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Mietschuldenfreiheitsbescheinigung als negatives Schuldanerkenntnis?
Mieter durfte zu hohe Minderungsbeträge einbehalten
11.12.2015 (GE 21/2015, S. 1324) Bestätigt der Vermieter in einer schriftlichen Erklärung, dass der Mieter seinen bisherigen mietvertraglichen Verpflichtungen nachgekommen sei, die Mietzahlungen immer pünktlich und in voller Höhe geleistet habe und das Mieterkonto keine Rückstände aufweise, allerdings auf noch fällig werdende Nachforderungen aus der noch zu erstellenden Umlageabrechnung nicht verzichtet werde, stellt das ein negatives Schuldanerkenntnis dar mit der Folge, dass der Vermieter jedenfalls keine Miete mehr nachfordern kann, sondern nur noch offene Beträge aus einer Betriebskostenabrechnung. Im konkreten Fall konnte der Vermieter vom Mieter unrechtmäßig einbehaltene Minderungsbeträge nicht wieder herausverlangen.
Der Fall: Der Mieter hatte eine Dachgeschosswohnung gemietet. Gegenüber dem Haus befand sich das Gelände einer Kleingartenkolonie, das später bebaut wurde (13 sechsgeschossige Häuser mit 210 Wohnungen und Tiefgaragen). Der Mieter minderte wegen des Baulärms die Miete um monatlich 20 %. Mit Schreiben vom 7. April 2011 teilte die Hausverwaltung des Vermieters dem Mieter mit, dass aus Rechtsgründen der Mietminderung widersprochen werde; außerdem behalte man sich vor, möglicherweise bestehende Rückstände zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen. Der Mieter entschloss sich dann aber, auszuziehen. Er bat die Hausverwaltung des Vermieters, ihm eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auszustellen. Diese kam der Bitte nach und bestätigte mit Schreiben vom 11. April 2013, dass der Mieter seinen bisherigen mietvertraglichen Verpflichtungen nachgekommen sei, die Mieten immer pünktlich und in voller Höhe geleistet habe, und dass das Mieterkonto bis zum Datum der Bescheinigung keine Rückstände aufweise. Vorsorglich wurde allerdings darauf hingewiesen, dass mit dieser Bestätigung nicht auf gegebenenfalls noch fällig werdende Nachforderungen aus der noch zu erstellenden Umlagenabrechnung verzichtet werde. Der Vermieter machte aber dennoch die nicht gezahlten Mieten gerichtlich geltend und vertrat die Ansicht, dem Mieter habe ein Minderungsrecht nicht zugestanden. Das Amtsgericht verurteilte den Mieter, gestand jedoch lediglich eine Minderung von 10 % zu. Die von der Hausverwaltung des Vermieters ausgestellte Mietschuldenfreiheitsbescheinigung stehe der Geltendmachung
der verbleibenden Mietzinsforderungen nicht entgegen. Der Vermieter habe mit Schreiben vom 7. April 2011 deutlich gemacht, dass er die Mietminderung nicht akzeptiere. Von dieser Erklärung sei auch nicht abgerückt worden. Der Zweck einer Schuldenfreiheitsbescheinigung bestehe darin, einen neuen Vermieter über das Fehlen von Zahlungsrückständen aus dem bisherigen Mietverhältnis aufzuklären. Da diese Zielsetzung einem Vermieter allgemein bekannt und für ihn erkennbar sei, könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass er dem Mieter hiermit auch noch rückständige Miete erlassen wolle. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Berufung ein.
Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 18 (Einzelrichter) änderte das angefochtene Urteil ab. Dem Vermieter stünden Mietzinsansprüche für die Zeit bis zur Erstellung der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung nicht zu. Es könne dahinstehen, ob einer derartigen Bescheinigung generell die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses beigelegt werden könne. Jedenfalls im vorliegenden Fall führe das Schreiben dazu, dass der Vermieter mit Nachforderungen von Mietzins wegen bereits bekannter Sachverhalte ausgeschlossen sei. Die Erklärung könne nach ihrer Formulierung von dem Mieter nach dem objektiven Empfängerhorizont nur im Sinne eines negativen Schuldanerkenntnisses verstanden werden. Denn der Vermieter bestätige darin abschließend, dass der Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen immer nachgekommen sei, die Mietzahlungen in voller Höhe geleistet worden seien und das Mieterkonto keine Rückstände aufweise.
