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Arc, Arche, Architekt
08.07.2002 (GE 13/02, Seite 817) Wie kommt es dann wohl, daß in der gegenwärtigen Architekturentwicklung zwei Richtungen dominieren, die den Geschmack beleidigen, funktionalen Bedürfnissen zuwider sind und Umweltschädlichkeit in einzigartiger Weise verströmen, die - mit anderen Worten - unpraktisch sind, häßlich und geeignet, jeden Bauherrn zu ruinieren?
„Was alt ist und gut, soll bleiben. Was alt ist und gleichgültig, mag bleiben. Was alt ist und schlecht, will ich stürzen, und wenn es tausend Jahre bestünde.“ So schrieb Ludwig I. von Bayern.
Die Berufsbezeichnung „Architekt“ ist verwandt mit Begriffen wie Arche (Noah) und Arc oder Arch (Bogen). Der Architekt schafft dem Menschen Heimstatt. Der Bogen wiederum ist als statisches und gestaltendes Element bis in die Neuzeit aktuell, ja geradezu konstitutiv.
Während in Amerika eine Art von Mickey-Mouse-Architektur den Ton angibt, die sich klassizistischer Versatzstücke in Walt-Disney-Manier bedient, haben wir es in Europa mit Glas und immer mehr Glas zu tun, nachdem der granitene Fassadenzug in den 90er Jahren im Eiltempo durchgerauscht ist. Keine neue Bankfiliale ohne gläserne Außenfront, kein Einkaufszentrum ohne gläserne Passagen, kein Bürohaus, bei dem man nicht an Fenstern sitzenden und stehenden Frauen unter die Röcke schauen könnte, wenn sie denn noch welche trügen. Brüstungen sind passé, die Menschen wie die Heizungen stehen quasi im Freien. Sind Hitze und Kälte zu abstrakten Größen geworden? Brauchen wir keine Mauern, keine Wände und keine festen Dächer mehr? Ist all dieses alt und schlecht, und muß man es daher stürzen?
Das Ganze ist ein Aberwitz! Hitze und Kälte sind nicht beherrschbar, es sei denn, durch Mauern. Die Klima- und Heizungskosten in gläsernen Bauwerken haben die Größenordnung einer zweiten (oder dritten) Miete, die man eigentlich den Architekten in Rechnung stellen sollte. Und das gleiche gilt für die Bauaufwendungen, die jeden Bauherrn ruinieren können, wie die Kostenexplosion beim IHK-Neubau schmerzhaft gezeigt hat, von den Bundesbauten bis hin zum Kanzleramt ganz zu schweigen.
Im Juli wird in Berlin ein Weltarchitektur-Kongreß stattfinden, bei dem über Verantwortung und Kompetenz für die Gestaltung der Umwelt, aber auch über nachhaltiges Bauen im städtischen Kontext diskutiert werden soll - was man mit einiger Spannung erwarten darf. Denn was, bitte schön, ist wohl bei der ganzen heutigen Bauerei nachhaltig oder gar umweltschonend? Bauwerke als Energieschleudern - oder Bauwerke als Wegwerfpackungen -, das kann nicht der Weg in die städtische Zukunft sein!
Ob man heute noch von einer Architektur-Theorie sprechen kann, darf bezweifelt werden, eher von Moden, Tendenzen und Sentenzen. Was „chic“ ist, was „in“ ist, das wird gebaut. Bauphysik und Kosten scheinen bei dieser Renommier-Bauerei zu obsoleten Größen geworden zu sein. „New urbanism“ lautet das Schlagwort, und darunter kann jeder subsumieren, was er will! Wehe uns, wenn das Stadtschloß allein den heutigen Architekten gestalterisch überantwortet würde - die Namen Palladio, Schlüter und Schinkel könnten aus dem Lexikon der Architektur gestrichen werden.
