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Begründung des Mieterhöhungsverlangens bei Unwirksamkeit des qualifizierten Mietspiegels?
Auswirkungen auf Mieterhöhungen und Zustimmungsklagen
17.07.2014 (GE 12/2014, S. 764) Nachdem der Berliner Mietspiegel 2013 nach Auffassung eines durch ein Gericht bestellten Sachverständigen nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, wie es § 558 d Abs. 1 BGB für einen qualifizierten Mietspiegel fordert (vgl. Seite 763 f.), stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Mietspiegel noch hat, insbesondere, ob er zur Begründung einer Mieterhöhung taugt und ob die Gerichte die ortsübliche Miete auch in Zukunft damit ermitteln können oder Sachverständige einschalten müssen.
1. Einleitung
§ 558 a Abs. 2 BGB führt die Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen auf. Der Vermieter kann Bezug nehmen auf einen einfachen (§ 558 a Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. BGB) oder qualifizierten Mietspiegel (§ 558 a Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. BGB), auf eine Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558 a Abs. 2 Nr. 2), auf ein Sachverständigengutachten (§ 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder drei Vergleichswohnungen (§ 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Er kann aber sein Mieterhöhungsverlangen auch auf noch andere Begründungsmittel stützen(vgl. dazu Kinne GE 2008, 1034).
Die Begründung mit diesen Mitteln ist aber nur Voraussetzung für die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens.
2. Formelle Wirksamkeit
Fraglich ist, ob die Begründung des Mieterhöhungsverlangens mit einem nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel formell wirksam ist. Dass Berlin die im Mietspiegel 2013 getroffenen Aussagen als zutreffend anerkannt hat, erbringt mit Blick auf § 418 Abs. 1 ZPO keinen Beweis dafür, dass der Mietspiegel tatsächlich unter Beachtung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden erstellt worden ist (vgl.BGH,Urteilvom6.November2013-VIII ZR 346/12 - GE 2013, 1645 zum Mietspiegel 2009). Grundsätzlich lässt zwar eine Einordnung der Wohnung in das falsche Rasterfeld eines Mietspiegels die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens unberührt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013, VIII ZR 269/12, GE 2013, 1133; BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 263/12, NZM 2013, 612).
Fraglich ist aber, ob dies auch dann noch gilt, wenn durchgreifende Bedenken gegen die Ermittlung der im Mietspiegel wiedergegebenen Rasterfelder bestehen (wie im Gutachten Krämer – vgl. dazu GE 2014, 763). Der BGH(Urteilvom13.November2013-VIII ZR 413/12 - GE 2014, 113) hat immerhin das Mieterhöhungsverlangen, das mit einem nicht vergleichbaren Mietspiegel einer Nachbargemeinde begründet wurde, für unwirksam gehalten. Daher stellt sich die Frage, ob das Erhöhungsverlangen, das mit einem nicht den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Mietspiegel begründet wurde, in formeller Hinsicht Angaben über die Tatsachen enthält, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. November 2013 - VIII ZR 413/12, aaO. und Urteil vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 11/07, GE 2008, 191 m.w.N.). Das dürfte aber zu bejahen sein, da auch ein derartiger Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete i.S.d. § 558 e Abs. 1 BGB enthält. Dies liegt auch auf der Linie des BGH (Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 79/11, GE 2012, 684; Versäumnisurteil vom 6. Juli 2011, VIII ZR 337/10, GE 2011, 1228; Urteil vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 321/09, GE 2010, 1117; Urteil vom 19. Mai 2010, VIII ZR 122/09, GE 2010, 1048), ein Mieterhöhungsverlangen trotz Begründungsfehlern für formell wirksam zu halten.
3. Materielle Begründetheit
Für die materiell-rechtliche Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens kommt es darauf an, ob der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete zuverlässig wiedergibt (vgl. dazu Kinne in Der Mietprozess, 4. Kapitel, Rn. 44).
Unabhängig von der Frage, ob der Mietspiegel 2013 nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, stellt sich diese Frage auch bei einem einfachen Mietspiegel i.S.d. § 558 e Abs. 1 BGB. Bestehen aber grundsätzliche Bedenken gegen die Ermittlung der im Mietspiegel wiedergegebenen Miete – z. B. weil die Zuordnung der Wohnungen zu den Lagen sowie die Definition der Lagen problematisch ist, die Stichprobe nicht repräsentativ und die Berechnung der Kaltmieten wegen der unrichtigen Berechnung der abgezogenen Betriebskosten nicht hinnehmbar ist –, scheidet nicht nur die gesetzliche Vermutungswirkung des qualifizierten Mietspiegels (§ 558 d Abs. 3 BGB) aus, sondern auch eine etwaige beweisrechtliche Vermutung für die Richtigkeit der im (einfachen) Mietspiegel wiedergegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete.
