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Ab Oktober kommt das Fernsehen Digital über die Hausantenne
Schrittweise Umstellung bis Mitte 2003
12.09.2002 (GE 17/02, Seite 1084) Bis zum Sommer 2003 soll der klassische Weg der Fernsehversorgung über analoge terrestrische Sender im Ballungsraum Berlin-Potsdam vollständig auf die digitale Übertragung umgestellt werden. Was bedeutet das für Vermieter und Mieter in der Region? Wir gehen den Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen - den technischen wie den rechtlichen - auf dieser und den folgenden Seiten nach.
Die Umstellung der analogen terrestrischen Sender auf digitale Abstrahlung geht auf einen Beschluß der Bundesregierung vom 24. August 1998 zurück, der einen Zeitrahmen für die Umstellung in ganz Deutschland bis zum Jahr 2010 vorsieht. Eine darauf aufbauende Vereinbarung wurde am 13. Februar 2002 von ARD, ORB, SFB, ZDF, ProSieben, Sat.1 Media AG, RTL Television und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) in Berlin unterzeichnet. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß im Raum Berlin-Potsdam als erstem Sendegebiet in Deutschland diese Umstellung vollzogen wird. Startschuß wird der 1. Oktober 2002 sein, doch der Übergang ist fließend. Das Horrorszenario, daß bei einigen zehntausend Haushalten der Bildschirm ab 1. Oktober schwarz bleibt, dient lediglich dazu, den Zuschauern deutlich zu machen, daß Handlungsbedarf - allerdings auch dringender - besteht. Ab Ende September soll, vor allem in den betroffenen Programmen, eine umfangreiche Informationskampagne durchgeführt werden.

Betroffen von der Umstellung sind - so die allerdings selbst nach eigener Einschätzung nicht unbedingt verläßlichen Aussagen des Berliner Senats - nur rund 10 % der Haushalte in Berlin und Brandenburg. Im Ballungsraum Berlin-Potsdam hätten, so der Senat, nach einer 2001 durchgeführten Untersuchung noch 147.000 Haushalte Fernsehprogramme ausschließlich terrestrisch empfangen; daneben hätte es noch 100.000 Haushalte gegeben, die zwar über Kabel- und Satellitenempfang verfügten, aber daneben noch Zweit- oder Drittgeräte über terrestrischen Empfang betrieben.

Die Umstellung von analoger auf digitale terrestrische Fernsehübertragung in Berlin und Potsdam ist übrigens weltweit einmalig. Zwar wird schon in vielen Ländern digital ausgestrahlt - etwa in Spanien, England, Skandinavien oder Australien. Doch werden dort über lange Zeiträume (zehn Jahre und mehr) die Programme digital und analog im Parallelbetrieb ausgestrahlt (in England gilt die digitale Übertragung angeblich schon als gescheitert).
Ohne Aufgabe der klassischen analog-terrestrischen Fernsehversorgung könne die Einführung von digitalem Fernsehen (die neue Abkürzung dafür, die man sich merken muß, heißt „DVB-T“) allerdings nicht realisiert werden, haben die deutschen Fernsehanstalten erklärt. Das dem Rundfunk zugewiesene Frequenzspektrum reiche nämlich nicht aus, um analog und digital zugleich und in vergleichbarer Qualität zu senden. Deshalb müsse mit der Einführung des digitalen Regelbetriebs nach und nach die Verbreitung des analogen terrestrischen Fernsehens eingeschränkt und schließlich beendet werden. Darauf müßten sich alle Nutzer der analogen Terrestrik einstellen (z. B. auch Kabelnetzbetreiber).

Um zu verstehen, worum es geht und welche Fernsehübertragungswege und welche Haushalte mit welcher technischen Ausstattung überhaupt betroffen sind, sind ein paar grundsätzliche Ausführungen notwendig.

