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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Als einfacher Mietspiegel nutzbar?
Berliner Mietspiegel 2013
04.09.2015 (GE 15/2015, S. 942) Die Qualifikation der Berliner Mietspiegel nach § 558d Abs. 3 BGB ist aufgrund von zwei Sachverständigengutachten zur Methodik der Datenerhebung der Mietspiegel 2009 und 2013 zweifelhaft geworden. Einige Amtsrichter meinen, sie müssten diesen Zweifeln nicht nachgehen, weil die Mietspiegel auch als einfache Mietspiegel zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden könnten. Auch die ZK 67 des LG Berlin ist jetzt diesen Weg gegangen und meint, der Berliner Mietspiegel 2013 biete zumindest als einfacher Mietspiegel eine geeignete und hinreichende tatsächliche Grundlage, die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 287 ZPO zu bestimmen.
Der Fall: Der Vermieter verlangte Zustimmung zur Mieterhöhung. Der Mieter lehnte ab und berief sich auf den Berliner Mietspiegel 2013, der für die Wohnung keine Mieterhöhung rechtfertige. Das AG wies die Zustimmungsklage ab.

Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 67, wies die Berufung des Vermieters zurück. Das AG habe die ortsübliche Miete verfahrensfehlerfrei unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2013 ermittelt. Ob der Mietspiegel qualifiziert i. S. d. von § 558d Abs. 1, Abs. 2 BGB sei, bedürfe keiner Entscheidung. Es könne dahinstehen, ob der Vermieter die Qualifikationswirkung überhaupt hinreichend bestritten habe. Denn von der Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stelle, sei zunächst zu verlangen, dass sie im Rahmen des Möglichen substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringe, sofern dessen Erstellung – wie beim Berliner Mietspiegel 2013 – in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert sei (BGH - VIII ZR 46/12 -, GE 2013, 197). Das AG sei befugt und gehalten gewesen, den Berliner Mietspiegel 2013 unabhängig von seiner Qualifikationswirkung als sog. einfachen Mietspiegel für die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen. Auch ein einfacher Mietspiegel dürfe in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einfließen. Er stelle ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Die für eine richterliche Schätzung nach § 287 ZPO ausreichende Indizwirkung eines Mietspiegels bestehe selbst dann, wenn ein einfacher Mietspiegel – anders als der Berliner Mietspiegel – nicht von der Gemeinde, sondern allein von den Interessenvertretern der Mieter und der Vermieter erstellt worden sei. Es sei nicht gerechtfertigt, derart erstellten Mietspiegeln allgemein jegliche Aussagekraft im Erkenntnisverfahren abzusprechen (BGH VIII ZR 99/09, GE 2010, 1049). Denn die Annahme liege fern, die Interessenvertreter der Vermieter und der Mieter würden einen Mietspiegel erstellen oder billigen, der den Interessen ihrer jeweiligen Mitglieder widerspreche, weil er die ortsübliche Vergleichsmiete, die tatsächlichen Verhältnisse ignorierend, unzutreffend abbilde. Ein derart erstellter Mietspiegel sei selbst dann zur Ermittlung der ortsüblichen Miete heranzuziehen, wenn er noch nicht einmal die Gemeinde der vom Erhöhungsverlangen des Vermieters erfassten Wohnung, sondern lediglich die Mieten einer vergleichbaren Nachbargemeinde betreffe.
