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Schwergewicht des Vertrages maßgebend
Was gilt beim Mischmietverhältnis - Wohn- oder Gewerbemietrecht?
06.06.2002 (GE 11/02, Seite 723) Werden Geschäftsräume zusammen mit einer Wohnung vermietet, so stellt sich die Frage, ob auf diesen Vertrag gewerbliches Mietrecht oder Wohnraummietrecht anwendbar ist. Im ersten Fall haben die Parteien unter mietrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich die Möglichkeit, die vertraglichen Bedingungen frei auszuhandeln.


Allgemeine Bemerkungen
Gewerbliche Mietverhältnisse unterliegen nämlich insbesondere nicht dem Mietpreisrecht für Wohnungen (§§ 557 ff. BGB), den Regelungen der Betriebskosten (§§ 556 f., 560 BGB), den Vorschriften über die Mietsicherheit (§ 551 BGB) sowie den Bestimmungen über den Kündigungsschutz (§ 573 BGB) und den Einschränkungen des Zeitmietvertrages (§ 575 BGB).
Die Vertragsfreiheit bei der Vermietung gewerblich genutzter Objekte besteht auch weiterhin nach dem am 1. September 2001 in Kraft getretenen Mietrechtsreformgesetz. Beschränkungen ergeben sich allerdings beim Abschluß von Formularmietverträgen aus den §§ 305 ff. BGB. Hierbei handelt es sich um die Regelungen des AGB-Gesetzes, die durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in das BGB übernommen worden sind.

Schwergewicht des Vertrages
1. Die Frage, welches Recht bei einem Mischmietverhältnis anwendbar ist, beantwortet die herrschende Meinung danach, auf welcher Nutzungsart das Schwergewicht liegt (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, Kommentar, 1999, 7. Aufl. vor §§ 535, 536 BGB Rdnr. 63, S. 18; Both, in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, Kommentar, 2001, § 557 a Rdnr. 2, S. 458).
Überwiegt die gewerbliche oder geschäftliche Nutzung, so kommt Geschäftsraummietrecht zur Anwendung. Liegt dagegen das Schwergewicht auf der Wohnnutzung, so ist Wohnraummietrecht anwendbar (vgl. Reinstorf, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 1999, 3. Aufl., I, Rdnrn. 105 ff. S. 44 ff.; Fritz, Gewerberaummietrecht, 2000, 3. Aufl. Rdnr. 9, S. 3 f.).
2. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, welche Nutzungsart überwiegt, ist der Vertragszweck, wie er sich aus dem Willen der Parteien ergibt. Miet- und Flächenanteile sind nur Gesichtspunkte, die für die Feststellung des Parteiwillens mit von Bedeutung sind (BGH, Urt. v. 16. April 1986 - VIII ZR 60/85 - NJW-RR 1986, 877). Das gilt ebenfalls für das Verhältnis der jeweiligen Mieten (Blank, in: Schmidt-Futterer, a. a. O. §§ 535, 536 BGB Rdnr. 63, S. 18).

3. Umstritten ist, welches Mietrecht zur Anwendung kommt, wenn beide Nutzungsarten ausnahmsweise gleichwertig sind (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 2000, 8. Aufl., Rdnr. 20, S. 7).
Eine Vereinbarung der Mietparteien über die Rechtsanwendung ist möglich, aber dann unwirksam, wenn sie entgegen dem wirklichen Sachverhalt mit dem Ziel erfolgt, die wohnraumrechtlichen Schutzbestimmungen zu umgehen.

Gemischtgenutztes Einfamilienhaus
Wird ein Einfamilienhaus einem Rechtsanwalt zur Nutzung als Praxis und zum Wohnen überlassen, so ist im allgemeinen anzunehmen, daß die Vermietung in erster Linie zu gewerblichen Zwecken erfolgt. Das gilt selbst dann, wenn die Bürofläche geringer als die Wohnfläche ist.
Maßgebend wird darauf abgestellt, daß die Kanzlei für den Rechtsanwalt die Stätte darstellt, ohne die er seine Berufstätigkeit nicht ausüben und die Geldmittel erwerben kann, die er zum Bestreiten des Lebensunterhalts und zur Mietzahlung für die Wohnung benötigt (BGH, Urt. v. 16. April 1986 - NJW-RR 1986, 877; i. d. S. ebenfalls KG, Teilurt. v. 27. April 2000 - 8 U 5667/97 - GE 2001, 1466 bei der Überlassung einer Wohnung zur gleichzeitigen Nutzung als Kanzlei und zum Wohnen). Entsprechendes trifft für andere hauptberufliche Tätigkeiten in einem Einfamilienhaus oder einer Wohnung zu.

Annahme getrennter Verträge
Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Vertrages ist es nicht möglich, ein Mischmietverhältnis in zwei getrennte Mietverhältnisse aufzuspalten. Nur wenn besondere Umstände gegeben sind, die deutlich den Willen der Parteien zeigen, daß eigenständige Verträge abgeschlossen werden sollen, liegt kein einheitliches Mischmietverhältnis vor.
Das gilt, wenn Mietverträge mit getrennten Urkunden, unterschiedlichen Laufzeiten bzw. Kündigungsfristen und Mietpreisen vereinbart werden.
Rechtlich selbständige Mietverhältnisse sind auf jeden Fall gegeben, wenn außerdem auf Mieterseite keine Personenidentität besteht (LG Köln, Urt. v. 14. September 1999 - 12 S 100/99 - NZM 2001, 285; AG Mannheim, Urt. v. 21. Juli 1992 - 14 C 92/92 - DWW 1992, 370). Werden daher z. B. die Wohnung an die Eltern und die Geschäftsräume an den Sohn vermietet, so handelt es sich um zwei unterschiedliche Mietverträge.
Autor: Dr. Hans-Herbert Gather