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Schnäppchen-Villa
21.05.2002 (GE 10/02, Seite 620) Das Potsdamer Verwaltungsgericht bestätigte einmal mehr die alte Weisheit, daß man vor Gericht nicht Recht, sondern nur ein Urteil erhält.
In erster Instanz erhielten das jetzt die Erben des Alteigentümers Wilhelm Baumgärtel, die Anspruch auf eine hübsche Potsdamer Villa nebst großem Grundstück erhoben, die nur einen großen Fehler hat: Seit 1969 wohnt dort der jetzige Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe mit seiner Frau. Für umgerechnet 400.000 Euro errichtete 1927 Wilhelm Baumgärtel die Villa auf der Grundlage eines auf 99 Jahre angelegten Erbbaurechts. Die Baumgärtels verließen 1968 die DDR legal und suchten eine Vertrauensperson, die das Haus bewohnen und bewahren sollte für die Zeit nach der DDR. Sie fanden den Kirchenmann und damaligen Konsistorialpräsidenten der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Manfred Stolpe. Daß sie damit den Bock zum Gärtner gemacht hatten, konnten sie nicht ahnen. Weil die DDR 1960 das Erbbaurecht abgeschafft, das dingliche Nutzungsrecht statt dessen eingeführt und bestimmt hatte, daß einem Besitzer das Grundstück entzogen werden konnte, wenn er es nicht nutzte, wurden - merkwürdigerweise erst fast zehn Jahre nach dem Einzug - die Stolpes als Nutzungsberechtigte ins Grundbuch eingetragen und kauften fünf Jahre später für rund 20.000 DDR-Mark, also offiziell umgerechnet 2.500 Euro, Baumgärtels Haus. 1990, als es mit der DDR zu Ende ging und ein gewisser Hans Modrow den DDR-Bürgern eine Möglichkeit verschaffte, die man aus ideologischen Gründen vorher immer abgelehnt hatte, nämlich den Grund und Boden zu kaufen, schlugen die Stolpes noch mal zu, wiederum für umgerechnet 2.500 Euro, macht 5.000 Euro für eine Immobilie, deren Wert heute auf mindestens 750.000 Euro geschätzt wird. Daß Baumgärtels Erben die Feststellung des Verwaltungsgerichts, eine Schädigungsabsicht der veräußernden Stadt Potsdam sei daraus nicht zu schließen, völlig anders sehen werden, ist verständlich, wie sich der Brandenburgische Ministerpräsident und Christ Manfred Stolpe verhalten hat, weniger. Ganz zum Schluß schien es fast noch eine Art Einigung zu geben, als Stolpes Anwalt, der Berliner Reimar von Wedel, der immer auf Kirchenseite auftaucht, einen Vorschlag zur Güte machte: 250.000 Euro sollten die Baumgärtel-Erben für Haus und Grundstück an die Stolpes zahlen und zudem ein zehnjähriges mietfreies Wohnrecht einräumen. Dann könnten sie die Immobilie haben. Manfred Stolpe habe das akzeptiert, die Alteigentümer auch. Nur Stolpes Frau habe in letzter Minute den Vorschlag torpediert. Ob aus eigenen Stücken oder vom Ehemann vorgeschickt, mag der Himmel klären. Eine Parabel für wahres Christentum ist das nicht, Manfred Stolpe selbst wird innere Moral genug haben, um keine Freude an dem Schnäppchen zu empfinden, auch keine klammheimliche.