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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Selbstabnahme durch den Bauträger unwirksam
Mängelbeseitigung am Gemeinschafts- und Sondereigentum
17.10.2016 (GE 18/2016, S. 1130) Unwirksam ist eine von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Bauträger selbst als dem ersten Verwalter ermöglichen soll. Da eine so erfolgte Abnahme somit ebenfalls nicht wirksam ist, löst sie auch keine Verjährungsfrist des Nacherfüllungsanspruchs aus.
Der Fall: Der Kläger begehrt von der Beklagten die Beseitigung zahlreicher Mängel an einer von ihm erworbenen Eigentumswohnung sowohl hinsichtlich der im Sondereigentum stehenden Bausubstanz als auch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz der Wohnanlage.
Am 30. Dezember 2002 schloss der Kläger den Kaufvertrag über die Eigentumswohnung in einer aus zehn Wohnungen bestehenden, zu sanierenden Anlage. Für die Mängelhaftung sollte gemäß § 2 des Erwerbsvertrags die VOB als vereinbart gelten; in Abänderung derselben sollte die Gewährleistungsfrist fünf Jahre ab Übergabe betragen. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sollte „durch die Verwaltung gemäß WEG, ggf. unter Anwesenheit von Erwerbern“ erfolgen. Verwalter zum Vertragszeitpunkt war die beklagte Bauträgerin selbst.
Die Beklagte erbrachte Sanierungsleistungen und meldete das Gemeinschaftseigentum sowie die Wohnungen im Herbst 2004 als bezugsfertig. Sie lud zu einem Abnahmetermin hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums am 12. November 2004 ein, an dem Mitglieder des Verwaltungsbeirats teilnahmen, nicht jedoch der Kläger. Das Abnahmeprotokoll wurde von der Beklagten sowohl für die Übernehmer- als auch für die Übergeberseite unterschrieben. Am 21. Januar 2005 übergab die Beklagte die Wohnung an den Kläger. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis nicht, sondern hinterlegte eine Teilsumme beim Notar. Eine Klage der Beklagten auf Rückabwicklung des Vertrages wurde abgewiesen, weil wegen diverser bestehender Mängel der Kaufpreis nicht fällig war. Am 11. November 2009 hat der Kläger Klage wegen Mängelbeseitigung/Nacherfüllung eingereicht, die der Beklagten am 9. Januar 2010 zugestellt worden ist. Mit der inzwischen erweiterten Klage hat der Kläger insgesamt 49 Mängel sowohl am Gemeinschaftseigentum als auch am Sondereigentum geltend gemacht, deren Beseitigung er verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Berufungsgericht, das LG, hat die Beklagte zur Beseitigung zahlreicher Mängel verurteilt. Die Beklagte hat Revision eingelegt.

Das Urteil: Der Kläger kann von der Beklagten Beseitigung der Mängel sowohl am Gemeinschaftseigentum als auch am Sondereigentum verlangen. Eine wirksame Abnahme hat nicht stattgefunden. Die Beklagte konnte nicht aufgrund der Abnahmeklausel auch für den Kläger die Abnahme erklären, da diese von ihr gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist. Der Beklagten ist es als Verwenderin der unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber dem Kläger darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch im Erfüllungsstadium befindet. Der Verwender darf sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen und daraus Vorteile erzielen. Die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs würde eine Abnahme voraussetzen. Unwirksam ist die Vertragsklausel auch insoweit, als sie die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche wegen mangelnder Bauleistungen am Sondereigentum erfasst.

Anmerkung: Muss die „verkaufte“ Wohnung grundlegend saniert werden, hindert die Bezeichnung des Erwerbsvertrages als Kauf nicht die Annahme eines Werkvertrages. Die Abnahme der Werkleistungen – sei es bezüglich des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums – kann formularmäßig nicht vom Käufer auf andere Personen übertragen werden, erst recht nicht wie hier auf den Verkäufer. Keinesfalls kann sich der Verkäufer und Unternehmer im Sinne des Werkvertragsrechts darauf berufen, dass sich der Vertrag nach vielen Jahren noch im Erfüllungsstadium befinde und er folglich noch Nachbesserungsrechte habe, die er selbst erfüllen könnte.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1158 und in unserer Datenbank
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar BriesemeisterAKD Dittert, Südhoff & Partner


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