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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Nicht immer Kündigungsgrund
Verweigerte Wohnungsbesichtigung
24.02.2021 (GE 3/2021, S. 151) Der Vermieter hat in bestimmten Fällen ein Recht auf Zutritt zur Mietwohnung, so etwa zur Besichtigung mit Kaufinteressenten. Diese Berechtigung ist jedoch abzuwägen gegen das eigentumsähnliche Recht des Mieters an der Wohnung und ist eng auszulegen, sodass im Zweifel bei einer Weigerung des Mieters keine Kündigung gerechtfertigt ist.
Der Fall: Der Kläger, der die Wohnung der Beklagten verkaufen wollte, bat die Mieter um Termine für eine Wohnungsbesichtigung, um die Wohnung auszumessen und sich einen Eindruck von ihrem Zustand zu verschaffen. Kurz danach ermittelten die Mieter im Internet, dass die Wohnung zum Verkauf stand; sie lehnten eine Besichtigung ab, woraufhin der Vermieter fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte. Danach reichte er Klage auf Duldung der Besichtigung ein; nach gerichtlichem Hinweis, dass die Klage begründet sei, erging ein Anerkenntnisurteil und der Kläger erhielt Zutritt zur Besichtigung der Wohnung mit einem Kaufinteressenten. Die auf die Kündigung erhobene Räumungsklage hielt das Amtsgericht Pankow/Weißensee für begründet, weil die Verweigerung des Zutritts ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 BGB sei. Die Berufung war erfolgreich.

Das Urteil: Das Landgericht Berlin verneinte schon die Verletzung einer mietvertraglichen Pflicht, deren Verstoß eine fristlose Kündigung begründen könnte. Es seien auch vor Annahme einer Pflichtverletzung das Eigentumsrecht des Mieters am Besitz der Mietwohnung, auch die Dauer des Mietverhältnisses und das Eigentum des Vermieters und seine Beeinträchtigung durch das Verhalten des Mieters umfassend zu würdigen. Der begehrte Zutritt sollte nicht der Besichtigung durch Kaufinteressenten dienen, worauf der Vermieter einen Anspruch gehabt habe, sondern zur Vermittlung eines Eindrucks vom Zustand, um einem potentiellen Käufer der Wohnung dies schildern zu können. Das könne der Vermieter nicht verlangen. Das Gleiche gelte für die beabsichtigte Vermessung der Wohnung, wobei zu berücksichtigen sei, dass schon im Mietvertrag die Wohnungsgröße angegeben worden sei und auch in der Folgezeit der Vermieter trotz des Anerkenntnisses im Parallelverfahren und der angebotenen Termine die Wohnung nicht vermessen habe, sondern die Termine nur für Besichtigungen von Interessenten genutzt worden seien.

Anmerkung 1: Die Verweigerung des Zutritts durch den Mieter kann ein Kündigungsgrund sein, auch ohne dass der Vermieter zunächst einen Duldungstitel erwirken muss (BGH GE 2015, 853). Maßgeblich sind aber immer die Umstände des Einzelfalls; im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um Instandsetzungsarbeiten nach Schwammbefall, die ein längeres Zuwarten ausschlossen. Für den Fall der Wohnungsbesichtigung bei beabsichtigtem Verkauf ist auch verfassungsrechtlich zu berücksichtigen, dass der Mieter „ein Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden“ (BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66). In einer weiteren Entscheidung (GE 2004, 610) hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass auch eine Verletzung des Besichtigungsrechts nicht ohne Weiteres eine Kündigung rechtfertigt, und hat deshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen auf Räumung aufgehoben. Nötig sei immer eine Abwägung der gegensätzlichen Interessen, und es dürfe nicht einseitig auf das Besichtigungsrecht des Vermieters abgestellt werden.
Die Entscheidung des Landgerichts, wonach die Verweigerung der Besichtigung, die allein der Vorbereitung des Verkaufs dient, keine Kündigung rechtfertigt, entspricht dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Rudolf Beuermann

Anmerkung 2: Man kann die Entscheidung auch ganz anders bewerten als vorstehend Beuermann. Aus dem vom Amtsgericht mitgeteilten Sachverhalt (das Landgericht/Einzelrichterin verzichtet auf dessen Mitteilung) geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass es den Mietern mit der Verweigerung von Besichtigungsterminen einzig darum ging, den Verkauf der Wohnung zu torpedieren. Ein Eingehen auf den vom AG festgestellten Sachverhalt, dass es zwischen den Mietparteien schon seit längerem Unstimmigkeiten über die tatsächliche Wohnungsgröße gegeben hatte, so dass bereits deshalb ein berechtigtes Interesse der Vermieters am Ausmessen der Wohnung vorgelegen hatte, fehlt auch. Das grundsätzliche Zugeständnis, dass ein Vermieter zwecks Verkauf der Wohnung ein Besichtigungsrecht habe, damit zu konterkarieren, dass bei der Besichtigung zwingend ein Kaufinteressent dabei sein müsse – eine Besichtigung zwecks Ermittlung maßgeblicher Preisparameter davon nicht erfasst sei –, verdient schon das Attribut der Haarspalterei.
Die Berufung des Landgerichts auf die Entscheidung des BVerfG vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - schließlich ist abwegig. In dem Fall legten Inhaber einer Schnellreinigung Verfassungsbeschwerde dagegen ein, dass ihr Unternehmen als ein „handwerksähnliches“ den Bestimmungen der Handwerksordnung unterworfen werden sollte, die Auskunftspflichten gegenüber der Handwerkskammer vorsieht und auch, dass Beauftragte der Kammer befugt sind, Grundstücke und Geschäftsräume der auskunftspflichtigen Unternehmen zu betreten. Für den vorliegenden Fall gibt die Entscheidung nichts her.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 184 und in unserer Datenbank.
Autor: D. Blümmel


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