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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Rattenplage: Alle Mieter mussten ausziehen
Nutzungsuntersagung durch Bauaufsicht
29.06.2022 (GE 11/2022, S. 556) Bei einem bauordnungswidrigen Zustand kann die Behörde zur Gefahrenabwehr eine Nutzungsuntersagung anordnen, wie unlängst das OVG Berlin-Brandenburg in einem Fall entschieden hat, in dem für das Miethaus ein zweiter Rettungsweg nicht vorhanden war (GE 2021, 1207). Das ist auch bei einem Rattenbefall möglich.
Der Fall: Nachdem in der Presse über einen Rattenbefall in dem Mehrfamilienhaus des Klägers berichtet wurde, führte die Bauaufsicht zusammen mit einer Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes und einem Schädlingsbekämpfer eine Ortsbesichtigung durch. Dabei wurden ein erheblicher Rattenbefall und erhebliche Defekte an der baulichen Substanz festgestellt sowie eine erhöhte Gesundheitsgefährdung für die Bewohner. Die Behörde untersagte daraufhin mit zwei Bescheiden vom April 2019 gegenüber allen Mietern und gegenüber dem Kläger die Nutzung sämtlicher Wohnungen und erklärte die Wohnungen für unbewohnbar. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen; nach einem erneuten Ortstermin mit dem Schädlingsbekämpfer wurde die Nutzungsuntersagung im September aufgehoben. Die Klage gegen die Nutzungsuntersagung wurde zwei Jahre später abgewiesen; der Zulassungsantrag zur Berufung war erfolglos.

Der Beschluss: Das OVG Lüneburg hielt die Nutzungsuntersagung vom April 2019 ebenfalls für rechtmäßig, weil das Wohngebäude im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht i.S.d. § 79 der niedersächsischen Bauordnung gestanden habe; es sei nicht für die Benutzung geeignet gewesen ohne Gefährdung für Leben und Gesundheit. Dass später eine solche Gefahr nicht mehr bestanden habe, sei unerheblich, weil maßgeblich die ex-ante-Prognose sei, auch wenn sie sich später als falsch herausstelle. Auf ein Verschulden des Klägers komme es nicht an; auch sei eine Auslegung von Ködern nach den Feststellungen der erheblichen Baumängel und des Rattenbefalls nicht ausreichend gewesen. Rechtmäßig sei auch die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Eigentümer, um eine Neuvermietung der Wohnungen zu verhindern.

Anmerkung: Die Bauordnung Berlin ist weiter gefasst; § 80 erlaubt eine Nutzungsuntersagung bei einem Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, also etwa bei einem Verstoß gegen § 2 Schädlingsbekämpfungsverordnung. Nach § 3 der Bauordnung Berlin sind „Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden“. Eine solche Anordnung wäre also auch in Berlin, das mehr Ratten als Einwohner haben soll, bei einem erheblichen Rattenaufkommen auch in Wohnungen denkbar.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 591 und in unserer Datenbank.


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