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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Strandkorb auf dem Balkon ist mehr als ein Sitzmöbel
Keine Auslegung der Teilungserklärung durch Mehrheitsbeschluss
08.10.2018 (GE 17/2018, S. 1039) Wohnungseigentümer können die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung nicht durch Mehrheitsbeschluss rechtlich auslegen, weil ihnen dafür die Beschlusskompetenz fehlt.
Der Fall: In einer Wohnungseigentümergemeinschaft an der Havel enthielt die Teilungserklärung zum Gebrauch des Sondereigentums folgende Regelung:
„d) Ein Sonnenschutz einschließlich Markisen und/oder ein Wind- oder Sichtschutz ist während des Gebrauchs des Balkons – vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen und der Auflagen in der Baugenehmigung – grundsätzlich zugelassen, wenn die vorgenannten Gegenstände nach dem Gebrauch in einen solchen Zustand versetzt (abgenommen, eingeräumt oder in ähnlicher Weise beseitigt) werden, dass die sichtbare äußere Gestalt des Baukörpers nicht verändert oder beeinträchtigt wird. Die Form- und Formgebung ist mit dem Verwalter abzustimmen, soweit nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Regelung beschlossen hat.“
In einer Eigentümerversammlung wurde mehrheitlich „als Klarstellung“ dieser Regelung beschlossen, dass ein Strandkorb nicht zu den Gegenständen gehört, welche die äußere Gestalt des Baukörpers verändert oder zu Beeinträchtigungen führt und somit auf dem Balkon verbleiben darf. Die Kläger beantragen Feststellung der Nichtigkeit, weil ihnen durch Strandkörbe der Blick von ihrem Balkon aus auf die Havel versperrt ist.
Die Beklagten sehen in dem Beschluss nur eine Gebrauchsregelung, die mehrheitlich beschlossen werden könne. Außerdem handele es sich beim Strandkorb ersichtlich weder um eine fest montierte Balkonverkleidung noch um einen Sonnenschutz bzw. Wind oder Sichtschutz im Sinne dieser Regelung. Ein Strandkorb sei allein ein Sitzmöbel.

Der Beschluss: Das AG hielt die Klage für begründet, denn der gefasste Beschluss sei nichtig, weil es den Wohnungseigentümern an der erforderlichen Beschlusskompetenz fehle.
Mit dem Beschluss sei offensichtlich beabsichtigt, rechtliche Klarheit hinsichtlich der Frage, wie die Gemeinschaftsordnung auszulegen ist, zu schaffen. Dies sei durch Mehrheitsbeschluss unzulässig. Die Frage, wie Teilungserklärungen auszulegen seien, sei einem Mehrheitsbeschluss nicht zugänglich. Eine Auslegung sei verbindlich allein nur durch das Gericht oder durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer möglich.
Das Gericht folgte auch nicht dem Argument, dass es sich bei einem Strandkorb lediglich um ein (balkontypisches) Sitzmöbel handele. Vielmehr dienten „Strandkörbe“ typischerweise der Nutzung am Strand, nicht auf einem Balkon. Ihr besonderer Zweck sei es, Sonne und Wind abzuhalten, um insoweit besonderen Schutz zu geben. Damit seien sie auch keine normalen Sitzgelegenheiten. Sie seien vor allem höher, was die Sicht für Nutzer anderer Balkone, wie hier, ganz erheblich beeinträchtigen könne. Insbesondere sei auch aus den in der Sitzung in Augenschein genommenen Fotos erkennbar, dass für die Kläger offenkundig eine Beeinträchtigung ihres Blicks auf die Havel durch den aufgestellten Strandkorb gegeben sei.

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