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Nach dem verheerenden Orkan in Berlin
Haftung für Sturmschäden
06.08.2002 (GE 15/02, Seite 971) In der Nacht vom 10. zum 11. Juli 2002 kam es in Berlin und Brandenburg aufgrund eines außerordentlich heftigen Unwetters zu gravierenden Sturmschäden durch umstürzende Bäume und durch gelöste Gebäudeteile. Die Bilanz: 7 Tote, zahlreiche Verletzte, Schäden in Millionenhöhe durch ca. 5.000 umgestürzte Bäume und durch 124 abgelöste Gebäudeteile. Zuvor waren weite Teile Deutschlands von dieser Unwetterfront mit entsprechenden Auswirkungen betroffen. Aus diesem aktuellen Anlaß ist auf folgendes hinzuweisen:
1. Schäden durch
abgelöste Gebäudeteile
Grundlage des Schadensersatzanspruches ist § 836 Abs. 1 BGB. Nicht der Geschädigte muß die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Gebäudeeigentümer im Hinblick auf den Gebäudezustand beweisen. Vielmehr hat der Verkehrssicherungspflichtige durch einen Entlastungsbeweis (§ 836 Abs. 1 Satz 2 BGB) darzutun und nachzuweisen, daß er seiner Verkehrssicherungspflicht genügt hat. Der Verletzte hat lediglich die objektive Fehlerhaftigkeit des Gebäudes, des Gebäudeteils oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes innerhalb von § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB darzulegen und hierfür Beweis anzutreten. Dies gilt auch für den Ursachenzusammenhang zwischen dem mangelhaften Zustand des Gebäudes und dem Eintritt des Schadens (BGH, Urteil vom 27. April 1999 - VI ZR 174/98, VersR 1999, 1424, 1425).
Dabei gilt zugunsten des Geschädigten der Anscheinsbeweis, daß die Ablösung eines Gebäudeteils aus einer fehlerhaften Errichtung oder mangelhaften Unterhaltung des Gebäudes herrührt. Dieser Erfahrungssatz ist nur bei außerordentlichen Naturereignissen außer Kraft gesetzt. Von einem außergewöhnlichen Naturereignis geht die Rechtsprechung ab einer Windstärke 8 (Beaufort) in der Regel aus. Dennoch wurde das Sturmtief „Lothar“ im Jahre 1999 nicht als außergewöhnliches Naturereignis eingestuft (LG Offenburg, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 1 S 117/01, NJW-RR 2002, 596 f.), sondern nur als ungewöhnliches, aber noch mögliches Naturereignis. Besonders starke Sturmböen im Rahmen eines Orkans stehen noch nicht außerhalb der Sicherungserwartungen des Verkehrs. Dies muß ein Gebäudeeigentümer bei seiner Vorsorge berücksichtigen (LG Offenburg, a. a. O.; BGH NJW 1983, 1782 ff.). Andernfalls haftet er.

2. Sturmschäden durch Bäume
Dem Baumeigentümer obliegt im Rahmen der allgemeinen Haftungsgrundlage aus § 823 BGB eine Verkehrssicherungspflicht für den Zustand seiner Bäume, die als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs verletzt sein muß. Sie beschränkt sich auf eine Sichtkontrolle, die zweimal im Jahr, einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand, stattfinden muß. Zeigt der Baum Krankheitsanzeichen oder sonstige Anomalien oder steht er grenznah, so erhöht sich die Verkehrssicherungspflicht. Nur wenn aufgrund regelmäßiger Besichtigungen der Schaden hätte vorausgesehen bzw. die Schädigung des Baumes hätte erkannt werden können, ist das Unterlassen von Besichtigung und Baumkontrolle auch kausal für den eingetretenen Sturmschaden. Die FU-Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. hat aus der bisher ergangenen einschlägigen Rechtsprechung Leitlinien für eine ordnungsgemäße Baumkontrolle abgeleitet (vgl. Seite 971).
Dabei muß der Geschädigte den Kausalitäts- und Verschuldensnachweis erbringen.

3. Versicherungen
Sturmschäden an Gebäuden, Hausrat und Autos werden von den meisten Versicherungsgesellschaften erst ab Windstärke 8 nach Beaufort ersetzt. Maßgeblich ist die Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (Deutscher Wetterdienst, Zentrale, Kaiserleistraße 42, 63067 Offenbach, Telefon 069/8062-0).
Folgende Versicherungsarten kommen bei Sturmschäden als Ansprechpartner in Betracht:
— Vollkasko- und Teilkaskoversicherung
— Wohn- und Geschäftsgebäudeversicherung
— Glasbruchversicherung
— Bauleistungsversicherung
— Vielschutzversicherung
— Hausratversicherung
— Haftpflichtversicherung

Seite 971: Hinweise zur Baumkontrolle der FLL-Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.
Autor: RA Hans Reinold Horst