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Nachschuss-Beschluss: Teilanfechtung möglich!
Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage
06.06.2025 (GE 9/2025, S. 422) Der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse kann teilweise angefochten bzw. für ungültig erklärt werden. Vorauszusetzen ist, dass die Abrechnungsspitze eine rechnerisch selbständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition enthält und anzunehmen ist, dass die Wohnungseigentümer den Beschluss auch mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil gefasst hätten.
Zum Hintergrund: Seit dem 1. Dezember 2020 genehmigen die Wohnungseigentümer durch Beschluss nicht die Jahresabrechnung, sondern beschließen gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Beschlussgegenstand ist damit, schuldet ein Wohnungseigentümer Nachschuss, ein Zahlbetrag (im Fall waren das bei dem klagenden Wohnungseigentümer, der Eigentümer von zwei Wohnungseigentumsrechten ist, 523,59 € bzw. 318,07 €).
Meint ein Wohnungseigentümer, dieser Zahlbetrag sei von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer falsch errechnet worden, so kann er im Wege der Anfechtungsklage beispielsweise geltend machen, die Kosten sämtlicher Kostenpositionen seien falsch berechnet worden. So wird es in der Regel aber nicht sein. Vielmehr wird ein Wohnungseigentümer bemängeln, die Kosten einer oder mehrerer, nicht aber aller Kostenpositionen seien falsch verteilt worden. Streitig ist, ob ein Wohnungseigentümer vor diesem Hintergrund den Nachschuss-Beschluss bloß teilweise anfechten kann, oder ob er gezwungen ist, ihn mit dem Risiko hoher Kosten insgesamt anzugreifen, obwohl er selbst meint, die Berechnungsgrundlagen seien überwiegend richtig.
Der Fall: Wohnungseigentümer K zahlt teilweise kein Hausgeld. Um die dadurch bedrohte Liquidität der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer herzustellen, wird im Jahr 2017 beschlossen, Mittel der Erhaltungsrücklage – 10.000 € – umzuwidmen. Als K später 10.000 € zahlt, wird die Zahlung bei der Erhaltungsrücklage verbucht. 2020 wird beschlossen, die Erhaltungsrücklage wieder i.H.v. 10.000 € aufzufüllen.
Im Jahr 2022 wird gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG ein Beschluss für das Jahr 2020 gefasst. Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss insoweit vor, als ein aus der Erhaltungsrücklage im Jahr 2020 angeblich entnommener Betrag von 10.000 € nach Miteigentumsanteilen auf die Wohnungseigentümer verteilt wurde. Das AG weist die Klage ab, das LG gibt ihr statt. Dagegen richtet sich die Revision.
Das Urteil: Der BGH meint, die Teilanfechtung und die auf ihr beruhende Erklärung, der Beschluss sei teilweise ungültig, seien entgegen der überwiegenden Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur prozessual nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG den Beschlussgegenstand auf die Zahlungspflichten verengt habe, ändere nichts an der Teilbarkeit des Nachschuss-Beschlusses. Eine Abrechnungsspitze stelle lediglich das Rechenergebnis aus den anteilig zu verteilenden Kostenpositionen dar. Für diese Sichtweise spreche auch die Interessenlage der Wohnungseigentümer. Ihnen sei in der Regel daran gelegen, die der Beschlussfassung unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend zu bewältigen und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Ferner spreche ein Blick auf den Streitwert für dieses Ergebnis.
Ob die Ungültigkeit eines Teils des Nachschuss-Beschlusses zu seiner Gesamtungültigkeit führe, sei entsprechend § 139 BGB zu beurteilen und richte sich danach, ob der unbeanstandet gebliebene Teil des Beschlusses allein sinnvollerweise Bestand haben könne und anzunehmen sei, dass ihn die Wohnungseigentümer ebenso gefasst hätten. Was Tenorierung bzw. Antragstellung anbelange, könne an die BGH-Rechtsprechung vor der WEG-Reform angeknüpft werden. Einer Modifikation bedürfe es lediglich im Hinblick auf den geänderten Beschlussgegenstand (Hinweis zu Formulierungsvorschlägen u. a. auf Elzer, ZWE 2022, 369 [370]).
Die Teilanfechtungsklage sei auch begründet. Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage seien verteilungsneutral und dürften nicht in die Berechnung der Abrechnungsspitze einfließen. Der Beschluss aus 2020 habe nichts geändert. Damit sei bloß nachträglich „eine Grundlage“ für die Zahlung des K aus dem Jahr 2018 geschaffen worden.
