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Ghostwriter und Bauredner
06.06.2002 (GE 11/02, Seite 688) Gesagt ist gesagt, denkt man, vor allem, wenn es einem schriftlich daherkommt, noch dazu in der Form eines Interviews. Aber weit gefehlt, seit Politiker sich offenbar nicht nur Ghostwriter leisten, sondern auch noch Bauchredner auftreten lassen.
Also: Vor einiger Zeit fiel der Berliner Mieterverein über die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen (HOWOGE) her, weil diese ihre Mieterhöhungen erstmals nicht mit dem Berliner Mietspiegel begründete, sondern mit „weit über den Mietspiegelwerten liegenden“ Vergleichswohnungen. Was, wie wir alle wissen, nach dem Gesetz zulässig ist. Der Mieterverein freilich behauptete wider besseres Wissen, die Mieter seien „über die Rechtslage getäuscht“ worden. Die HOWOGE, über die der Mieterverein titelte „Wie die Profitgeier“, wurde aufgefordert, erstens so was Böses nicht wieder zu tun, und zweitens dort, wo die Mieter einer über den Mietspiegel-Oberwert hinausgehenden Mieterhöhung schon zugestimmt hatten, diese Mieterhöhung wieder zurückzunehmen auf den Oberwert des Mietspiegels. Und um dem Nachdruck zu verleihen, führte der Mieterverein auch gleich ein Interview mit Big Boss Peter Strieder, um sozusagen ex cathedra dem unbotmäßigen HOWOGE-Vorstand die Leviten lesen zu lassen. Doch weit gefehlt, sagte der Stadtentwicklungssenator doch tatsächlich: „Der Mietspiegel ist im Regelfall zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgebend und wird auch so genutzt. Es obliegt jedoch den städtischen Wohnungsbaugesellschaften als selbständig handelnden Unternehmen, jeden Einzelfall zu prüfen und im berechtigten Ausnahmefall auch auf ein anderes Begründungsmittel zurückzugreifen. Ein Mietspiegel ist ein wichtiges Mittel zur Festsetzung des Mietpreises, aber kein zwingendes Gesetz. Ich gehe davon aus, daß die HOWOGE rechtlich einwandfrei handelt.“ Tat sie, Herr Senator, da können wir Sie völlig beruhigen. Irgend jemand muß Strieder aber beunruhigt haben. Und vielleicht lag es ja auch daran, daß das Interview in der April-Ausgabe des „Mietermagazins“ erschienen ist. Jedenfalls im Mai war in der Hauspostille des Mietervereins zu lesen: „Strieder rudert zurück“ und ein Schreiben des Senators an den Mieterverein, daß besagtes Interview in der April-Ausgabe zwar „eine von Mitarbeitern meines Hauses erstellte, aber von mir nicht autorisierte Stellungnahme zu dem von Ihnen zu Recht kritisierten Vorgehen der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE“ sei. Dann folgten die üblichen Platitüden über die Wunderwaffe Mietspiegel und die Ankündigung, das HOWOGE-Vorgehen werde kritisch überprüft. So ändern sich die Zeiten. Einer von Strieders Vorgängern, Harry Ristock, stellte sich noch vor jeden Baum, sein Nachfolger stellt sich nicht einmal mehr vor seine Mitarbeiter - einer der gravierendsten Managementfehler, die man überhaupt machen kann. Rainer Wild, einer der Geschäftsführer des Mietvereins, fand für das alles die schlichte Bezeichnung „Eiertanz“. Er konnte ja nicht wissen, daß Peter Strieder selbigen ständig trainiert. Kostprobe gefällig? Dann wollen wir mal aus dem Schreiben Strieders an die Geschäftsführer der städtischen Wohnungsunternehmen zitieren, bei dem es um die Leistungsprämien für Geschäftsführer geht, wenn sie bestimmte Ziele erreichen. Dort schreibt Strieder (wenn es nicht wieder einer seiner nicht autorisierten Ghostwriter war): „Allerdings stimmen die Senatsverwaltung für Finanzen und ich darin überein, daß alle als unmittelbare und mittelbare Beteiligungsgesellschaften geführten Wohnungsbaugesellschaften Berlin einschließlich ihrer verbundenen Unternehmen ab dem Wirtschaftsjahr 2002 wesentliche Ergebnis- und Leistungsverbesserungen erreichen müssen, die nachhaltig der Fortentwicklung ihrer Unternehmensgruppe dienen und Berlin spürbare Einnahmen bzw. Beiträge zur Konsolidierung zukommen lassen. Dabei ist sich der Senat dessen bewußt, daß alle Wohnungsbaugesellschaften Berlins ihre zentralen Aufgaben der Wohnraumversorgung und Mietpreisbegrenzung sowie der Verbesserung der Wohnungsangebote und der Mieterzufriedenheit mit uneingeschränkter Priorität weiterzuverfolgen haben. Das fordert Sie als Geschäftsführer und Vorstände der Wohnungsbaugesellschaften Berlin in besonderer Weise …“ Wenn man das gelesen hat, verschlägt es einem erst einmal gründlich die Sprache. Die städtischen Gesellschaften sind, wie ein interner Bericht des Senats ausweist, ausgeblutet, hoch verschuldet, schreiben rote Zahlen. Seit 1991 haben die städtischen Gesellschaften durch Dividenden, In-Sich-Geschäfte etc. dem Landeshaushalt 1,57 Milliarden Euro an liquiden Mitteln zugeführt. Sie haben die Kosten gesenkt und rationalisiert: 1991 waren noch 8.870 Mitarbeiter bei ihnen beschäftigt, zehn Jahre später sind es nur noch 5.740. Eine Personaleinsparung von 35 % soll der Senat erst einmal nachmachen. Wie aber sollen die städtischen Gesellschaften nun noch weitere „spürbare Beiträge“ zur Haushaltskonsolidierung leisten, ohne die Einnahmeseite zu verbessern, also die Mieten zu erhöhen? Was sie - so Strieder - ja auch nicht dürfen wg. „Mietpreisbegrenzung und Mieterzufriedenheit“ (siehe oben). Und gleichzeitig sollen sie auch noch die „Wohnungsangebote verbessern“. Vielleicht sollte Peter Strieder in die FDP eintreten, dort werden bekanntlich Spaßpolitiker gesucht.