Archiv / Suche
Was ist "sexy"?
20.09.2002 (GE 18/02, Seite 1145) Zwar „wäre wenig in der Welt unternommen worden, wenn man nur immer auf den Ausgang gesehen hätte“ (Lessing), aber wahr ist auch, daß alles mit allem zusammenhängt und der richtige Weg meist der schwerste ist. Es galt als Signal in die Zukunft, als der schwerfällige französische Wasserversorger „Générale des Eaux“ zum zweitgrößten Medienkonzern der Welt mit mächtigen Anhängseln in der Telekommunikation mutierte, denn Wasser war alt und zum Sterben langweilig, die Medien dagegen galten und gelten als jung und „sexy“.
Mag das Wassergeschäft auch noch so gute Gewinne einfahren, aufregend sind doch vor allem die Börsenkurse, denn die machen an, die sind „sexy“ - und rauschten sie auch noch so tief in den Keller, wegen IT und Universal.
Und weil eben alles mit allem zusammenhängt, werden wir diese neue Spielart des Sexismus auch in Berlin zu spüren kriegen. Vivendi wird wieder schrumpfen zur guten alten „Générale des Eaux“ nämlich. Die braucht, um ihre Wunden lecken und versorgen zu können, vor allem eine Arznei: Geld, Gewinne. Und die könnten z. B. aus der Beteiligung an den Berliner Wasserbetrieben fließen - für viel Geld vor fünf Jahren eingekauft und bisher wohl mehr lazy als sexy - aber das kann man ändern, z. B. dadurch, daß die Berliner Wasserpreise erhöht werden und die Hiesigen damit verspätete Reparationszahlungen an die Franzosen leisten, die ihrerseits so erfolgreich und über Jahre die amerikanische Medienwirtschaft alimentiert haben.
Daß alles mit allem zusammenhängt, ist ein alter Hut. Nur daß man das heute als Globalisierung bezeichnet, ist neu.
*
Vivendi Universal ist ein schlagendes Beispiel für die Amerikanisierung der Wirtschaft in Kontinental-Europa. Und weitere Schläge werden folgen, von den jetzt schon praktizierten Basel-II-Bewertungen über die unbrauchbaren Moody’s-Ratings bei offenen Immobilienfonds bis hin zu der Schlüsselfrage, nach welchen Bewertungskriterien denn zukünftig bilanziert werden soll - denen der amerikanischen Börse oder denen des guten alten HGB. Daß sich sogar die Bundesbank zugunsten der letzteren geäußert hat, läßt hoffen. Und dann gab’s da noch diesen fabelhaften Artikel des Schweizers Fredmund Malik in der FAZ vom 12.8.2002. Er schreibt: „Das Problem ist nicht Deutschland, sondern die Weltwirtschaft - aber Deutschland bleibt davon nicht ausgespart. Die Ökonomien praktisch aller Länder sind durch die falschen amerikanischen Theorien der 90er Jahre fehlgesteuert worden und daher in einem bedrohlichen Zustand. Der Glaube an die prinzipielle und universelle Überlegenheit der amerikanischen Management-Praktiken ist genauso naiv wie es der Glaube an die japanische Überlegenheit war, der von Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre vorherrschte.“
Natürlich bleibt zunächst das Grundproblem: Wie kriegen wir den Laden wieder in Schwung? So furchtbar schwer sollte das ja nicht sein, denn wenn z. B. in Berlin im 1. Quartal 2002 ganze 684 Wohnungen und Einfamilienhäuser fertiggestellt oder modernisiert und lediglich für 707 Einheiten Baugenehmigungen erteilt werden, dann ist die Null-Linie in Sicht. Tiefer kann es nicht mehr gehen, allerdings mit der Einschränkung, daß diesem Senat die Glanznummer zuzutrauen wäre, mit dem Euphemismus „Minus-Wachstum“ zu renommieren: Abriß statt Neubau, Erhalt eines Restbestandes an Wohnungen durch Neuerfindung der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung.
Da die Bevölkerungsentwicklung stabil ist, brauchen wir Wohnungsneubau - im vernünftigen Umfang, solide finanziert. Denn sonst schrumpft der Bestand allein durch Alterung, allein durch Verfall, der vielerorts automatisch kommt, und sei es nur durch die energische Tätigkeit der Denkmalschützer.
Und weil eben alles mit allem zusammenhängt, werden wir diese neue Spielart des Sexismus auch in Berlin zu spüren kriegen. Vivendi wird wieder schrumpfen zur guten alten „Générale des Eaux“ nämlich. Die braucht, um ihre Wunden lecken und versorgen zu können, vor allem eine Arznei: Geld, Gewinne. Und die könnten z. B. aus der Beteiligung an den Berliner Wasserbetrieben fließen - für viel Geld vor fünf Jahren eingekauft und bisher wohl mehr lazy als sexy - aber das kann man ändern, z. B. dadurch, daß die Berliner Wasserpreise erhöht werden und die Hiesigen damit verspätete Reparationszahlungen an die Franzosen leisten, die ihrerseits so erfolgreich und über Jahre die amerikanische Medienwirtschaft alimentiert haben.
Daß alles mit allem zusammenhängt, ist ein alter Hut. Nur daß man das heute als Globalisierung bezeichnet, ist neu.
*
Vivendi Universal ist ein schlagendes Beispiel für die Amerikanisierung der Wirtschaft in Kontinental-Europa. Und weitere Schläge werden folgen, von den jetzt schon praktizierten Basel-II-Bewertungen über die unbrauchbaren Moody’s-Ratings bei offenen Immobilienfonds bis hin zu der Schlüsselfrage, nach welchen Bewertungskriterien denn zukünftig bilanziert werden soll - denen der amerikanischen Börse oder denen des guten alten HGB. Daß sich sogar die Bundesbank zugunsten der letzteren geäußert hat, läßt hoffen. Und dann gab’s da noch diesen fabelhaften Artikel des Schweizers Fredmund Malik in der FAZ vom 12.8.2002. Er schreibt: „Das Problem ist nicht Deutschland, sondern die Weltwirtschaft - aber Deutschland bleibt davon nicht ausgespart. Die Ökonomien praktisch aller Länder sind durch die falschen amerikanischen Theorien der 90er Jahre fehlgesteuert worden und daher in einem bedrohlichen Zustand. Der Glaube an die prinzipielle und universelle Überlegenheit der amerikanischen Management-Praktiken ist genauso naiv wie es der Glaube an die japanische Überlegenheit war, der von Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre vorherrschte.“
Natürlich bleibt zunächst das Grundproblem: Wie kriegen wir den Laden wieder in Schwung? So furchtbar schwer sollte das ja nicht sein, denn wenn z. B. in Berlin im 1. Quartal 2002 ganze 684 Wohnungen und Einfamilienhäuser fertiggestellt oder modernisiert und lediglich für 707 Einheiten Baugenehmigungen erteilt werden, dann ist die Null-Linie in Sicht. Tiefer kann es nicht mehr gehen, allerdings mit der Einschränkung, daß diesem Senat die Glanznummer zuzutrauen wäre, mit dem Euphemismus „Minus-Wachstum“ zu renommieren: Abriß statt Neubau, Erhalt eines Restbestandes an Wohnungen durch Neuerfindung der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung.
Da die Bevölkerungsentwicklung stabil ist, brauchen wir Wohnungsneubau - im vernünftigen Umfang, solide finanziert. Denn sonst schrumpft der Bestand allein durch Alterung, allein durch Verfall, der vielerorts automatisch kommt, und sei es nur durch die energische Tätigkeit der Denkmalschützer.
Autor: Dietmar Otremba