Digital statt analog
Die Digitaltechnik bestimmt bereits viele Bereiche unseres alltäglichen Lebens - Computer, CD-Player, Handy und Fotoapparat. Bei der Übertragung von Hörfunk und Fernsehen ist der Einsatz der digitalen Technik noch relativ neu . Normalerweise werden die Fernsehbilder und -töne zum Zuschauer analog übertragen. Das bedeutet: Die Signale werden - vereinfacht ausgedrückt - in Wellenform übermittelt. Diese Übertragungsart ist relativ störanfällig. Schon bei kleinen Störungen kommt es zu flimmernden Bildern oder rauschendem Ton.
Beim digitalen Fernsehen dagegen werden die Bilder und Töne vor der Übermittlung „digitalisiert“. Das heißt: Jedes Bild und der dazugehörige Ton werden in eine Abfolge von Einsen und Nullen zerlegt. Eine Signalfolge aus Einsen und Nullen nennt man ein „bit“. Eine Sekunde digitaler Spielfilm besteht aus 270 Millionen bits. Bei einer Spielfilmlänge von 90 bis 120 Minuten entsteht eine gigantische Datenmenge, die zum Zuschauer übermittelt werden muß. Um die Übermittlung zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird die Datenmenge drastisch verkleinert.
Das geschieht folgendermaßen: Zum einen erlaubt es die „Trägheit“ von Augen und Ohren, „überflüssige“ Bilder und Töne wegzulassen. Zum anderen werden nur noch jene Bild- und Toninformationen übermittelt, die sich zum vorhergehenden Bild und Ton verändert haben. Ändert sich nichts, reicht es, nur jedes zwölfte Bild vollständig zu übertragen (bei der analogen Übertragung sind es immer 25 Bilder pro Sekunde). Dadurch kann die zu übertragende Datenmenge drastisch komprimiert werden. Auf diese Weise benötigen digitale Sendungen weniger Platz, so daß statt eines analog abgestrahlten bis zu sechs digitale Programme auf einer Sendefrequenz übertragen werden können.

Ein Beispiel: Ein Journalist sitzt vor einer Studiowand und trägt seinen politischen Kommentar vor. Da der Hintergrund sich mehrere Minuten nicht verändert, muß er nur in jedem zwölften Bild zum Zuschauer übertragen werden. Nur die leichten Bewegungen des Kommentators (Kopf, Mund, Hände) müssen in jedem Bild neu übermittelt werden. Bei einem Autorennen oder einem Fußballspiel ändern sich die Bildinhalte dagegen ständig. Sie können nicht so stark komprimiert werden. Das führt dazu, daß ein digitaler Sportkanal eine größere Datenmenge zum Zuschauer übertragen muß als ein Nachrichtenkanal. Ein Sportkanal benötigt deshalb auch eine größere Bandbreite bzw. Übertragungskapazität.

Die Kompressionstechnik, mit der man Datenmengen drastisch verkleinern kann, ist in der Computerwelt seit Jahren im Einsatz. Sie ist benannt nach der Motion Picture Experts Group (MPEG-2), die den Standard entwickelt hat. Durch die starke Komprimierung ist es möglich, auf einem Satelliten-Fernsehkanal je nach benötigter Bandbreite sechs bis zehn TV-Programme in deutlich besserer Qualität zu übertragen.
Die digitale Übertragung sieht zudem eine Fehlerkorrektur vor. Das funktioniert so: Geht auf dem Weg zum Zuschauer ein Teil der Bild- oder Toninformationen verloren, kann der fehlende Teil durch eine Art Mittelwertberechnung ohne sichtbare Qualitätsverluste wieder hergestellt werden.
Nach der Übertragung der digitalen Signale über Satellit, Kabel oder terrestrisch werden die Einsen und Nullen in einer sogenannten Set-Top-Box wieder zu analogen Bildern und Tönen zusammengesetzt und an den Fernseher weitergegeben. Fernsehgeräte mit digitalem Empfangsteil sind kaum auf dem Markt und noch zu teuer. Deshalb braucht man für die vorhandenen analogen Fernsehgeräte die genannten Set-Top-Boxen, in denen die digitalen Sendesignale wieder in analoge umgewandelt werden.

