601 Wohnungen aus städtischen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften. Der Förderaufwand des Landes Berlin beträgt über die gesamte Förderdauer von weiteren 15 Jahren 0,53 Mrd. Euro. Dabei steigen die Auszahlungsverpflichtungen von 0,8 Mio. Euro im Haushaltsjahr 2003 bis auf 37 Mio. Euro in 2005 an. Sie fallen danach kontinuierlich bis auf 2,5 Mio. Euro in 2022 ab.

Ab 2005 wird es noch enger. Dann läuft die erste Förderungsphase der in den Wohnungsbauprogrammen 1990 bis 1997 geförderten Sozialwohnungen aus. Betroffen sind 463 Objekte mit 19.319 Wohnungen; daran ist der öffentliche und genossenschaftliche Bereich mit 11.204 Wohnungen beteiligt. Die erforderliche Anschlußförderung hat einen Förderaufwand von 2,8 Mrd. Euro über die gesamte Förderdauer von 15 Jahren zur Folge. Hier steigen die jährlichen Auszahlungsverpflichtungen bis auf 193 Mio. Euro in 2013 an, danach fallen sie kontinuierlich bis auf 176.400 Euro in 2029.

Bei derzeitigen Mieten von in der Regel rd. 4 Euro/m2 Wfl./mtl. und sogenannten Kostenmieten von durchschnittlich 11,50 bis 13 Euro/m2 Wfl./mtl. in den Wohnungen der Programme 1987 bis 1989 und 13 bis über 20 Euro/m2 Wfl. in den Objekten der Programme 1990 bis 1997 hätte ein Wegfall der Aufwendungshilfen nach der ersten Förderungsphase von 15 Jahren für die Eigentümer eine Unterdeckung zur Folge, die zur sofortigen Unwirtschaftlichkeit der geförderten Objekte und zur massenhaften Insolvenz von Eigentümern führen würde. Darüber hinaus würden die Kreditinstitute in der Folge solcher Insolvenzen die Bürgschaften in Anspruch nehmen, die das Land Berlin für die Sicherung der eingesetzten Baufinanzierungskredite gewährt hat.
Schließlich wäre damit zu rechnen, daß das Image Berlins bei potentiellen Investoren durch ein solches Vorgehen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet.

Die von Berlin eingegangenen Förderverpflichtungen haben ein Fördersystem zur Grundlage, das vom Land Berlin 1971 eingeführt wurde, nachdem in den 50er und 60er Jahren die Wohnungsbauförderung im Westteil Berlins mit Hilfe von öffentlichen Baudarlehen erfolgte. Ab 1971 hat das Land Berlin die Fördernehmer hinsichtlich der Finanzierung des Baus von Sozialwohnungen an den KapitaImarkt bzw. die Realkreditinstitute verwiesen und die öffentliche Förderung auf Hilfen zur Bedienung der Bankenkredite, sogenannte Aufwendungshilfen, umgestellt. Diese Aufwendungshilfen wurden von 1972 bis 1976 ausschließlich als Darlehen, in den Folgejahren teilweise als Darlehen, teilweise als Zuschüsse gewährt.

Nachdem bereits in den 70er Jahren deutlich wurde, daß die Mietermiete niemals eine Deckung der Kostenmiete ermöglichen würde, hat das Land Berlin in die Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 im Interesse einer Sicherung der Belegungs- und Mietpreisbindungen bei den mit Aufwendungshilfen geförderten Sozialwohnungen sogar die Bestimmungen aufgenommen, daß die Bauherren von Miet- und Genossenschaftswohnungen verpflichtet sind, zusätzliche Fördermittel während und auch nach der vorgesehenen 15jährigen Förderungsdauer anzunehmen. Mit dieser Verpflichtung brachte das Land Berlin seinerseits bereits zum Ausdruck, daß es auch zwingend von einer Anschlußförderung nach Ablauf der ersten 15jährigen Förderungsphase ausging. Gerade in den 90er Jahren hatte der damalige Bausenator Wolfgang Nagel massiv darauf gedrängt, Sozialwohnungen zu bauen - trotz des überbordenden Kostenniveaus (Spitzenreiter ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land mit einer Kostenmiete von 42 DM, die freilich auch nur durch einen Ansatzverzicht von 5 DM erreicht wurde, sonst wäre man bei 47 DM gelandet).

Die Tatsache, daß die eingesetzten Bankkredite in der Regel erst nach rund 30 Jahren getilgt sind und die von den Mietern zu zahlenden Mieten in diesem Zeitraum auch nicht annähernd die Kapitalkosten für die Kredite erreichen, bedingt eine Förderdauer von rund 30 Jahren.
Rechtsgutachten kommen zu der Auffassung, daß es die alleinige Aufgabe des Staates ist, die Förderlasten des sozialen Wohnungsbaus zu tragen. Dies schließt aus, durch eine Änderung der Förderung oder eine Restriktion der Anschlußförderung nachträglich die finanziellen Lasten des sozialen Wohnungsbaus teilweise auf die Eigentümer der Sozialwohnungen zu verlagern. Ein solches Vorgehen würde eine Auferlegung von prinzipiell öffentlichen Lasten auf private Eigentümer bedeuten, eine Überbürdung öffentlicher Aufgaben, für die es einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedarf. Der Eigentümer habe daher - so die Gutachter - nach Ablauf des 15jährigen Förderungszeitraumes einen Rechtsanspruch auf Weiterförderung und könne diesen Anspruch im Verwaltungsrechtsweg durch Klage gegenüber dem Fördergeber geltend machen.

Bei der Ausgestaltung der Anschlußförderung - so die Gutachter - sei der Staat nicht frei, denn anders als bei der Erstförderung, bei der jeder Eigentümer frei und eigenverantwortlich darüber entscheiden könne, ob er sein Grundstück für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stelle und sich damit ihm bekannten Förderbedingungen unterwerfe, besitze der Eigentümer zum Zeitpunkt der Anschlußförderung keine Entscheidungsfreiheiten mehr. Dies verpflichte den Staat zu besonderer Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers, mit dem er sich zur Verwirklichung der öffentlichen Aufgabe „sozialer Wohnungsbau“ zusammengefunden habe. Dies begründe wechselseitige Pflichten, auch solche der Rücksichtnahme, und schließe es aus, daß der Staat seine durch Übernahme der seinerzeitigen Förderung faktisch begründete Monopolstellung als Anschlußförderer zu Lasten des Eigentümers einseitig ausnutze.
Bis Jahresende, so hört man, soll der Bericht der Expertenkommission vorliegen, die Bausenator Strieder eingesetzt hat. Ändern wird ihr Bericht am Grundproblem nichts, außer daß zu seiner Lösung wieder ein halbes Jahr vertan wurde.