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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Forderungsabtretung an Legal-Tech-Unternehmen – unzulässig oder die Zukunft der Rechtsdienstleistung?
Mietpreisbremse und das Internet
29.10.2018 (GE 19/2018, S. 1180) Verschiedene Abteilungen des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg hatten entschieden, dass ein Inkassounternehmen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt, wenn es sich Ansprüche der Mieter wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse abtreten lässt, weil die qualifizierte Rüge nach § 556 g den Anspruch erst entstehen lasse und deshalb eine unzulässige Rechtsberatung sei (GE 2018, 717, 767). Diese Auffassung vertrat auch die 67. Kammer des Landgerichts Berlin in ihrem Beschluss vom 3. Juli 2018. Die Abtretung für wirksam halten dagegen die 66. Kammer (Urteil vom 13. August 2018) und die 65. Kammer des Landgerichts Berlin (Urteil vom 22. August 2018), die die Revision zugelassen hat.
Die Fälle: Die Mieter hatten ihre Ansprüche gegen die Vermieterin wegen Überschreitung der Mietpreisbremse an den Inkassodienstleister abgetreten; dieser machte Ansprüche auf Rückzahlung von überzahlten Mieten und Erstattung von außergerichtlichen Kosten geltend.

Die Entscheidung der ZK 67: Die Kammer bestätigte das Urteil des Amtsgerichts, das die Abtretung wegen Gesetzesverstoßes (unerlaubte Rechtsdienstleistung) als nichtig angesehen hatte. Eine Rechtsdienstleistung liege immer vor, wenn ein Sachverhalt unter den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen subsumiert und dabei über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgegangen werde. Die Tätigkeit der Klägerin in Form einer computerbasierten und standardisierten Fallanalyse (legal tech) stelle ebenfalls eine Rechtsdienstleistung dar. Die Registrierung als Inkassodienstleister reiche nicht aus, zumal die Klägerin auch nach der Abtretung umfassend rechtsberatend tätig gewesen sei, indem sie die konstitutive Rüge für den Mieter erhoben habe.

Die Entscheidung der ZK 63: Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mittels eines „Mietpreisrechners“ sei eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG, da sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordere. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liege nicht auf der Erbringung von Inkassodienstleistungen, sondern die Klägerin werde primär rechtsberatend tätig.
Anders als bei einer privatärztlichen Abrechnungsstelle, die keine medizinische Prüfung vornehme, werde hier durch die qualifizierte Rüge nach § 556 g BGB die Tatbestandsvoraussetzung der noch nicht entstandenen Forderung erst geschaffen.
Anmerkung der Redaktion: Dass die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Anwendung des Mietspiegels mit einem „Mietpreisrechner“ ein Verstoß gegen das RDG sein könnte, ist offenbar auch nicht Auffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die selbst im Internet einen entsprechenden Abfrageservice anbietet.

Die Entscheidung der ZK 66: Anders dagegen die 66. Kammer unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das für Inkassodienste angenommen habe, sie seien nicht nur zur Entgegennahme von Erfüllungshandlungen befugt, sondern auch zur rechtlichen Prüfung und Bewertung von Forderungen. Ein Inkassounternehmen sei nicht auf eine reine Beitreibungstätigkeit beschränkt. Schließlich erfordere auch der Verbraucherschutz eine möglichst enge Auslegung des gesetzlichen Verbots des § 134 BGB, um einen „vertragslosen“ Raum zu vermeiden.
Anmerkung der Redaktion: Die von der Kammer zugelassene Revision wurde eingelegt und ist unter dem Aktenzeichen VIII ZR 275/18 beim Bundesgerichtshof anhängig.

Die Entscheidung der ZK 65: So auch die 65. Kammer unter Berufung auf ihre frühere Entscheidung vom 20. Juni 2018 - 65 S 70/18 -. Die Registrierungsvoraussetzungen des § 10 RDG mit Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde des Erlaubnisinhabers bildeten die Grundlage für eine weite Auslegung des Begriffs der „außergerichtlichen Forderungseinziehung“. Ein anderer Maßstab gelte nur dann, wenn Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG erbracht werden im Bereich des „Schadensmanagements“, etwa durch Kraftfahrzeugwerkstätten. Schließlich sei auch der Schutzzweck des RDG nicht darauf gerichtet, Rechtsanwälte vor außergerichtlicher Inkassotätigkeit von Inkassodienstleistern zu schützen.

Anmerkung:
Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat drei mietrechtliche Rechtsdienstleister bereits erfolgreich abgemahnt und entsprechende Unterlassungserklärungen erhalten:
■ die Meritus Legal Service GmbH (mietwaechter.de),
■ die Mietbuddy GmbH und die
■ Rental Rights Technology UG.
Die Mietright GmbH hat keine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Klärung der umstrittenen Rechtsfragen wird durch den BGH erfolgen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seiten 1215, 1217, 1223, 1231 und in unserer Datenbank.


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