Anmerkung: Der BGH klärt zum einen, dass ein Wohnungseigentümer einen Nachschuss-Beschluss teilweise angreifen kann. Dies war bislang sehr streitig (siehe zuletzt Zschieschack, Nochmals: Die Teilanfechtung von Beschlüssen nach § 28 Abs. 1 und 2 WEG, NZM 2024, 710 ff.). Die Klärung im Sinne der Minderansicht ist für die Wohnungseigentümer ein Segen. Warum? Erstens werden die Streitigkeiten um einen Nachschuss-Beschluss jetzt wieder deutlich billiger. Zweitens muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der Regel nicht befürchten, dass ihr die Rechtsgrundlage für sämtliche Vorschüsse verloren geht. Und drittens kann ein Wohnungseigentümer jetzt nicht mehr wegen z. B. 10 € mit Erfolg sämtliche Nachschuss-Beschlüsse auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Fall bringen. Das war bislang nämlich der Fall, da es nach h. M. nicht möglich war, einen Beschluss, der angegriffen wurde, im Übrigen, also insoweit er fehlerfrei war, zu bestätigen.
Zum anderen mahnt der BGH die Verwaltungen, dass eine Entnahme aus einer Rücklage, welcher auch immer, nicht umzulegen ist (sofern die Mittel nicht umgewidmet werden). Diese Sichtweise ist völlig unstreitig. Es schadet aber nicht, an solche Selbstverständlichkeit zu erinnern.
Im Übrigen für die Praxis noch folgende Hinweise: Durch die Umwidmung der Mittel der Erhaltungsrücklage gab es im Jahr 2017 der Sache nach eine Einnahme der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Erhaltungsrücklage sank dadurch um 10.000 € herab. Belief sie sich beispielsweise vorher auf 80.000 €, musste es danach in den Konten 70.000 € heißen.
Die spätere Zahlung des K war nicht, wie aber geschehen, vollständig bei der Erhaltungsrücklage zu buchen. K hatte auf eine Schuld aus § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG und/oder auf eine aus § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG gezahlt. Diese Zahlung war nur zu einem kleinen Teil der Erhaltungsrücklage zuzuschlagen. Hätte man die Erhaltungsrücklage „wiederauffüllen“ wollen, hätte man Vorschüsse ohne Wirtschaftsplan (eine „Sonderumlage“) nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG, z. B. 10.000 €, bestimmen oder die Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG erhöhen müssen.
Der Beschluss aus dem Jahr 2020 war entgegen dem BGH keine „Grundlage für die bereits 2018 vorgenommene Einzahlung von 10.000 € auf das Instandhaltungskonto“. Zwar war ein solcher Betrag tatsächlich aus der Rücklage entnommen worden. Der Betrag konnte von K aber nicht, wie es in der Entscheidung aber heißt, „zurückgeführt“ werden. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn man die 10.000 € zu Mitteln der Erhaltungsrücklage durch Beschluss umgewidmet hätte. Aber warum hätte K diese Mittel allein tragen sollen?
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 444 und in unserer Datenbank.
Meint ein Wohnungseigentümer, dieser Zahlbetrag sei von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer falsch errechnet worden, so kann er im Wege der Anfechtungsklage beispielsweise geltend machen, die Kosten sämtlicher Kostenpositionen seien falsch berechnet worden. So wird es in der Regel aber nicht sein. Vielmehr wird ein Wohnungseigentümer bemängeln, die Kosten einer oder mehrerer, nicht aber aller Kostenpositionen seien falsch verteilt worden. Streitig ist, ob ein Wohnungseigentümer vor diesem Hintergrund den Nachschuss-Beschluss bloß teilweise anfechten kann, oder ob er gezwungen ist, ihn mit dem Risiko hoher Kosten insgesamt anzugreifen, obwohl er selbst meint, die Berechnungsgrundlagen seien überwiegend richtig.
Der Fall: Wohnungseigentümer K zahlt teilweise kein Hausgeld. Um die dadurch bedrohte Liquidität der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer herzustellen, wird im Jahr 2017 beschlossen, Mittel der Erhaltungsrücklage – 10.000 € – umzuwidmen. Als K später 10.000 € zahlt, wird die Zahlung bei der Erhaltungsrücklage verbucht. 2020 wird beschlossen, die Erhaltungsrücklage wieder i.H.v. 10.000 € aufzufüllen.
Im Jahr 2022 wird gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG ein Beschluss für das Jahr 2020 gefasst. Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss insoweit vor, als ein aus der Erhaltungsrücklage im Jahr 2020 angeblich entnommener Betrag von 10.000 € nach Miteigentumsanteilen auf die Wohnungseigentümer verteilt wurde. Das AG weist die Klage ab, das LG gibt ihr statt. Dagegen richtet sich die Revision.