Ob die Indizwirkung eines einfachen Mietspiegels im Einzelfall zum Nachweis der Ortsüblichkeit der verlangten Miete ausreiche, hänge allerdings davon ab, welche Einwendungen der auf Zustimmung zur Mieterhöhung in Anspruch genommene Mieter gegen den Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels erhebe. Trage der Mieter etwa substantiiert vor, den Verfassern des Mietspiegels habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial, könne dies Anlass für eine weitere gerichtliche Beweiserhebung sein. Vorliegend beschränke der Vermieter jedoch seine Angriffe im Wesentlichen auf angebliche methodische Mängel des Mietspiegels: Dessen Lageeinteilung sei ebenso wie die Umrechnung der Nettokaltmieten fehlerhaft, die zugrunde gelegte Stichprobe nicht repräsentativ und die vorgenommene Spanneneinordnung ungenau. Es käme hinzu, dass nicht nur eine unzulässige Extremwertbereinigung, sondern auch die Fassung und Gewichtung der im Mietspiegel enthaltenen Sondermerkmale unrichtig vorgenommen worden seien. Diese Angriffe stellten weder die Expertise der Mietspiegelersteller noch deren Lauterkeit in Abrede, sondern würden allein in Zweifel ziehen, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Daraus folge aber lediglich für den – von der Kammer zugunsten des Vermieters unterstellten – Fall hinreichend substantiierter inhaltlicher Einwendungen gegen die Mietspiegel, dass diesem in der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht ohne Weiteres die Vermutung seiner Qualifiziertheit beigemessen werden könne. Davon zu trennen sei die Frage, ob ein solcher Mietspiegel für die dem Gericht gemäß § 287 ZPO eingeräumte Schätzung der ortsübliche Vergleichsmiete ausreiche. Im Rahmen des § 287 ZPO sei für die richterliche Überzeugungsbildung – anders als beim Vollbeweis – bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Gemessen an diesem reduzierten Beweismaß erreiche die unstreitige Expertise der Ersteller des Berliner Mietspiegels 2013 und die Anerkennung sowohl durch das Land als auch durch die Interessenverbände der Mieter und Vermieter für die richterliche Überzeugung, dass die im Mietspiegel angegebenen Mieten die ortsübliche Vergleichsmiete mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend wiedergeben, aus. Das gelte selbst in dem Fall, dass der Mietspiegel anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genügen und Mängel der Datenerhebung und -auswertung unterliegen sollte. Denn es sei nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass derartige Mängel im Falle ihrer Erheblichkeit bereits den durch ihre Sachkunde ausgewiesenen Erstellern des Mietspiegels oder zumindest den als sachkundigen Vertretern der Interessen ihrer Mitglieder bekannten Mieter- und Vermieterverbänden vor dessen Veröffentlichung offenbar geworden wären und diese entsprechende Mängel entweder vor Veröffentlichung des Mietspiegels gerügt und beseitigt, zumindest aber zum Anlass genommen hätten, den Mietspiegel nicht in seiner jetzigen Form zu veröffentlichen oder in der veröffentlichen Form anzuerkennen. Da der Mietspiegel gleichwohl in seiner jetzigen Form veröffentlicht und zudem umfassend anerkannt worden sei, sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zumindest davon auszugehen, dass die behaupteten Mängel der Datenerhebung und -auswertung im Falle ihres Vorliegens für die sachlich zutreffende Ermittlung der ausgewiesenen Mietwerte nur unerheblich ins Gewicht gefallen seien und selbst eine statistisch fehlerhafte Erstellung des Mietspiegels allenfalls zu einer der Höhe nach unwesentlich abweichenden ortsüblichen Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung geführt hätten.
Die Berufung habe auch keinen Erfolg, soweit sie die vom Amtsgericht vorgenommene Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung in den Mietspiegel als unzutreffend rüge. Die Wohnung befinde sich nicht in„bevorzugter Citylage“ (Prenzlauer Berg). Revision wurde nicht zugelassen, Revisionsbeschwerde wird wohl nicht eingelegt, weil die betroffene Vermieterin die Wohnungen inzwischen verkauft und an der Streitfortführung kein Interesse hat.

Anmerkung: Das Urteil ist vor allem im Hinblick auf die verwehrte Zulassung der Revision zu hinterfragen. Nach dem die Diskussion auslösenden Urteil des BGH - VIII ZR 46/12 -, GE 2013, 197 stellt sich die Darlegungs- und Beweissituation wie folgt dar: Die Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stellt, muss im Rahmen des Möglichen Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringen, sofern die Erstellung des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert ist (Rn. 22). Das ist im Allgemeinen der Vermieter. Will der Mieter die Richtigkeitsvermutung des Mietspiegels für sich in Anspruch nehmen, muss er darlegen und ggf. beweisen, dass der Mietspiegel die Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt (Rn. 29).
