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Recht  →  Wohnungseigentumsrecht


Kaufpreissteigerung durch Baumfällung
Frechheit siegt (manchmal)
10.06.2016 (GE 10/2016, S. 633) Der Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen für Entscheidungen vor dem 1. Januar 2016 gilt auch dann, wenn in einem falschen Rechtszug entschieden worden ist.
Der Fall: Die Beklagte ist ehemalige Eigentümerin der Wohnung im OG. Vor dem Verkauf ließ sie elf Bäume kappen bzw. fällen,
um für die Wohnung einen prominenten Seeblick zu gewinnen. Anschließend verkaufte sie ihre Wohnung für knapp 1,4 Millionen €. Der Eigentümer der Wohnung im
EG, auf dessen Sondernutzungsrecht die Bäume standen, behauptet, die Beklagte habe durch das Fällen der Bäume einen Wertzuwachs in Höhe von 100.000 € erlangt
und verlangt für sich und den neuen Eigentümer der oberen Wohnung 50.000 € Ersatz
für die Bäume. Das LG weist die Klage ab,
das OLG weist die Berufung durch Beschluss 2. vor dem 1. Januar 2016 zurück; gegen die damit verbundene Nichtzulassung der 3. Revision wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Entscheidung: Ohne Erfolg schon deshalb, weil die angegriffene Entscheidung vor dem 1. Januar 2016 ergangen ist und § 62 Abs. 2 WEG bis dahin die Nichtzulassungsbeschwerde ausschließt (s. u.). Unerheblich ist, dass der Prozess im falschen Rechtszug geführt worden ist. Auch wenn in erster Instanz das AG und in zweiter Instanz das LG entschieden hätten, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen.

Anmerkung: Der BGH stellt Erwägungen darüber an, ob ein Anspruch nach § 43 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG vorliegt, da es in beiden Fällen um die Verletzung von Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis geht. Die besondere Zuständigkeit der WEG-Gerichte besteht auch bei Klagen gegen einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer. Der Ausschluss der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beruht auch nicht darauf, dass das OLG durch Beschluss entschieden hat (§ 522 Abs. 2 ZPO), sondern auf der Sondervorschrift des § 62 Abs. 2 WEG.
Als dauerhafte Bepflanzung sind die Bäume wesentliche Bestandteile des Grundstücks gemäß § 94 Abs. 1 Satz 2 BGB und stehen als solche im gemeinschaftlichen Eigentum. Offenbleiben konnte demgemäß, ob das Sondernutzungsrecht des Klägers an dem Grundstücksstreifen, auf dem die Bäume standen, dem Kläger Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche verschafft hätte. Eingeklagt hatte der Kläger die Hälfte des behaupteten Gesamtschadens von 100.000 €. War der Kläger anwaltlich schlecht beraten? Unverständlich bleibt nämlich, warum der Kläger, der wohl aus seiner EG-Wohnung den Seeblick nicht so schön genießen konnte, statt auf Schadensersatz oder Bereicherung zu klagen, nicht von der ausgeschiedenen Wohnungseigentümerin im Wege der Naturalrestitution Wiederaufforstung (Rückbau) verlangt hat. Dann hätte er folgende Rechtsvorteile gehabt:
1. Den Individualanspruch hätte er ohne Mitwirkung des neuen Wohnungseigentümers im OG gerichtlich verfolgen können.
2. Nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB hätte er Naturalrestitution verlangen können.
3. Der Anspruch wäre gleichermaßen begründet gewesen, ob es sich (nur) um eine gemeinschaftliche Gartenfläche gehandelt hat oder ihm an dem Grenzstreifen des Geländes ein Sondernutzungsrecht zusteht.
Haben ihn die ersten beiden Instanzen darauf nicht hingewiesen? So musste der BGH aus formellen Gründen die ungerechte Klageabweisung bestätigen.

Anmerkung der Redaktion: Um nach der ersten großen WEG-Novelle im Jahre 2007, mit der auch die Überführung des WEG- Prozessrechts in die Zivilprozessordnung verbunden war, den Bundesgerichtshof nicht mit einer Verfahrenswelle zu überlasten, war in § 62 Abs. 2 WEG geregelt, dass die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, § 544 ZPO) für eine Übergangszeit von fünf Jahren nicht anzuwenden seien; damit war die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen (§ 43 Nrn. 1 bis 4) für alle vor dem 1. Juli 2012 verkündeten Entscheidungen nicht statthaft.
Diese Ausschlussregelung wurde zweimal (zunächst bis zum 31. Dezember 2014, dann bis zum 31. Dezember 2015) verlängert. Ein drittes Mal verlängert wurde die Ausschlussregelung nicht, so das ab dem 1. Januar 2016 die Nichtzulassungsbeschwerde auch für Wohnungseigentumssachen eröffnet ist, sofern die Beschwer 20.000 € übersteigt.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 659 und in unserer Datenbank)
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Dittert, Südhoff & Partner


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