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Zweckentfremdungsverbot
Seit September 2000 verfassungswidrig
12.09.2002 (GE 17/02, Seite 1108) Das Zweckentfremdungsverbot war rechtmäßig, wie auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt hat. Bei einer dauerhaften nachhaltigen Entspannung auf dem Wohnungsmarkt war allerdings der Gesetzgeber verpflichtet, eine Zweckentfremdungsverbot-Verordnung aufzuheben. Tat er das nicht, wie in Berlin, waren die Gerichte bisher großzügig und meinten, wegen des Ermessensspielraumes des Gesetzgebers müsse ein Untätigbleiben grundsätzlich respektiert werden, wenn nicht ein Verfassungsverstoß eindeutig sei. Einen solchen eindeutigen Verfassungsverstoß hat jetzt das OVG Berlin - wie bereits ausführlich berichtet - bejaht. Jetzt liegen die insgesamt fünf fast wortgleichen Entscheidungen vor. Eine davon veröffentlichen wir in dieser Ausgabe.
Der Fall: Der Eigentümer hatte eine Zweckentfremdungsgenehmigung erhalten unter der Bedingung der Zahlung einer monatlichen Ausgleichsabgabe. Widerspruch und Klage waren zunächst erfolglos.
Das Urteil: Mit Urteil vom 13. Juni 2002 gab das OVG Berlin der Klage statt und meinte, seit dem 1. September 2000 sei das Zweckentfremdungsverbot automatisch außer Kraft getreten, so daß auch eine Ausgleichsabgabe nicht mehr verlangt werden könne. Eine dauerhafte Entspannung des Berliner Wohnungsmarktes ergebe sich schon aus den eigenen Einschätzungen des Berliner Senats; dem entsprächen die veröffentlichten Wohnungsmarktdaten. So habe Berlin die Förderung des Wohnungsbaus weitgehend eingestellt, auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe verzichtet und den Abriß von Wohnraum mit staatlichen Mitteln gefördert. Hier wie auch an anderen Stellen des Urteils findet das OVG Berlin deutliche Worte der Kritik. Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, brauchbaren Wohnraum mit öffentlichen Mitteln abzureißen und gleichzeitig die Gefahr einer Wohnungsnot anzunehmen. Eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ergebe sich auch aus den Wohnungsmarktdaten, die im August 2000 verwaltungsintern geprüft wurden. Dabei habe sich der Senat einer Bedarfsanalyse des Bayerischen Landesamts für Statistik bedient und sei allerdings an entscheidenden Stellen von der Systematik ohne nachvollziehbare Begründung abgewichen. So sei die Zahl von 20.000 „jungen Haushalten”, die eine Wohnung suchten, „gegriffen” (das OVG meint: willkürlich erfunden) und nur durch diese Manipulationen sei man zum gewünschten Ergebnis gekommen.
Schließlich spreche auch der Leerstand von Wohnungen gegen eine Mangellage. Die Argumentation des Berliner Senats, diese leerstehenden Wohnungen würden eben vom Markt nicht angenommen, sei eine petitio principii, also ein Verstoß gegen die Denkgesetze. Darüber hinaus sei die Argumentation auch unredlich (so wörtlich das OVG), da schließlich nach ständiger Praxis der Wohnungsämter jede bewohnbare Wohnung dem Zweckentfremdungsverbot unterfalle. Die Erwägung des Bausenators, eine Aufhebung des Zweckentfremdungsverbots sei untunlich, weil dies Auswirkungen auf das besondere Kündigungsschutzrecht nach Umwandlung oder auf mieterhöhungsbegrenzende Regelungen (§ 5 WiStG) haben könne, sei sachwidrig, da dies eine Fortgeltung des Zweckentfremdungsverbots nicht rechtfertigen könne. Die Änderung der 2. Zweckentfremdungsverbot-Verordnung vom 6. November 2001 sei darüber hinaus nicht mehr von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt, da städtebauliche und sozialpolitische Zielsetzungen nicht dazu gehörten.
OVG Berlin, Urteil vom 13. Juni 2002 - OVG 5 B 22.01 - Wortlaut Seite 1128
Das Urteil: Mit Urteil vom 13. Juni 2002 gab das OVG Berlin der Klage statt und meinte, seit dem 1. September 2000 sei das Zweckentfremdungsverbot automatisch außer Kraft getreten, so daß auch eine Ausgleichsabgabe nicht mehr verlangt werden könne. Eine dauerhafte Entspannung des Berliner Wohnungsmarktes ergebe sich schon aus den eigenen Einschätzungen des Berliner Senats; dem entsprächen die veröffentlichten Wohnungsmarktdaten. So habe Berlin die Förderung des Wohnungsbaus weitgehend eingestellt, auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe verzichtet und den Abriß von Wohnraum mit staatlichen Mitteln gefördert. Hier wie auch an anderen Stellen des Urteils findet das OVG Berlin deutliche Worte der Kritik. Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, brauchbaren Wohnraum mit öffentlichen Mitteln abzureißen und gleichzeitig die Gefahr einer Wohnungsnot anzunehmen. Eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ergebe sich auch aus den Wohnungsmarktdaten, die im August 2000 verwaltungsintern geprüft wurden. Dabei habe sich der Senat einer Bedarfsanalyse des Bayerischen Landesamts für Statistik bedient und sei allerdings an entscheidenden Stellen von der Systematik ohne nachvollziehbare Begründung abgewichen. So sei die Zahl von 20.000 „jungen Haushalten”, die eine Wohnung suchten, „gegriffen” (das OVG meint: willkürlich erfunden) und nur durch diese Manipulationen sei man zum gewünschten Ergebnis gekommen.
Schließlich spreche auch der Leerstand von Wohnungen gegen eine Mangellage. Die Argumentation des Berliner Senats, diese leerstehenden Wohnungen würden eben vom Markt nicht angenommen, sei eine petitio principii, also ein Verstoß gegen die Denkgesetze. Darüber hinaus sei die Argumentation auch unredlich (so wörtlich das OVG), da schließlich nach ständiger Praxis der Wohnungsämter jede bewohnbare Wohnung dem Zweckentfremdungsverbot unterfalle. Die Erwägung des Bausenators, eine Aufhebung des Zweckentfremdungsverbots sei untunlich, weil dies Auswirkungen auf das besondere Kündigungsschutzrecht nach Umwandlung oder auf mieterhöhungsbegrenzende Regelungen (§ 5 WiStG) haben könne, sei sachwidrig, da dies eine Fortgeltung des Zweckentfremdungsverbots nicht rechtfertigen könne. Die Änderung der 2. Zweckentfremdungsverbot-Verordnung vom 6. November 2001 sei darüber hinaus nicht mehr von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt, da städtebauliche und sozialpolitische Zielsetzungen nicht dazu gehörten.
OVG Berlin, Urteil vom 13. Juni 2002 - OVG 5 B 22.01 - Wortlaut Seite 1128