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Gefährlicher Baumschutz
28.08.2002 (GE 16/02, Seite 1016) Nun ist er also doch noch in die Fußstapfen des legendären Harry Ristock getreten, der ehemalige Regierende Bürgermeister und jetzige Berliner Parlamentspräsident Walter Momper. Nicht als Legende zwar, so doch als Baumschützer.
Kürzlich sollte in der Kreuzberger Fichtestraße, wo Mompers Haus steht, eine alte, kranke Eiche gefällt werden. Weil aber in Berlin Bäume grundsätzlich nur durch Orkane gefällt werden dürfen, rotteten sich die Fichtestraßenbewohner angesichts der sich gefahrdrohend nähernden Männer mit den Baumsägen zusammen und verhinderten zunächst den gemeinen Anschlag auf unsere Umwelt. Und weil Politiker auch von kleinen Menschenmengen stets magisch angezogen werden („Bad auch in der kleinsten Menge …“), erfuhr auch unser Parlamentspräsident gleich nach dem Frühstück davon, mischte sich natürlich sofort ein und mit, rief den Kreuzberger Baustadtrat Frank Schulz, einen stadtbekannten Baumschützer an, der auch sofort vorbeikam, weil bekanntlich Baustadträte immer sofort springen, wenn ein x-beliebiger Bürger sie braucht. Freilich brachte Schulz ein Gutachten mit, das der Bezirk in Auftrag gegeben hatte. Ergebnis: starke Bruchgefahr der Eiche, deren Wandstärke an einigen Stellen nur noch 10 Zentimeter beträgt. Aber wird der Baum gefällt? Mitnichten. Ein zweites Gutachten soll eingeholt werden, einigt man sich, und der Berliner „Tagesspiegel“ feiert das auch noch als „ein schönes Lehrstück praktizierter Demokratie“. Man würde sich gerne an den Kopf fassen, wenn man als Tagesspiegel-Leser nicht gerade auf denselben gestellt worden wäre. Da erteilt ein Amt einen Gutachtenauftrag, weil es der Standfestigkeit eines großen Baumes mitten in einem dichtbebauten Wohngebiet mißtraut. Der Gutachter kommt zum Ergebnis, daß starke Bruchgefahr besteht und damit auch höchste Gefahr für Menschen und Sachen. Den Baum unverzüglich zu fällen ist also geboten, was zwei verantwortungslos handelnde Politiker angesichts sachlich nicht zu rechtfertigender Bürgerproteste unterbinden. Was wäre wenn? Wenn der Baum umfällt und Kinder zerquetscht? Recht hatte der Tagesspiegel damit, daß die kleine Geschichte ein Lehrstück war. Aber nicht für Demokratie, sondern für verantwortungslosen Populismus, der zu den Grundübeln unserer Zeit gehört.