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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Keine Duldungspflicht des Nachbarn für Eigentumsveränderung
Überbau nach Wärmedämmung
25.12.2019 (GE 22/2019, S. 1458) Wärmedämmung ist politisch erwünscht; grundsätzlich kann nach vielen Nachbarrechtsgesetzen auch ein geringfügiger Überbau auf das Nachbargrundstück erlaubt sein. Wenn dabei allerdings Veränderungen am Gebäude des Nachbarn nötig sind, scheidet eine Duldungspflicht aus.
Der Fall: Der Eigentümer eines Reihenhauses in Hessen wollte an der Außenwand eine Wärmedämmung anbringen, die die Grenze zum Grundstück des Nachbarn um 11 cm überschreiten würde. Dafür waren auf dem Grundstück des Nachbarn verschiedene Umbaumaßnahmen erforderlich, weswegen dieser den Überbau nicht dulden wollte. Das Landgericht Gießen wies die Duldungsklage ab; der Bundesgerichtshof hielt das nur im Ergebnis für zutreffend.

Das Urteil: Der BGH verwies darauf, dass zunächst zu unterscheiden sei, ob es sich um eine Grenzwand handelte oder um eine über die Grundstücksgrenze hinausragende Nachbarwand. Bei einer Grenzwand entfalle eine Duldungspflicht nach dem Nachbarrechtsgesetz, da hier nur der bloße Überbau zu dulden sei und nicht eine erforderliche Änderung von Bauteilen. Bei einer Nachbarwand sei das Nachbarrechtsgesetz nicht anwendbar, sondern nach § 922 BGB das Gemeinschaftsrecht des BGB. Danach könne ebenfalls der Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand nicht die Duldung baulicher Eingriffe in Gebäudeteile verlangen, die nicht der gemeinsamen Verwaltung unterliegen. Das seien hier die Bauteile, die umgebaut werden müssten, was der Nachbarn nicht dulden müsse.

Anmerkung: In vielen Nachbarrechtsgesetzen findet sich auch die Vorschrift, dass ein Überbau durch eine Außendämmung nicht verlangt werden kann, wenn eine Innendämmung ebenso effektiv ist (z. B. § 7c Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen; für Bayern vgl. BayObLG - 1 ZR 4/19 - Urteil vom 1. Oktober 2019). Im Berliner Nachbarrechtsgesetz (§ 16a) findet sich diese Einschränkung nicht, weswegen die Auffassung vertreten wird, dass die Regelung gegen Art. 14 Grundgesetz verstößt (Brückner im Münchner Kommentar, Rn. 49 zu § 912 BGB). Aus dem Verweis in § 16a auf § 17, wonach das Recht so schonend wie möglich auszuüben ist, lässt sich aber herleiten, dass auch in Berlin eine Außendämmung dann ausscheidet, wenn eine Innendämmung mit vertretbarem Aufwand ausreicht. Wenn es sich um eine Nachbesserung handelt, weil die Wärmedämmung der Grenzwand schon bei der Errichtung die Anforderungen der EnEV nicht eingehalten hatte, entfällt ebenfalls eine Duldungspflicht (BGH, GE 2017, 886).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 1504 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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