Das Urteil: Der BGH meint, die Teilanfechtung und die auf ihr beruhende Erklärung, der Beschluss sei teilweise ungültig, seien entgegen der überwiegenden Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur prozessual nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG den Beschlussgegenstand auf die Zahlungspflichten verengt habe, ändere nichts an der Teilbarkeit des Nachschuss-Beschlusses. Eine Abrechnungsspitze stelle lediglich das Rechenergebnis aus den anteilig zu verteilenden Kostenpositionen dar. Für diese Sichtweise spreche auch die Interessenlage der Wohnungseigentümer. Ihnen sei in der Regel daran gelegen, die der Beschlussfassung unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend zu bewältigen und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Ferner spreche ein Blick auf den Streitwert für dieses Ergebnis.
Ob die Ungültigkeit eines Teils des Nachschuss-Beschlusses zu seiner Gesamtungültigkeit führe, sei entsprechend § 139 BGB zu beurteilen und richte sich danach, ob der unbeanstandet gebliebene Teil des Beschlusses allein sinnvollerweise Bestand haben könne und anzunehmen sei, dass ihn die Wohnungseigentümer ebenso gefasst hätten. Was Tenorierung bzw. Antragstellung anbelange, könne an die BGH-Rechtsprechung vor der WEG-Reform angeknüpft werden. Einer Modifikation bedürfe es lediglich im Hinblick auf den geänderten Beschlussgegenstand (Hinweis zu Formulierungsvorschlägen u. a. auf Elzer, ZWE 2022, 369 [370]).
Die Teilanfechtungsklage sei auch begründet. Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage seien verteilungsneutral und dürften nicht in die Berechnung der Abrechnungsspitze einfließen. Der Beschluss aus 2020 habe nichts geändert. Damit sei bloß nachträglich „eine Grundlage“ für die Zahlung des K aus dem Jahr 2018 geschaffen worden.
Anmerkung: Der BGH klärt zum einen, dass ein Wohnungseigentümer einen Nachschuss-Beschluss teilweise angreifen kann. Dies war bislang sehr streitig (siehe zuletzt Zschieschack, Nochmals: Die Teilanfechtung von Beschlüssen nach § 28 Abs. 1 und 2 WEG, NZM 2024, 710 ff.). Die Klärung im Sinne der Minderansicht ist für die Wohnungseigentümer ein Segen. Warum? Erstens werden die Streitigkeiten um einen Nachschuss-Beschluss jetzt wieder deutlich billiger. Zweitens muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der Regel nicht befürchten, dass ihr die Rechtsgrundlage für sämtliche Vorschüsse verloren geht. Und drittens kann ein Wohnungseigentümer jetzt nicht mehr wegen z. B. 10 € mit Erfolg sämtliche Nachschuss-Beschlüsse auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Fall bringen. Das war bislang nämlich der Fall, da es nach h. M. nicht möglich war, einen Beschluss, der angegriffen wurde, im Übrigen, also insoweit er fehlerfrei war, zu bestätigen.
Zum anderen mahnt der BGH die Verwaltungen, dass eine Entnahme aus einer Rücklage, welcher auch immer, nicht umzulegen ist (sofern die Mittel nicht umgewidmet werden). Diese Sichtweise ist völlig unstreitig. Es schadet aber nicht, an solche Selbstverständlichkeit zu erinnern.
Im Übrigen für die Praxis noch folgende Hinweise: Durch die Umwidmung der Mittel der Erhaltungsrücklage gab es im Jahr 2017 der Sache nach eine Einnahme der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Erhaltungsrücklage sank dadurch um 10.000 € herab. Belief sie sich beispielsweise vorher auf 80.000 €, musste es danach in den Konten 70.000 € heißen.
Die spätere Zahlung des K war nicht, wie aber geschehen, vollständig bei der Erhaltungsrücklage zu buchen. K hatte auf eine Schuld aus § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG und/oder auf eine aus § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG gezahlt. Diese Zahlung war nur zu einem kleinen Teil der Erhaltungsrücklage zuzuschlagen. Hätte man die Erhaltungsrücklage „wiederauffüllen“ wollen, hätte man Vorschüsse ohne Wirtschaftsplan (eine „Sonderumlage“) nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG, z. B. 10.000 €, bestimmen oder die Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG erhöhen müssen.
Der Beschluss aus dem Jahr 2020 war entgegen dem BGH keine „Grundlage für die bereits 2018 vorgenommene Einzahlung von 10.000 € auf das Instandhaltungskonto“. Zwar war ein solcher Betrag tatsächlich aus der Rücklage entnommen worden. Der Betrag konnte von K aber nicht, wie es in der Entscheidung aber heißt, „zurückgeführt“ werden. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn man die 10.000 € zu Mitteln der Erhaltungsrücklage durch Beschluss umgewidmet hätte. Aber warum hätte K diese Mittel allein tragen sollen?
Den Wortlaut finden Sie in GE 2025, Seite 444 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG Dr. Oliver Elzer
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