Daß Kosten und Größe eines Bauwerkes gelegentlich in reziprokem Verhältnis zu dessen künstlerischem und praktischem Wert stehen, ist nicht neu. Berlin wird den Kongreßteilnehmern lebhaften An-schauungsunterricht bieten. Berlin ist europäische Architekturentwicklung 1 : 1, ist Städtebau im Zeitraffer, ist „new urbanism“ im besten wie im schlechtesten Sinn. Um einmal mehr Georg Christoph Lichtenberg zu zitieren: „Ich weiß nicht, ob es besser werden wird, wenn es anders werden wird; aber so viel ist gewiß, daß es anders werden muß, wenn es gut werden soll.“
Die Berufsbezeichnung „Architekt“ ist verwandt mit Begriffen wie Arche (Noah) und Arc oder Arch (Bogen). Der Architekt schafft dem Menschen Heimstatt. Der Bogen wiederum ist als statisches und gestaltendes Element bis in die Neuzeit aktuell, ja geradezu konstitutiv.
Während in Amerika eine Art von Mickey-Mouse-Architektur den Ton angibt, die sich klassizistischer Versatzstücke in Walt-Disney-Manier bedient, haben wir es in Europa mit Glas und immer mehr Glas zu tun, nachdem der granitene Fassadenzug in den 90er Jahren im Eiltempo durchgerauscht ist. Keine neue Bankfiliale ohne gläserne Außenfront, kein Einkaufszentrum ohne gläserne Passagen, kein Bürohaus, bei dem man nicht an Fenstern sitzenden und stehenden Frauen unter die Röcke schauen könnte, wenn sie denn noch welche trügen. Brüstungen sind passé, die Menschen wie die Heizungen stehen quasi im Freien. Sind Hitze und Kälte zu abstrakten Größen geworden? Brauchen wir keine Mauern, keine Wände und keine festen Dächer mehr? Ist all dieses alt und schlecht, und muß man es daher stürzen?
Das Ganze ist ein Aberwitz! Hitze und Kälte sind nicht beherrschbar, es sei denn, durch Mauern. Die Klima- und Heizungskosten in gläsernen Bauwerken haben die Größenordnung einer zweiten (oder dritten) Miete, die man eigentlich den Architekten in Rechnung stellen sollte. Und das gleiche gilt für die Bauaufwendungen, die jeden Bauherrn ruinieren können, wie die Kostenexplosion beim IHK-Neubau schmerzhaft gezeigt hat, von den Bundesbauten bis hin zum Kanzleramt ganz zu schweigen.
Im Juli wird in Berlin ein Weltarchitektur-Kongreß stattfinden, bei dem über Verantwortung und Kompetenz für die Gestaltung der Umwelt, aber auch über nachhaltiges Bauen im städtischen Kontext diskutiert werden soll - was man mit einiger Spannung erwarten darf. Denn was, bitte schön, ist wohl bei der ganzen heutigen Bauerei nachhaltig oder gar umweltschonend? Bauwerke als Energieschleudern - oder Bauwerke als Wegwerfpackungen -, das kann nicht der Weg in die städtische Zukunft sein!
Ob man heute noch von einer Architektur-Theorie sprechen kann, darf bezweifelt werden, eher von Moden, Tendenzen und Sentenzen. Was „chic“ ist, was „in“ ist, das wird gebaut. Bauphysik und Kosten scheinen bei dieser Renommier-Bauerei zu obsoleten Größen geworden zu sein. „New urbanism“ lautet das Schlagwort, und darunter kann jeder subsumieren, was er will! Wehe uns, wenn das Stadtschloß allein den heutigen Architekten gestalterisch überantwortet würde - die Namen Palladio, Schlüter und Schinkel könnten aus dem Lexikon der Architektur gestrichen werden.
Daß Kosten und Größe eines Bauwerkes gelegentlich in reziprokem Verhältnis zu dessen künstlerischem und praktischem Wert stehen, ist nicht neu. Berlin wird den Kongreßteilnehmern lebhaften An-schauungsunterricht bieten. Berlin ist europäische Architekturentwicklung 1 : 1, ist Städtebau im Zeitraffer, ist „new urbanism“ im besten wie im schlechtesten Sinn. Um einmal mehr Georg Christoph Lichtenberg zu zitieren: „Ich weiß nicht, ob es besser werden wird, wenn es anders werden wird; aber so viel ist gewiß, daß es anders werden muß, wenn es gut werden soll.“
Autor: Dietmar Otremba