Vorliegend hat der Vermieter Angriffe gegen die Qualifikation des Berliner Mietspiegels 2013 vorgebracht. Die ZK 67 zieht das in Zweifel. Spätestens mit dem auch von der ZK 67 zitierten Urteil des AG Charlottenburg vom 11. Mai 2015 - 235 C 133/13 -, Beilage zu GE 10/2015, 47, WuM 2015, 361 sind jedoch die sachverständigenseits vorgebrachten Zweifel bzw. Feststellungen zur fehlenden Qualifikation des Berliner Mietspiegels 2013 gerichtsbekannt.
Nach BGH - VIII ZR 46/12 - unter Hinweis auf BGH - VIII ZR 99/09 -, GE 2010,1049 kann ein einfacher Mietspiegel in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einfließen.
Er stellt auch ein Indiz dafür dar, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Miete zutreffend wiedergeben. Wie weit diese Indizwirkung reicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Qualität des Mietspiegels ab (BGH GE 2010, 1049, Rn. 12). Ob die Indizwirkung eines einfachen Mietspiegels im Einzelfall zum Nachweis der ortsüblichen Miete ausreicht, hängt davon ab, welche Einwendungen der auf Zustimmung zur Mieterhöhung in Anspruch genommene Mieter gegen den Erkenntniswert der Angaben des konkreten (einfachen) Mietspiegels erhebt. Insbesondere erwähnt der BGH die Einwendung, der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem und nicht repräsentativem Datenmaterial. Diesen Einwendungen muss der Tatrichter nachgehen. Verbleiben danach Zweifel, ist die Indizwirkung erschüttert. Dann ist es Sache des Vermieters, für seinen Vortrag, die von ihm verlangte neue Miete liege innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete, anderweit Beweis anzutreten (Rn. 13 in VIII ZR 99/09).
Im Fall des BGH VIII ZR 99/09, GE 2010, 1049 hatte sich der Mieter dagegen gewehrt, dass der Mietspiegel der Nachbargemeinde als einfacher Mietspiegel herangezogen wurde. Im vorliegenden Fall wendet sich der Vermieter gegen die Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2013. Demgemäß hätte die ZK 67 die Entscheidung des BGH auf diese Situation projizieren müssen. Hier setzt die Kritik an der Schlussfolgerung der ZK 67 an, der als qualifizierter Mietspiegel konzipierte Berliner Mietspiegel 2013 könne unabhängig von einer Vermutungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB quasi 1 : 1 als einfacher Mietspiegel genutzt werden. Die von dem Sachverständigen Professor Krämer festgestellten Mängel an der Erhebung der in dem Berliner Mietspiegel 2013 eingeflossenen Mietdaten haften naturgemäß auch den Daten des einfachen Mietspiegels an. Deshalb hätte die ZK 67 sich mit den gutachterlichen Feststellungen auseinandersetzen und den Zweifeln nachgehen müssen, der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial. Notfalls hätte – bei Zweifeln an den Ausführungen des Sachverständigen Krämer – ein weiteres Statistikgutachten eingeholt werden müssen und nicht nur von angeblichen Zweifeln gesprochen werden dürfen.
Nach BGH ist die Indizwirkung (eines einfachen Mietspiegels) schon erschüttert, wenn Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels verbleiben – die Zweifel müssen sich also nicht einmal erhärtet haben. Dabei beziehen sich vorliegend die Zweifel nicht darauf, den Verfassern des Mietspiegels habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Die Verfasser waren zum Berliner Mietspiegel 2013 noch nicht„bösgläubig“, weil zu diesem Zeitpunkt die vom BGH mit Urteil vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12 - aufgerollte Problematik noch nicht virulent war.
Bei dieser Sachlage ist es m. E. einem Gericht verwehrt, die Qualifikation des Berliner Mietspiegels 2013 dahinstehen zu lassen und das Datenmaterial schlicht als einfachen Mietspiegel zu übernehmen. Dem BGH folgend ist es dann Sache des Vermieters als Anspruchsteller, anderweit Beweis anzutreten, was vorliegend dem Vernehmen nach durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Mietsachverständigen geschehen ist.
Deshalb hätte die Kammer zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zulassen sollen/müssen.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 971 und in unserer Datenbank)
Autor: Klaus Schach


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