Der Tatrichter, der materiell-rechtlich zu überprüfen hat, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, ist vielmehr auf das Sachverständigengutachten für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete angewiesen. Er ist bei der Beurteilung der Begründetheit eines Mieterhöhungsverlangens im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung auch nicht auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel im Sinne des § 558 a Abs. 2 BGB beschränkt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013, VIII ZR 269/12, aaO.). Der Sachverständige muss bei der Ermittlung der Einzelvergleichsmiete natürlich ein breites Spektrum von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde berücksichtigen.
4. Prozessuale Probleme
Da nach hiesiger Auffassung das Mieterhöhungsverlangen nicht formell unwirksam ist, selbst wenn es mit einem den wissenschaftlichen Anforderungen nicht entsprechenden Mietspiegel begründet worden ist, bleibt die Zustimmungsklage zulässig. Anders wäre es, würde man das Mieterhöhungsverlangen für unwirksam halten; denn die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist unzulässig, wenn ihr kein wirksames Erhöhungsverlangen vorausgegangen ist (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - VIII ZR 413/12, GE 2014, 113). Bei formeller Wirksamkeit wäre ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf das sich der Vermieter vorsichtshalber auch ausdrücklich berufen sollte. Schwebt der Rechtsstreit bereits in der Berufung, ist auch noch dort die Erholung eines Sachverständigengutachtens möglich.
Sind Mieter trotz substantiierter Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit des qualifizierten Mietspiegels (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. November 2013 - VIII ZR 346/12, GE 2013, 1645) aufgrund der Vermutungswirkung des Mietspiegels rechtskräftig zur Zustimmung verurteilt worden, bleibt es dabei. Die Rechtskraft gilt in subjektiver Hinsicht nur zwischen den Parteien des jeweiligen Rechtsstreits, so dass sich andere Parteien nicht auf eine für sie günstigere Entscheidung in Parallelprozessen berufen können.
5. Zusammenfassung
Ein Mieterhöhungsverlangen kann auch mit einem Mietspiegel, der nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, formell wirksam begründet werden. Die Mitteilungspflicht des Vermieters gem. § 558 a Abs. 3 BGB und die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB entfallen. Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist ein solcher – einfacher – Mietspiegel ungeeignet, wenn durchgreifende Bedenken systematischer und tatsächlicher Art gegen die Richtigkeit der wiedergegebenen ortsüblichen Miete bestehen. Vielmehr ist zur Beurteilung der materiellen Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens ein Sachverständigengutachten einzuholen.
§ 558 a Abs. 2 BGB führt die Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen auf. Der Vermieter kann Bezug nehmen auf einen einfachen (§ 558 a Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. BGB) oder qualifizierten Mietspiegel (§ 558 a Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. BGB), auf eine Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558 a Abs. 2 Nr. 2), auf ein Sachverständigengutachten (§ 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder drei Vergleichswohnungen (§ 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Er kann aber sein Mieterhöhungsverlangen auch auf noch andere Begründungsmittel stützen(vgl. dazu Kinne GE 2008, 1034).
Die Begründung mit diesen Mitteln ist aber nur Voraussetzung für die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens.
2. Formelle Wirksamkeit
Fraglich ist, ob die Begründung des Mieterhöhungsverlangens mit einem nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel formell wirksam ist. Dass Berlin die im Mietspiegel 2013 getroffenen Aussagen als zutreffend anerkannt hat, erbringt mit Blick auf § 418 Abs. 1 ZPO keinen Beweis dafür, dass der Mietspiegel tatsächlich unter Beachtung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden erstellt worden ist (vgl.BGH,Urteilvom6.November2013-VIII ZR 346/12 - GE 2013, 1645 zum Mietspiegel 2009). Grundsätzlich lässt zwar eine Einordnung der Wohnung in das falsche Rasterfeld eines Mietspiegels die formelle Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens unberührt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013, VIII ZR 269/12, GE 2013, 1133; BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 263/12, NZM 2013, 612).
