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Geschafft!
24.06.2002 (GE 12/02, Seite 753) Endlich! Es ist geschafft!!! Die Berliner Zweckentfremdungsverbot-Verordnung ist nicht mehr. Sie wurde am 13. Juni 2002 vom Oberverwaltungsgericht Berlin rückwirkend zum 1. September 2000 für tot erklärt.
Für viele und manches war dieser 13. Juni ein großer Tag. Zuallererst für das Recht. Es vermag also doch noch zu siegen. Dann für das Oberverwaltungsgericht Berlin, das nicht nur durch die Entscheidung selbst, sondern auch durch die von großem öffentlichen Interesse begleitete mündliche Verhandlung eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, daß es seine wichtigste Funktion erfüllt: den Bürger vor Übergriffen durch die Staatsgewalt, insbesondere die Exekutive, zu schützen. Ein guter Tag war das auch für den Vorsitzenden des 5. Senats beim OVG, der demnächst in den Ruhestand gehen wird, und der durch eine souveräne Verhandlungsführung beeindruckte und auch noch dann ruhig blieb, als die Senatsseite zum x-ten Mal untaugliche Argumente vorbrachte und Eigentore schoß.
Ein guter Tag war das auch für die wohnungswirtschaftlichen Verbände, die sich in den Musterverfahren engagiert hatten und sie auch mit einem Gutachten unterfütterten.

Auch für diese Zeitschrift war das ein guter Tag, denn wir haben diese Zweckentfremdungsverbot-Verordnung bekämpft, seit es sie gibt, und es gibt sie immerhin seit 30 Jahren. Geboren aus der Wohnungsnot damals, überflüssig seit langem, künstlich am Leben gehalten noch bis vor kurzem, nun aber - hoffentlich - mausetot.

Daß das OVG in Berlin den Zeitpunkt gekommen sah, die Verordnung für automatisch außer Kraft getreten zu erklären, lag keineswegs an den horrenden Leerstandszahlen alleine. Die, so wurde deutlich, waren nur eine kleine Facette. Die gesamten Umstände spielten für das Gericht die ausschlaggebende Rolle. Daß der Senat Wohnungen abreißen lassen will - was Senator Strieder im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses verkündete, die Prozeßvertreter des Senats freilich bestritten (wer hat bei Ihnen eigentlich das Sagen, Herr Senator?), hätte wohl allein schon ausgereicht. Daß der Senat im Haushaltsgesetz 1999 erklärte, keine Sozialwohnungen mehr bauen zu wollen, weil es keinen Wohnungsmangel gäbe, wog auch schwer. Daß man die Fehlbelegungsabgabe erst teilweise und jetzt ganz aufhob, war ebenso von Gewicht, denn wenn man Besserverdienende in Sozialwohnungen beläßt, sei das ein Indiz, daß die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung sichergestellt sei.

Die Rettungsversuche der Staatsmacht wirkten bieder, zum Teil ärgerlich. So dort, wo sie beim Wohnungsleerstand schlecht ausgestattete Wohnungen nicht mitrechnen wollte, die sie, so der Vorsitzende, kurze Zeit vorher noch in Zweckentfremdungsverfahren als Wohnraum reklamiert hatte. Das verursachte auch Ärger auf der Richterbank. Revision gegen die Entscheidung des OVG wurde nicht zugelassen, der Senat wird das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifen, doch die Chancen in der Revision - sofern es sie wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung gibt - werden so groß nicht sein.

So wird es dann also an‘s Abwickeln gehen. So eindeutig die Entscheidung des OVG ist, so kompliziert wird die Lösung der verschiedenen Fallgestaltungen sein - je nachdem, in welchem Stadium sich Verfahren befinden oder ob sie gar schon durch rechtskräftigen Bescheid abgeschlossen sind. Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren müssen gestellt werden, das Land muß u. U. Ausgleichszahlungen zurückreichen, die Frage von Schadensersatzansprüchen stellt sich. Die Rückabwicklung wird noch kompliziert. Mehr dazu und auch über die Auswirkungen auf andere Bereiche (Wirtschaftsstrafgesetz, Kündigungsschutz) demnächst an dieser Stelle.
Autor: Dieter Blümmel