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Mit dem Kopf durch die Wand
08.07.2002 (GE 13/02, Seite 813) Irgend jemand muß dem Berliner Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin mal ein Exemplar von Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas” schenken.
Die behandelt bekanntermaßen die Lebensgeschichte des Pferdehändlers Kohlhaas, dem Unrecht getan wurde und der, weil die zuständigen Instanzen ihm nicht zu seinem Recht verhelfen, selbiges in die Hand nimmt und dabei auch Unrecht tut, darüber zwar Genugtuung erhält, aber letztlich auf dem Rad landet. Kohlhaas ist inzwischen ein Synonym für alle, die mit dem Kopf durch die Wand wollen. So wie eben auch Berlins Finanzsenator, den die Opposition gerne noch die ganze Legislaturperiode behalten will, den viele seiner Parteifreunde inzwischen aber wohl aufs politische Rad flechten möchten. Daß sie es Ende Juni nicht schon getan haben, ist ein kleines Wunder: Hatte doch Sarrazin in schöner Offenheit und gar mit Beharrungsvermögen bei der Vorlage seines eigenen Haushaltsgesetzes erklärt, selbiges und damit der Berliner Etat sei „klar rechtswidrig”, weil ein Verstoß gegen die Berliner Verfassung, weil über 6 Milliarden Euro neue Schulden bei nur 2 Milliarden Euro Investitionen gemacht würden. Worauf Chef Klaus Wowereit nach vorne marschierte und seinem Sparkommissar mit der Falschbehauptung in den Rücken fiel, der Etat sei verfassungsgemäß. Und weil man ehrliche Leute in der Berliner Politik offenbar nicht haben will, dürfte Sarrazin spätestens ab jetzt wieder auf dem Schleuderstuhl sitzen, womit er ja Erfahrung hat. Nun wird das Berliner Verfassungsgericht wohl klären müssen, wessen Aussage korrekt ist: die des Finanzsenators, dessen Aussage jüngst durch ein Gutachten des renommierten Juristen Michael Kloepfer untermauert wurde, oder die des Regierenden Bürgermeisters.