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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Nach dem Tod des Mieters: Wer bekommt dessen Wohnung – sein Hausgenosse oder die Erben?
Familienbande sind noch längst nicht alles
14.11.2018 (GE 20/2018, S. 1253) Das Eintrittsrecht von Hausgenossen in das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters ist an das Führen eines gemeinsamen Haushalts zum Todeszeitpunkt gebunden. Das bloße Zusammenleben in der Wohnung beinhaltet noch keine gemeinsame Haushaltsführung.
Der Fall: Nichten und Neffen als Erbengemeinschaft (Kläger) verlangten von ihrem Onkel Herausgabe der Wohnung, die er zusammen mit ihrem verstorbenen Vater bewohnte. Der Vater der Kläger war über 30 Jahre Mieter der Streitwohnung, in der seine Kinder bis zur Trennung ihrer Eltern auch gewohnt hatten. Danach und seit rund 15 Jahren wohnte der Onkel der Kläger in der Wohnung; der Vater der Kläger bewahrte zwar dort noch persönliche Sachen auf, lebte aber überwiegend, seit September 2017 ausschließlich, bei seiner Lebensgefährtin. Die Tochter, die Klägerin zu 1), informierte die Hausverwaltung über den Tod des Vaters und teilte mit, das Mietverhältnis übernehmen zu wollen. Der Onkel (Beklagter) seinerseits teilte der Hausverwaltung mit, er sei in das Mietverhältnis eingetreten und gab die Wohnung trotz Aufforderung nicht an die Kläger heraus, die als Erbengemeinschaft auf Räumung und Herausgabe klagen.
Der Beklagte behauptet, seit 2003 gemeinsam mit seinem Bruder in der Wohnung gelebt und einen gemeinsamen Haushalt geführt zu haben. Er habe die hälftige Miete stets bar an den Bruder gezahlt. Lebens- und Putzmittel hätten je nach Bedarf beide gekauft, die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen und sich die Arbeiten im Haushalt geteilt. Er wie auch sein Bruder hätten häufig bei ihren Freundinnen übernachtet. Manchmal seien beide auch gemeinsam in der Wohnung gewesen und hätten zusammen Abendbrot gegessen. Er, der Beklagte, habe manchmal Wäsche gewaschen. Er habe auch meist die Einkäufe gemacht, das sei mit seinem Bruder abgesprochen gewesen. Er habe auch Essen für seinen Bruder eingekauft und hin und wieder für ihn mitgekocht.

Das Urteil: Das AG Charlottenburg hielt die Räumungsklage für begründet. Die Kläger seien als Erben ihres Vaters, des Mieters der streitgegenständlichen Wohnung, gemäß § 857 BGB Besitzer der Wohnung geworden, während sich der Beklagte durch den Verbleib in der Wohnung ein Besitzrecht anmaße, das ihm nicht zustehe. Nicht er sei aufgrund des Todes des Mieters auf Mieterseite in das Mietverhältnis eingetreten, sondern gemäß § 564 BGB die Erbengemeinschaft. Ein Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 2 Satz 3 BGB liege nicht vor. § 563 BGB sieht ein abgestuftes Eintrittsrecht wie folgt vor:
1. Der Ehegatte/Lebenspartner, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt. In Ermangelung dessen sind
2. die in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder des Mieters an der Reihe. In Ermangelung derer treten
3. „andere“ Familienangehörige, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führen, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein oder
4. sonstige Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen.
Erst wenn dieses vorrangige Eintrittsrecht nach § 563 BGB von keinem Berechtigten genutzt wird, wird nach § 564 BGB das Mietverhältnis mit den Erben fortgesetzt.
Entscheidend für das vorrangige Eintrittsrecht nach § 563 BGB ist die gemeinsame Haushaltsführung. Durch die Vorschrift wird der Bestand des Mietverhältnisses zugunsten derer geschützt, die mit dem Mieter als „Hausgenossen“ besonders verbunden waren. Ihnen soll die den Lebensmittelpunkt bildende Wohnung erhalten bleiben.
Im konkreten Fall kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte mit dem verstorbenen Bruder in der letzten Zeit vor dessen Tod keinen gemeinsamen Haushalt in der Wohnung geführt habe.
Ein gemeinsamer Haushalt bedinge, dass die Wohnung der gemeinsame Lebensmittelpunkt gewesen sein muss. Das bloße Zusammenleben innerhalb einer Wohnung beinhalte noch keine gemeinsame Haushaltsführung. Typisch für den gemeinsamen Haushalt seien wechselseitige Beiträge zum Nutzen (auch) des anderen. Eine gemeinsame Haushaltsführung setze voraus, dass der Mieter und sein Hausgenosse über den Aufenthalt in der Wohnung hinaus im Haushalt zusammen wirken, zusammen entscheiden und zusammen die Kosten tragen in Bezug auf die typischen Haushaltspflichten wie Reinigung, tägliches Einkaufen, Nahrungszubereitung, Anschaffung von größeren Haushaltsgegenständen sowie Versorgung und Pflege in Krankheitsfällen.

Ganz wichtig: Die gemeinsame Haushaltsführung muss zum Zeitpunkt des Todes des Mieters bestanden haben.
Eine gemeinsame Haushaltsführung im Sinne eines Miteinanderlebens der Brüder habe nicht vorgelegen. Die Aufteilung der Miete und das gelegentliche gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten genüge nicht. Weder hätten beide Brüder gemeinsam über die Haushaltsaufgaben entschieden, noch habe es gemeinsame Anschaffungen gegeben oder sei mit gemeinsamer Haushaltskasse gewirtschaftet worden.
Gegen eine gemeinsame Haushaltsführung spreche auch, dass jeder der beiden eine Lebensgefährtin hatte und sich der Vater der Kläger häufig bei seiner Lebensgefährtin, mit der er ein gemeinsames Kind hatte, aufgehalten habe. Unstreitig habe er in seinen letzten Lebensmonaten, als er krank war, nur noch bei seiner Lebensgefährtin gelebt, ohne dass die Absicht bestanden hätte, in die streitgegenständliche Wohnung zurückzukehren. Dass er dort noch gemeldet war und persönliche Sachen aufbewahrte, sei unerheblich.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 1284 und in unserer Datenbank.


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