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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Sanierung der Gassteigleitung muss geduldet werden
n dringenden Fällen auch ohne Eigentümerbeschluss
26.08.2016 (GE 15/2016, S. 952) Bestreitet ein Wohnungseigentümer die Verpflichtung zur Duldung der notwendigen Reparaturarbeiten, kann auch nach deren Durchführung auf Feststellung geklagt werden, dass die Duldungsverpflichtung bestand.
Der Fall: Es handelt sich um die Hauptsacheklage zu einem Verfahren der einstweiligen Verfügung. Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Parteien streiten um die Reparatur einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Gassteigleitung. Im Mai 2013 wurde ein Gasleck im Hause festgestellt. Die Dichtheit der Leitung musste innerhalb von vier Wochen wiederhergestellt sein. Die Hausverwaltung holte ein Angebot einer Firma ein. Die Arbeiten sollten vom 19. bis 21. Juni 2013 durchgeführt werden. Die beauftragte Firma teilte mit, der Anlage drohe die komplette Sperrung, wenn die Abdichtung nicht bis zum 24. Juni 2013 erfolgt sei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2013 verweigerte der Beklagte den Zutritt zu seiner Wohnung, verlangte die Durchführung einer Eigentümerversammlung und die Einholung mehrerer Vergleichsangebote. Eingeholte Vergleichsangebote waren in etwa so teuer wie das Angebot der beauftragten Firma. Die Gemeinschaft erwirkte gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung, wonach der Beklagte für die Reparatur und Abdichtung der durch seine Wohnung führenden, im Gemeinschaftseigentum stehenden Gassteigleitungen Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren und die Arbeiten zu dulden habe. Die Arbeiten wurden dann in der ersten Julihälfte 2013 durchgeführt.
Der Beklagte nahm seinen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zurück. Das AG gab der Gemeinschaft auf, innerhalb dreier Wochen Hauptsacheklage zu erheben. Mit der Hauptsacheklage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet war, die Reparatur und Abdichtung der durch seine Wohnung führenden, im Gemeinschaftseigentum stehenden Gassteigleitung durch die beauftragte Firma zu dulden. Der Beklagte verlangt mit seiner Widerklage die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, eine anteilige Kostenquote zu irgendwelchen Zahlungen an die Klägerin vorzunehmen. Das AG hat den Beklagten in der Hauptsache wegen der Feststellung verurteilt und die Widerklage abgewiesen.

Das Urteil: Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage greift hier nicht, weil die Arbeiten, um die gestritten wird, bereits durchgeführt sind. Die Gemeinschaft konnte von dem Beklagten die Duldung der Reparatur der Gassteigleitung in seiner Wohnung verlangen. Inhaber des Anspruchs sind die Wohnungseigentümer. Der Anspruch wird von der Gemeinschaft gerichtlich geltend gemacht, wofür es eines gesonderten Beschlusses der Eigentümerversammlung nicht bedarf. In dringenden Fällen darf der Verwalter ohne vorherigen Eigentümerbeschluss Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um Schaden vom gemeinschaftlichen Eigentum abzuwenden. Dagegen ist die Widerklage wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Allein die Tatsache, dass wahrscheinlich die Verteilung der Kosten auf die Eigentümer zu erwarten ist, reicht zur Begründung eines Feststellungsinteresses nicht aus.

Anmerkung: Das LG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. In seiner Entscheidung vom 27. November 1973 (BGH - VI ZR 171/72, NJW 1974, 503) hat der BGH bislang ausdrücklich offen gelassen, ob das Feststellungsinteresse auch vorliegt, wenn das schutzwürdige Interesse des Verfügungsbeklagten an der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zweifelhaft ist, weil zwar die Wiederholungsgefahr entfallen ist, der Verfügungskläger aber nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass sich sein Begehren erledigt hat.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 983 und in unserer Datenbank
Autor: VRiKG a.D. RA Dr. Lothar Briesemeister, AKD Dittert, Südhoff & Partner


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