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60. Geburtstag
18.07.2002 (GE 14/02, Seite 884) Seinen 60. Geburtstag feierte der zehn Jahre jünger aussehende Rudolf („Rudi”) Kujath, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaften STADT und LAND/Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf.
Fast alles, was Rang und Namen hat in der Berliner Bau- und Wohnungswirtschaft, fand sich im gemütlichen Hinterhof des STADT und LAND-Ausbildungszentrums ein. Just dort, wo der ebenso runde Geburtstag von Kujaths Vorgänger Günter Adam gefeiert wurde, und mancher Böse unkte, es bringe kein Glück, dort gefeiert zu werden, und schon gar nicht vom für die Gesellschaft zuständigen Finanzstaatssekretär Frank Bielka. Aber Kujath mag sich trösten, bei ihm ist sowieso alles anders als bei den anderen. Der Mann ist gelernter Schriftsetzer und nach Abschluß der Lehre tatsächlich noch auf die Wanderschaft aus dem hessischen Heimatstädtchen in die Schweiz gegangen. Dort muß er wohl auch etwas über Finanzen gelernt haben, denn kaum zurück in der Heimat gründete er in Butzbach eine eigene Druckerei. Das war schon ein merkwürdiger Spagat, daß der Jungunternehmer gleichzeitig glühender Jungsozialist und Juso-Vorsitzender war. Und er muß so schlimm gewesen sein, daß ihn Herbert Wehner höchstpersönlich wegen Linksradikalität aus der SPD schmeißen wollte, wie Bielka genüßlich berichtete. Neben Druckerei und Politik machte Kujath in der Abendschule die Mittlere Reife nach und, getrieben von einem wohlmeinenden Lehrer, das Abitur, obwohl sein Proletarierstolz dagegen aufbegehrte: Noch nie habe einer aus seiner Familie das Abitur gemacht. Und als in Berlin die Linken und die Radikalen auf die Straße gingen, mußte er dabei sein, denn eine sozialistische Revolution ohne ihn ging nicht. Er studiert Politologie in Berlin und in den USA und geht nach dem Abschluß als Referent ausgerechnet zum konservativen Berliner Innensenator - sozusagen ein Marsch durch die Institutionen und Zersetzung von innen. Bei Harry Ristock wird Kujath Planungsreferent und bleibt lange in der Bauverwaltung im Bereich der Modernisierung und Stadterneuerung, schließlich als Referatsleiter für Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung. Danach geht er zur GSW und hat als Prokurist die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain zu beaufsichtigen, gleichzeitig sitzt er im Abgeordnetenhaus, weil er halt viele Dinge gern auf einmal macht. Ende der 90er Jahre wird er Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf, schließlich auch noch von STADT und LAND. Linksradikal - das war einmal, da hält er es lieber mit dem irischen Dichter George Bernard Shaw, der in seinem „Katechismus eines Umstürzlers” mal geschrieben hat, jeder unter 30, der kein Kommunist sei, sei minderwertig, und jeder über 30, der es immer noch sei, ein Idiot. Und so beruhigt Kujath in seiner Dankesansprache alle, die ihn nach Frank Bielkas Laudatio zumindest unter der Rubrik „unsicherer Kantonist” abgespeichert hatten mit den Worten, er lese heute lieber Blümmel als Marx.