Die Übertragungswege
Fernseh- und Rundfunksignale können also in zwei Übertragungsformen - analog und digital - erfolgen, aber auf drei Übertragungswegen:
1. die terrestrische ( also „erdgebundene“) Abstrahlung über die klassische alte Fernsehantenne (entweder als Gemeinschafts- oder als Einzelantenne)
2. die Abstrahlung über Satellitenantenne (entweder als Gemeinschafts- oder als Einzelsatellitenantenne)
3. die Weiterleitung über Kabel.
Alle drei Wege haben ihre Vorzüge und Schwächen und generieren bei den Betroffenen - Vermieter als Zwischendienstleister und Mieter als Endnutzer - unterschiedliche Kosten. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat im übrigen auch gezeigt, daß immer mehr Nutzer der guten alten Hausantenne von der Fahne gegangen sind, weil Kabel- und/oder Satellitenempfang mit ihrem deutlich höheren Programmangebot einfach attraktiver sind. Für die Fernsehsender bedeuteten weniger Teilnehmer am terrestrischen Empfang faktisch höhere Kosten pro Nase. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die terrestrische Abstrahlung ganz einzustellen. Die Fernsehsender haben sich statt dessen für eine Beibehaltung des terrestrischen Übertragungsweges und eine digitale Abstrahlung entschieden, die für den Zuschauer viele Vorteile hat:
l bessere Bild- und Tonqualität
l mehr Programme (drei- bis viermal soviel wie bisher, darunter bisher terrestrisch nicht empfangbare Programme wie ARTE, Phoenix, Kinderkanal, SuperRTL oder N24)
l Inanspruchnahme weiterer Dienste (geplant: eMail, elektronisches Einkaufen, abrufbare Videos)
l Eine kleine Stabantenne (15 bis 20 Zentimeter lang) soll „reichen“ und das Fernsehen nicht nur mit dem Fernsehgerät, sondern auch mit Laptop, Handy oder Handheld ermöglichen. Aber Achtung: Vor zuviel Vertrauen in die Stabantenne sei vor allem in Ballungsräumen wie Berlin mit seinen Häusermassen gewarnt. Vermutlich wird die Stabantenne im zweiten oder dritten Hinterhof nicht mehr oder nur unzulänglich funktionieren, warnen Techniker.
l Die bisherige alte Dachantenne (Einzel- oder Gemeinschaftsantenne) kann weiterhin genutzt werden, ohne daß Teile ausgetauscht oder (größere) Umbaumaßnahmen vorgenommen werden müssen. Es kann lediglich eine neue Ausrichtung bzw. Einjustierung erforderlich sein.
Der einzige Nachteil der neuen Übertragungsart: Die Mieter brauchen für jedes betriebene Fernsehgerät die bereits erwähnte Set-Top-Box zum Preis von unter 200 e - es wird erwartet, daß die Preise sich von dieser Schwelle mit fortschreitender Zeit noch nach unten bewegen.
Wichtig zu wissen ist: Von der bevorstehenden sukzessiven Umstellung von analoger über digitale Abstrahlung ist - mit einer kleinen Ausnahme - nur der oben genannte erste Übertragungsweg, der terrestrische über die klassische Fernsehantenne, betroffen. Für die mit Satellitenempfang oder Kabelfernsehen ausgestatteten Haushalte ändert sich nichts. Eine kleine Einschränkung gilt für Haushalte, die an Kabelfernsehen ange-schlossen sind, bei denen die Hausanlage einen Teil der Programme noch terrestrisch einspeist; hier sind Umstellungen notwendig. In der Regel wird der einzelne Mieter einen Vertrag mit der Kabelfirma abgeschlossen haben und - je nach Vertrag - u. U. mit Kosten belastet.

Der Zeitplan für den Umstieg
Der Umstieg soll sich in drei Stufen vollziehen:
l In der ersten Stufe, die im Oktober 2002 beginnt - genaues Datum ist noch offen -, wechselt ProSieben mit seiner analogen Abstrahlung auf den bisher von RTL II genutzten leistungsschwächeren Kanal 47 und macht den leistungsstarken Kanal 44 für einen flächendeckenden digitalen Empfang der Programme RTL, ProSieben, SAT.1 und RTL II im Ballungsraum Berlin-Potsdam frei.
l Im Februar 2003 wird die analoge Verbreitung von SAT.1, VOX, ProSieben und RTL in Berlin eingestellt und die dadurch frei gewordenen Übertragungskapazitäten für die digitale Ausstrahlung genutzt. Die öffentlich-rechtlichen Programme starten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ihre leistungsstarke digitale Übertragung. Der Zuschauer kann damit etwa 20 Programme im Ballungsraum Berlin-Potsdam digital empfangen.
l Bis zum Sommer 2003 sind die öffentlich-rechtlichen Programme (ARD, ORB, SFB, ZDF) noch parallel analog terrestrisch empfangbar - allerdings auf leistungsschwächeren Kanälen mit geringerer Qualität und Reichweite.
Im Laufe der nächsten Wochen werden sicherlich noch zahlreiche Einzelprobleme technischer, mietrechtlicher und vertragsrechtlicher Art auftauchen. Und es wird sich für viele Eigentümer die Frage stellen, ob sie in Zukunft nicht grundsätzliche Umstellungen bei der Versorgung nicht nur mit Fernsehprogrammen, sondern auch mit erweiterten Dienstleistungsangeboten im medialen Bereich vornehmen sollten. Die gesamte Debatte ist nach wie vor mit hoher Unsicherheit belastet, welche Wege im einzelnen empfehlenswert sind. Angesichts der rasanten und leider unkoordinierten technischen Entwicklungen (zu denken ist nur an die sog. UMTS-Technologie, wo vor zwei Jahren Großunternehmen 100 Milliarden DM allein für die Lizenzen in Deutschland bezahlt haben und heute darüber diskutiert wird, ob sich diese Technologie überhaupt durchsetzt) sind Empfehlungen mit hohem Risiko belastet. Eigentlich gibt es nur eine Grundempfehlung: sich nicht zu lange vertraglich zu binden.