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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Geschäftsführung ohne Auftrag
Ersatzansprüche im Wohnungseigentum
17.05.2022 (GE 8/2022, S. 396) Anders als den Wohnungseigentümern untereinander können dem WEG-Verwalter Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsrecht bei eigenmächtigem Vorgehen zustehen.
Der Fall: Die Beklagte war Verwalterin der klagenden GdWE. Die beschloss, für rund 40.000 € die Firma B. mit Instandsetzungsmaßnahmen zu beauftragen. Die Beklagte beauftragte aber die Firma M., die die Arbeiten für 36.300,83 € ausführte. Die GdWE verweigerte die Genehmigung des Vertrages. Die Firma M. wurde im Handelsregister gelöscht, nachdem ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde. Die GdWE verlangt von der Beklagten Rückzahlung der an M. geleisteten Zahlungen. Die beklagte Verwalterin hat die Aufrechnung mit in gleicher Höhe bestehenden Gegenansprüchen erklärt, da die Klägerin nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen bereichert sei. Die Vorinstanzen haben die Verwalterin verurteilt. Deren Revision hatte Erfolg.

Das Urteil: Zwar besteht ein vertraglicher Anspruch der GdWE gegen die Verwalterin auf Herausgabe der an M. geleisteten Zahlungen. Anders verhält sich die Rechtslage jedoch mit dem vom LG verneinten Gegenanspruch der Beklagten. Der Rückgriff auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und auch des Bereicherungsrechts ist ausgeschlossen, wenn gesetzliche Sonderregelungen bestehen, die dem Verpflichteten vorrangig die Möglichkeit geben, den Erfolg selbst herbeizuführen. Zwar versagt der BGH in st. Rsp. dem einzelnen Wohnungseigentümer – Notgeschäftsführung ausgenommen – eigenmächtig Instandsetzungs-/Instandhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen, weil ihm in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum die Einwirkungskompetenz fehlt, was nicht über andere Vorschriften des BGB aushebelt werden darf und damit eine Sperrwirkung begründet. Dagegen enthält das WEG keine Sonderregelung, die dem Verwalter die Kompetenz abspricht, Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Pflichtenstellung und Kompetenz von Wohnungseigentümern und Verwalter lässt sich die Rechtsprechung des BGH zur Sperrwirkung gegenüber bereicherungsrechtlichen Ersatzansprüchen oder solchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht auf das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter übertragen. Eigenmächtige pflichtwidrige Maßnahmen des Verwalters ändern nichts daran, dass der Verwalter im Grundsatz zu einer Einwirkung auf das Gemeinschaftseigentum berechtigt ist. Hat sich der Verwalter über einen Beschluss der GdWE hinweggesetzt, steht ihm gemäß § 684 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch nur nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Der Ersatzanspruch ist in diesen Fällen grundsätzlich auf Ausgleich der Werterhöhung der Anlage gerichtet, die die Maßnahmen bewirkt haben. Es widerspräche Treu und Glauben, wenn die Wohnungseigentümer das Erlangte unentgeltlich behalten und nutzen könnten. Weil noch weitere Feststellungen zu treffen sind, ist die Sache an das LG zurückzuverweisen. Zur Ermittlung der genauen Höhe eines Erstattungsanspruchs ist der objektive Wert der erbrachten Leistung festzustellen unter Berücksichtigung etwaiger Unvollständigkeiten und Mängel im Gewerk sowie eines Abzugs im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die damit verbunden sind, dass die Beklagte statt des gewünschten ortsansässigen Unternehmens mit persönlich haftender Inhaberin ein erst 2014 gegründetes, unbekanntes haftungsbeschränktes Unternehmen beauftragt hat.

Anmerkung: Einleitend hat der BGH bestätigt, dass sich die materiell-rechtlichen Ansprüche der Parteien mangels abweichender Übergangsvorschriften nach dem alten WEG-Recht beurteilen. Liegt die Eigenmächtigkeit wie hier darin, dass der Verwalter sich über die Entscheidung der Wohnungseigentümer hinweggesetzt hat, eine bestimmte Firma zu beauftragen, kann dies eine Verringerung des Ersatzanspruches rechtfertigen. Das kommt etwa in Betracht, wenn die künftige Durchsetzung etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen die von dem Verwalter beauftragte Firma weniger erfolgversprechend erscheint. Die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Nachteile lassen sich durch einen Abschlag vom Erstattungsanspruch des Verwalters in Höhe von bis zu 20 % berücksichtigen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 415 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister


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