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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Keine Überlassung der Wohnung an frühere Nutzer
Nach der Entziehung des Wohnungseigentums durch Zwangsversteigerung
22.02.2017 (GE 02/2017, S. 87) Nach Entziehung des Wohnungseigentums durch Zwangsversteigerung darf der neue Wohnungseigentümer die Wohnung nicht dem früheren störenden Wohnungseigentümer überlassen. 
Der Fall: Die Eheleute L. waren wegen Bedrohungen und einer Körperverletzung zum Nachteil eines anderen Wohnungseigentümers zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums (Entziehung) verurteilt worden. Im Zwangsversteigerungsverfahren war einer GbR der Zuschlag erteilt worden. Die Eheleute L. wohnen jedoch weiter in der Wohnung. Die WEG verklagt die GbR sowie deren beide Gesellschafter darauf, dass die Eheleute L. die Wohnung nicht weiter nutzen dürfen. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen, jedoch die Revision zugelassen.

Das Urteil: Den Unterlassungsanspruch kann die WEG im eigenen Namen verfolgen, weil sie die Geltendmachung der Individualansprüche der übrigen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat (gekorene Ausführungsbefugnis). 
Das Entziehungsurteil verpflichtet den verurteilten Wohnungseigentümer nur zur Veräußerung des Wohnungseigentums. Es gibt der WEG dagegen keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Aus dem Entziehungsurteil ergibt sich allerdings, dass der frühere Eigentümer den Gemeinschaftsfrieden gestört hat. Danach steht fest, dass sein Verbleib in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar ist. Die Wirkungen des Entziehungsurteils dürfen nicht unterlaufen werden. Es kommt nicht darauf an, ob es inzwischen zu weiteren Störungen des Hausfriedens durch den früheren Wohnungseigentümer gekommen ist. 
Der pflichtwidrige Gebrauch des Erstehers besteht nicht darin, dass er eventuelle neue Störungen des früheren Wohnungseigentümers nicht unterbindet, sondern bereits darin, dass er dem früheren Eigentümer den Besitz weiter überlässt. Lässt sich der pflichtwidrige Gebrauch nur durch aktives Eingreifen verhindern, schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun. 
Ein gegen den Wohnungseigentümer gerichteter Unterlassungsanspruch scheitert auch nicht daran, dass ein Mietvertrag abgeschlossen wird. Der vermietende Wohnungseigentümer muss alles in seiner Macht Stehende unternehmen, damit sein Mieter einem berechtigten Unterlassungsbegehren der anderen Eigentümer Folge leistet. Die Unterlassungsklage ist gegenüber einer erneuten Entziehungsklage gegen den Ersteher das mildere Mittel. Die Unterlassung durch einen Gesellschafter hat jedoch zwangsläufig einen anderen Inhalt als diejenige der Gesellschaft. Gegen die Gesellschafter der GbR als Wohnungseigentümerin besteht dagegen kein Unterlassungsanspruch, auch nicht aus §1004 BGB. Die Überlassung des Besitzes an einer Wohnung ist für sich genommen keine Störung des Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer, weshalb die Unterlassungsklage demgemäß gegen die beiden Gesellschafter der mitverklagten GbR abzuweisen ist.

Anmerkung: Zwar hat der Gesetzgeber die Revisionszulassung durch einen Einzelrichter im Grundsatz ausschließen wollen, weshalb die mit der Berufung befasste Kammer vor einer Übertragung auf den Einzelrichter sorgfältig zu überprüfen hat, ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (BGH, Urteil vom 18. Januar 2013 - V ZR 88/12, GE 2013, 495). Anders als bei Beschlüssen im Beschwerdeverfahren, in denen der Einzelrichter allein die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist der Einzelrichter im Berufungsverfahren der zur Entscheidung berufene gesetzliche Richter, wenn die Kammer ihm die Sache zur Entscheidung übertragen hat und kein Grund zur Rückübertragung auf die Kammer vorliegt (BGH, NJW 2013, 1149). 
Das Entziehungsurteil ist für die GbR als Wohnungseigentümerin auch ohne Eintragung in das Grundbuch bindend. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG bedürfen gerichtliche Entscheidungen in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch. Sondernachfolger ist auch der Erwerber in der Zwangsversteigerung (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - V ZR 96/13, GE 2014, 327). Das Entziehungsurteil gibt der WEG keinen Räumungs- und Herausgabeanspruch durch die jetzigen Mieter. Der steht nur dem Erwerber zu, wobei der Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG als Vollstreckungstitel dient. Ein gegen den Wohnungseigentümer gerichteter Unterlassungsanspruch scheitert nicht an einem bestehenden Miet- oder Nutzungsvertrag. Vielmehr muss der Wohnungseigentümer alles unternehmen, damit sein Mieter dem Unterlassungsbegehren der anderen Eigentümer nachkommt. Alles weitere kann dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden. Die Entziehungsklage ist das letzte Mittel zur Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens. Zunächst sind mildere Maßnahmen zur Unterbindung von Pflichtverletzungen zu ergreifen. Die Gemeinschaft muss deshalb nicht statt der Unterlassungsklage sogleich Entziehungsklage erheben. Die Unterlassung durch einen Gesellschafter hat einen anderen Inhalt als die durch die Gesellschaft. Eine mit der Gesellschaft deckungsgleiche Verpflichtung der Gesellschafter besteht bei Unterlassungspflichten nicht (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - I ZR 201/11, MDR 2013, 1415; Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 63/07, GE 2008, 475).

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 113 und in unserer Datenbank
Autor: VRiKG a.D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Dittert, Südhoff & Partner


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