Fraglich ist aber, ob dies auch dann noch gilt, wenn durchgreifende Bedenken gegen die Ermittlung der im Mietspiegel wiedergegebenen Rasterfelder bestehen (wie im Gutachten Krämer – vgl. dazu GE 2014, 763). Der BGH(Urteilvom13.November2013-VIII ZR 413/12 - GE 2014, 113) hat immerhin das Mieterhöhungsverlangen, das mit einem nicht vergleichbaren Mietspiegel einer Nachbargemeinde begründet wurde, für unwirksam gehalten. Daher stellt sich die Frage, ob das Erhöhungsverlangen, das mit einem nicht den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Mietspiegel begründet wurde, in formeller Hinsicht Angaben über die Tatsachen enthält, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. November 2013 - VIII ZR 413/12, aaO. und Urteil vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 11/07, GE 2008, 191 m.w.N.). Das dürfte aber zu bejahen sein, da auch ein derartiger Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete i.S.d. § 558 e Abs. 1 BGB enthält. Dies liegt auch auf der Linie des BGH (Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 79/11, GE 2012, 684; Versäumnisurteil vom 6. Juli 2011, VIII ZR 337/10, GE 2011, 1228; Urteil vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 321/09, GE 2010, 1117; Urteil vom 19. Mai 2010, VIII ZR 122/09, GE 2010, 1048), ein Mieterhöhungsverlangen trotz Begründungsfehlern für formell wirksam zu halten.
3. Materielle Begründetheit
Für die materiell-rechtliche Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens kommt es darauf an, ob der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete zuverlässig wiedergibt (vgl. dazu Kinne in Der Mietprozess, 4. Kapitel, Rn. 44).
Unabhängig von der Frage, ob der Mietspiegel 2013 nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, stellt sich diese Frage auch bei einem einfachen Mietspiegel i.S.d. § 558 e Abs. 1 BGB. Bestehen aber grundsätzliche Bedenken gegen die Ermittlung der im Mietspiegel wiedergegebenen Miete – z. B. weil die Zuordnung der Wohnungen zu den Lagen sowie die Definition der Lagen problematisch ist, die Stichprobe nicht repräsentativ und die Berechnung der Kaltmieten wegen der unrichtigen Berechnung der abgezogenen Betriebskosten nicht hinnehmbar ist –, scheidet nicht nur die gesetzliche Vermutungswirkung des qualifizierten Mietspiegels (§ 558 d Abs. 3 BGB) aus, sondern auch eine etwaige beweisrechtliche Vermutung für die Richtigkeit der im (einfachen) Mietspiegel wiedergegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete.
Der Tatrichter, der materiell-rechtlich zu überprüfen hat, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, ist vielmehr auf das Sachverständigengutachten für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete angewiesen. Er ist bei der Beurteilung der Begründetheit eines Mieterhöhungsverlangens im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung auch nicht auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel im Sinne des § 558 a Abs. 2 BGB beschränkt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013, VIII ZR 269/12, aaO.). Der Sachverständige muss bei der Ermittlung der Einzelvergleichsmiete natürlich ein breites Spektrum von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde berücksichtigen.
4. Prozessuale Probleme
Da nach hiesiger Auffassung das Mieterhöhungsverlangen nicht formell unwirksam ist, selbst wenn es mit einem den wissenschaftlichen Anforderungen nicht entsprechenden Mietspiegel begründet worden ist, bleibt die Zustimmungsklage zulässig. Anders wäre es, würde man das Mieterhöhungsverlangen für unwirksam halten; denn die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist unzulässig, wenn ihr kein wirksames Erhöhungsverlangen vorausgegangen ist (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - VIII ZR 413/12, GE 2014, 113). Bei formeller Wirksamkeit wäre ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf das sich der Vermieter vorsichtshalber auch ausdrücklich berufen sollte. Schwebt der Rechtsstreit bereits in der Berufung, ist auch noch dort die Erholung eines Sachverständigengutachtens möglich.
Sind Mieter trotz substantiierter Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit des qualifizierten Mietspiegels (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. November 2013 - VIII ZR 346/12, GE 2013, 1645) aufgrund der Vermutungswirkung des Mietspiegels rechtskräftig zur Zustimmung verurteilt worden, bleibt es dabei. Die Rechtskraft gilt in subjektiver Hinsicht nur zwischen den Parteien des jeweiligen Rechtsstreits, so dass sich andere Parteien nicht auf eine für sie günstigere Entscheidung in Parallelprozessen berufen können.
5. Zusammenfassung
Ein Mieterhöhungsverlangen kann auch mit einem Mietspiegel, der nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, formell wirksam begründet werden. Die Mitteilungspflicht des Vermieters gem. § 558 a Abs. 3 BGB und die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB entfallen. Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist ein solcher – einfacher – Mietspiegel ungeeignet, wenn durchgreifende Bedenken systematischer und tatsächlicher Art gegen die Richtigkeit der wiedergegebenen ortsüblichen Miete bestehen. Vielmehr ist zur Beurteilung der materiellen Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Autor: VRiLG a.D. HARALD KINNE