Der Vermieter habe sich selbst veranlasst gefühlt, mitzuteilen, dass die Erklärung keinen Verzicht auf eine erst noch künftig entstehende etwaige Nachforderung aufgrund einer Betriebskostenabrechnung bedeuten solle. Vernünftigerweise habe der Mieter diese Erklärung dann nur so verstehen können, dass jedenfalls wegen anderer bekannter Sachverhalte keine weiteren Forderungen für die Vergangenheit mehr erhoben würden. Das Schreiben vom 11. April 2011 stehe dem nicht entgegen. Darin habe die Hausverwaltung erklärt, aus „Rechtsgründen“ einer Mietminderung zu widersprechen. Welche Rechtsgründe das gewesen seien und in welcher Weise sie den Sachverhalt gegebenenfalls anders einschätzte als der Mieter, ergebe sich aus dem Schreiben nicht. Gerade weil die Hausverwaltung vor Abgabe der Bestätigung erklärt habe, die Mietminderung nicht zu akzeptieren, dann aber doch die Bestätigung ohne jeden Vorbehalt abgegeben habe, habe die Erklärung nur so verstanden werden können, dass sie insoweit eben keine Rechte mehr geltend machen werde. Das gelte um so mehr angesichts des Umstandes, dass die Erklärung, mit der der Minderung widersprochen worden sei, zur Zeit der Mietschuldenfreiheitsbestätigung bereits mehr als zwei Jahre zurückgelegen habe und bis dahin auch keine Rechte auf Zahlung des Mietzinses geltend gemacht worden seien, insbesondere keine Klage erhoben worden sei.
Der Vermieter könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Hausverwaltung keine Vollmacht für eine derartige Erklärung gehabt habe. Denn die Hausverwaltung habe insoweit jedenfalls aufgrund einer Anscheinsvollmacht gehandelt. Aus Sicht des Mieters habe es sich so darstellen müssen, dass die Hausverwaltung minderungs- und mietzinsrelevante Erklärungen für den Vermieter mit dessen Wissen und Wollen abgebe. So stamme auch das Schreiben vom 7. April 2011 von der Hausverwaltung.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1401 und in unserer Datenbank)
der verbleibenden Mietzinsforderungen nicht entgegen. Der Vermieter habe mit Schreiben vom 7. April 2011 deutlich gemacht, dass er die Mietminderung nicht akzeptiere. Von dieser Erklärung sei auch nicht abgerückt worden. Der Zweck einer Schuldenfreiheitsbescheinigung bestehe darin, einen neuen Vermieter über das Fehlen von Zahlungsrückständen aus dem bisherigen Mietverhältnis aufzuklären. Da diese Zielsetzung einem Vermieter allgemein bekannt und für ihn erkennbar sei, könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass er dem Mieter hiermit auch noch rückständige Miete erlassen wolle. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Berufung ein.
Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 18 (Einzelrichter) änderte das angefochtene Urteil ab. Dem Vermieter stünden Mietzinsansprüche für die Zeit bis zur Erstellung der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung nicht zu. Es könne dahinstehen, ob einer derartigen Bescheinigung generell die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses beigelegt werden könne. Jedenfalls im vorliegenden Fall führe das Schreiben dazu, dass der Vermieter mit Nachforderungen von Mietzins wegen bereits bekannter Sachverhalte ausgeschlossen sei. Die Erklärung könne nach ihrer Formulierung von dem Mieter nach dem objektiven Empfängerhorizont nur im Sinne eines negativen Schuldanerkenntnisses verstanden werden. Denn der Vermieter bestätige darin abschließend, dass der Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen immer nachgekommen sei, die Mietzahlungen in voller Höhe geleistet worden seien und das Mieterkonto keine Rückstände aufweise.
Der Vermieter habe sich selbst veranlasst gefühlt, mitzuteilen, dass die Erklärung keinen Verzicht auf eine erst noch künftig entstehende etwaige Nachforderung aufgrund einer Betriebskostenabrechnung bedeuten solle. Vernünftigerweise habe der Mieter diese Erklärung dann nur so verstehen können, dass jedenfalls wegen anderer bekannter Sachverhalte keine weiteren Forderungen für die Vergangenheit mehr erhoben würden. Das Schreiben vom 11. April 2011 stehe dem nicht entgegen. Darin habe die Hausverwaltung erklärt, aus „Rechtsgründen“ einer Mietminderung zu widersprechen. Welche Rechtsgründe das gewesen seien und in welcher Weise sie den Sachverhalt gegebenenfalls anders einschätzte als der Mieter, ergebe sich aus dem Schreiben nicht. Gerade weil die Hausverwaltung vor Abgabe der Bestätigung erklärt habe, die Mietminderung nicht zu akzeptieren, dann aber doch die Bestätigung ohne jeden Vorbehalt abgegeben habe, habe die Erklärung nur so verstanden werden können, dass sie insoweit eben keine Rechte mehr geltend machen werde. Das gelte um so mehr angesichts des Umstandes, dass die Erklärung, mit der der Minderung widersprochen worden sei, zur Zeit der Mietschuldenfreiheitsbestätigung bereits mehr als zwei Jahre zurückgelegen habe und bis dahin auch keine Rechte auf Zahlung des Mietzinses geltend gemacht worden seien, insbesondere keine Klage erhoben worden sei.
Der Vermieter könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Hausverwaltung keine Vollmacht für eine derartige Erklärung gehabt habe. Denn die Hausverwaltung habe insoweit jedenfalls aufgrund einer Anscheinsvollmacht gehandelt. Aus Sicht des Mieters habe es sich so darstellen müssen, dass die Hausverwaltung minderungs- und mietzinsrelevante Erklärungen für den Vermieter mit dessen Wissen und Wollen abgebe. So stamme auch das Schreiben vom 7. April 2011 von der Hausverwaltung.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1401 und in unserer Datenbank)
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