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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Kündigung zweier Mietverträge über Wohnraum und Gewerbe ist unter Umständen nur einheitlich möglich
Einheitliches Mietverhältnis trotz gesonderter Verträge?
25.11.2020 (GE 20/2020, S. 1295) Wenn über eine Wohnung und über einen Geschäftsraum zwei gesonderte Mietverträge abgeschlossen worden sind, spricht auf den ersten Blick alles dafür, gesonderte Kündigungsmöglichkeiten anzunehmen. Allerdings kann, wie eine Entscheidung des OLG Brandenburg zeigt, der Parteiwille ergeben, dass ein einheitliches Vertragsverhältnis gewollt war, das auch nur insgesamt und nicht teilweise gekündigt werden kann.
Der Fall: Der damalige Vermieter schloss mit dem beklagten Rechtsanwalt im März 2012 einen „Wohnungs-Einheitsmietvertrag“ über eine im Obergeschoss einer zweistöckigen Remise gelegene Wohnung und am selben Tag einen „Mietvertrag für gewerbliche Räume“ über die im Erdgeschoss liegenden Räumlichkeiten, in denen der Beklagte seine Anwaltskanzlei betrieb, wobei dieser (Gewerbemiet-) Vertrag auch die Überlassung eines Stellplatzes beinhaltete, wofür 40 € zu zahlen waren; der Vermieter duldete es, dass der Beklagte weitere Fahrzeuge auf dem Grundstück abstellte. In beiden Mietverträgen findet sich der handschriftliche Zusatz, dass der Bestand des einen Vertrags vom Bestand des anderen Vertrags abhängig sein soll.
Im Mai 2014 erfolgte einvernehmlich aufgrund zweier Verträge ein Tausch der Räumlichkeiten und deren Nutzung, wobei die Verträge wiederum die Regelung über die gegenseitige Abhängigkeit enthielten; der Anwalt betrieb seine Praxis fortan im Obergeschoss und nutzte die Räume im Erdgeschoss als Wohnung.
Im Juli 2017 und sodann noch einmal während des Gerichtsverfahrens kündigte der Kläger, der das Anwesen 2017 erworben hatte, den seiner Meinung nach wegen Schriftformverstoßes unwirksamen Geschäftsraummietvertrag und verlangt Rückgabe der Räume im OG und des mitvermieteten Stellplatzes sowie das Unterlassen des Abstellens von Fahrzeugen außerhalb des Stellplatzes; der Beklagte verlangt widerklagend den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Das Urteil: Die Berufung der Parteien gegen das klage- und widerklageabweisende Urteil des Landgerichts hatte jeweils nur teilweise Erfolg. Soweit es die Berufung des Klägers angehe, sei davon auszugehen, dass es sich hier um ein einheitliches (Misch-) Mietverhältnis handele. Zwar spreche bei der Verwendung zweier getrennter Vertragsurkunden eine Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der Verträge. Diese könne aber widerlegt werden, wenn besondere Umstände – z. B. dann, wenn die Parteien beide Vereinbarungen inhaltlich aufeinander abstimmen und als Einheit bezeichnen oder den Bestand des einen Vertrages vom anderen abhängig machen – für die Zusammengehörigkeit der Verträge sprächen. So sei es hier, weil beide Verträge nach den handschriftlichen Ergänzungen „aneinander gebunden“ sein sollten. Deshalb sei eine gesonderte Kündigung des Geschäftsraummietvertrages nicht möglich gewesen. Allerdings sei der Unterlassungsanspruch begründet, weil sich der Beklagte nicht darauf berufen könne, dass der Kläger die jahrelange Nutzung weiterer Stellflächen auf dem Grundstück geduldet habe. Soweit es die vom Beklagten geltend gemachten Anwaltskosten angehe, seien diese dem Grunde nach zwar gerechtfertigt, weil die Inanspruchnahme eines Anwalts zur Rechtsverteidigung gegenüber der unberechtigten Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Allerdings könne die berechnete Gebühr nicht zweimal, sondern nur einmal verlangt werden, weil es sich trotz zweier Kündigungen nur um eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG gehandelt habe.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 1316 und in unserer Datenbank.


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