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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Beherbergung Obdachloser mittels Kostenübernahme stellte eine gewerbliche Zimmervermietung dar
Unterbringung aufgrund von Kostenübernahmebescheinigungen
20.02.2019 (GE 1/2018, S. 24) Nach § 565 BGB (gewerbliche Weitervermietung) tritt, wenn der Mieter laut Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten soll, der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. Die Beherbergung Obdachloser aufgrund von auf Tagessätze bezogenen Kostenübernahmebescheinigungen des Bezirksamtes fällt aber als gewerbliche Zimmervermietung nicht unter § 565 BGB, so jetzt das Kammergericht. Und weiter: Eine Herausgabepflicht der einzelnen Bewohner gemäß § 546 Abs. 2 BGB (Rückgabeverlangen gegenüber Untermietern) bezieht sich im Zweifel nur auf die ihnen zugewiesenen Zimmer und anteilige Gemeinschaftsflächen.
Der Fall: Die Klägerin hatte der Beklagten zu 1. ein Gebäude zum Betrieb eines gewerblichen Wohnheims vermietet. Nach Mietende hat das Landgericht die Beklagte zu 1. zur Räumung und Herausgabe des Hauses sowie weitere Beklagte (Bewohner) unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Räumung und Herausgabe einzelner Zimmer nebst anteiligen Gemeinschaftsflächen verurteilt. Die Widerklage der Beklagten zu 1. auf Kautionsrückzahlung wurde abgewiesen. Die Beklagte zu 1. verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und macht geltend: Die Mietsache sei mit Wissen/Wollen der Klägerin an die Nachmieterin „G” zurückgegeben worden. Zwischen der Beklagten zu 1. und den Obdachlosen seien Mietverträge geschlossen worden, für die § 565 BGB gelte. Da die Klägerin bzw. die „G” in die Mietverträge mit den übrigen Beklagten eingetreten sei, könne die Beklagte zu 1. Herausgabe der Kaution verlangen. Die Klägerin bestreitet Mietverträge zwischen der Beklagten zu 1. und den übrigen Beklagten, verrechnet die Mietkaution mit Ansprüchen auf Mieten/Nutzungsentschädigungen und beruft sich auf Schäden am Gebäude. Sie macht außerdem geltend, die Beklagten zu 2. bis 19. hätten durch Versäumnisurteil zur Räumung und Herausgabe des ganzen Gebäudes verurteilt werden müssen, weil trotz Vollmachtsrüge der Klägerin keine Prozessvollmachten für die Beklagtenvertreter vorgelegt worden seien. Wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses könne die Klägerin von allen Beklagten als Gesamtschuldner Rückgabe verlangen.

Der Beschluss: Das KG hatte schon in einem Beschluss vom 14. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass einem der untergebrachten Obdachlosen Prozesskostenhilfe für die Durchführung seiner eigenen Berufung mangels Erfolgsaussicht zu versagen und die Verurteilung zur Zimmerräumung nebst anteiligen Gemeinschaftsflächen (Küche, Bad, Flur, Treppenhaus) rechtens sei, weil er angesichts der Beendigung des Hauptmietverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. zur Herausgabe und Räumung verpflichtet sei. Er könne sein Besitzrechts nicht darauf stützen, dass die Klägerin oder die Fa. G. als gewerblicher Zwischenmieter gemäß § 565 BGB in einen Mietvertrag zwischen den Beklagten zu 8. und 1. eingetreten seien.
Es könne offenbleiben, ob die Vermietung des Gebäudes an die Beklagte zu 1. „zum Betrieb eines gewerblichen Wohnheims” im Sinne von § 565 BGB eine Weitervermietung zu Wohnzwecken vorsah. Jedenfalls könne sich der Beklagte zu 8. (untergebrachter Obdachloser) nicht auf Kündigungsschutz nach dieser Vorschrift berufen, weil zwischen ihm und der Beklagten zu 1. kein Wohnraummietverhältnis zustande gekommen sei.
Bei einer Untervermietung von Wohnraum überlasse der Mieter die Wohnung oder einen Teil auf unbestimmte Zeit oder für einen (nach Monaten oder Jahren) befristeten Zeitraum einem Untermieter. Hier stelle sich aber die von der Beklagten zu 1. praktizierte Überlassung der Wohnung als gewerbsmäßige Zimmervermietung i.S.d. Zweckentfremdungsgesetzes dar. Danach liege eine Zweckentfremdung vor, wenn Wohnraum zum Zwecke der wiederholten, nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zwischenvermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen, verwendet werde. Hierunter falle jede wiederholte, nach Tagen oder Wochen bemessene oder auf einen solchen Zeitraum angelegte entgeltliche Überlassung von Wohnraum.
Die vorliegende Nutzung erfüllt diese Voraussetzungen, weil die Beklagte die streitgegenständlichen Wohnungen den Bewohnern nach Maßgabe von befristeten und nach Tagen/Personen bemessenen Kostenübernahmebescheinigungen überlasse. Prägend für das Nutzungsrecht der Bewohner seien die Kostenübernahmeerklärungen, die als Tagessatz ausgestaltet und an den tatsächlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers gekoppelt waren. Hiernach konnten Bewohner jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausziehen, und die Beklagte zu 1. hatte keine Zahlung mehr zu beanspruchen. Mithin sollten die Bewohner eine typischerweise vorübergehende Unterkunft erhalten.
Die Beklagte zu 1. könne sich auch nicht auf die Bestimmung des § 549 Abs. 3 BGB zu Wohnraum u. a. in Studentenwohnheimen berufen, denn dort erfolgen Vermietungen in aller Regel für mindestens ein Semester. Dass den beklagten Bewohnern (Obdachlosen) kein anderer Raum als Lebensschwerpunkt zur Verfügung gestanden habe, ändere nichts daran, dass ihnen die Unterkunft – wenn auch zum Teil über Jahre hinweg immer wieder – nur vorübergehend überlassen worden sei. Die zugrunde liegenden Kostenübernahmeerklärungen mögen zwar für unterschiedlich lange Zeiträume ausgestellt gewesen sein, sahen aber eine Abrechnung nach Tagessätzen und nur für den tatsächlichen Aufenthalt des Bewohners vor.
Die Beklagte zu 1. sei nach Beendigung ihres Mietverhältnisses zu Recht gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Räumung des Gebäudes an die Klägerin verurteilt worden. Ihre Widerklage auf Zahlung des Kautionsbetrages sei wegen der Aufrechnung der Klägerin unbegründet.
Die Berufung der Klägerin sei in der Hauptsache unbegründet. Sie könne von den Beklagten zu 2., 5., 6., 8., 9. sowie 13. bis 19. nicht – über die erfolgte Verurteilung zur Herausgabe und Räumung ihrer jeweiligen Zimmer nebst anteiligen Gemeinschaftsflächen hinaus – Herausgabe und Räumung des ganzen Gebäudes beanspruchen. Es ist nicht ersichtlich, dass die genannten Beklagten über ihre jeweiligen Zimmer nebst anteiligen Gemeinschaftsflächen hinaus Besitz an der gesamten Mietsache hatten.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2019, Seite 56 und in unserer Datenbank.


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