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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Abrechnung von Betriebskosten bei zwingendem Flächenmaßstab nur nach tatsächlicher Wohnfläche
Bundesgerichtshof ändert seine Rechtsprechung
17.08.2018 (GE 14/2018, S. 856) Sofern und soweit Betriebskosten nach gesetzlichen Vorgaben – etwa nach der Heizkostenverordnung – ganz oder teilweise nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, ist für die Abrechnung der jeweilige Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der betroffenen Wohnung an der in der Wirtschaftseinheit tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche maßgebend, so der BGH, der damit einschwenkt und seine sog. 10-%-Rechtsprechung (VIII ZR 261/06 - GE 2007, 1686) in diesem Zusammenhang ausdrücklich aufgibt.
Der Fall: Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Mehrfamilienhaus der Klägerin. Im Mietvertrag heißt es in § 1 zur Wohnfläche: „Die Wohnfläche ist mit 74,59 m² vereinbart.“ Nach dem Erwerb der Wohnung durch die Klägerin stellte sich diese Angabe als unzutreffend heraus; die wahre (beheizte) Wohnfläche beträgt 78,22 m².
Laut Mietvertrag haben die Mieter u. a. monatliche Heizkostenvorauszahlungen zu leisten. Der Vermieter rechnete die Heizkosten für 2013 und 2014 unter Zugrundelegung der tatsächlichen beheizten Wohnfläche ab; die Berechnungen ergaben jeweils ein Guthaben für die Mieter. Diese errechneten ihrerseits auf der Grundlage der mietvertraglich vereinbarten Wohnfläche weitere Guthaben und behielten diese bei den Mietzahlungen ein. Mit der Klage nahm der Vermieter die Mieter auf Zahlung von 42,46 € nebst Zinsen in Anspruch. Damit hatte er in der Instanz Erfolg, was zur vom Berufungsgericht zugelassenen Revision der Mieter zum BGH führte.

Das Urteil: Der VIII. Senat des BGH wies die Revision zurück. Die Klägerin habe die Heizkosten für die genannten Jahre zutreffend auf der Grundlage der tatsächlich beheizten Flächen abgerechnet und der vertraglich vereinbarten Wohnfläche bei der Abrechnung keine Bedeutung zugemessen. Dieser Beurteilung entgegenstehende Ausführungen im Senatsurteil vom 31. Oktober 2006 (VIII ZR 261/06, GE 2007, 1686) habe das Berufungsgericht im Lichte des Senatsurteils vom 18. Oktober 2015 (VIII ZR 266/14, GE 2016, 49) zu Recht als überholt angesehen. Nach der Rechtsprechung des Senats enthalte die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe im Allgemeinen zugleich eine dahingehende vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung. Dementsprechend gehe der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein zur Minderung der Miete berechtigender erheblicher Mangel der Wohnung gegeben sei, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liege.
Das bedeute indessen nicht, dass in jedem Fall, bei dem die Größe der Wohnung eine Rolle spielt, von den etwaig getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zur Wohnfläche auszugehen sei. So habe der Senat in dem Urteil zu VIII ZR 266/14 entschieden, dass jede im Wohnraummietvertrag enthaltene, von der tatsächlichen Wohnungsgröße abweichende Wohnflächenangabe für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB keinerlei rechtliche Bedeutung habe, sondern dass es für die Mieterhöhung allein auf die tatsächliche Größe der vermieteten Wohnung ankomme. Weil nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers allein der objektive Wohnwert der Wohnung maßgeblich sei, dürften bei der Frage der Berechtigung einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete subjektive Elemente, zu denen auch Parteivereinbarungen zu bestimmten Wohnwertmerkmalen wie etwa der Wohnungsgröße gehörten, keine Rolle spielen. Welche Rolle dann allerdings noch Vereinbarungen über eine von der tatsächlichen Wohnfläche abweichende Flächenvereinbarungen haben könnten, lässt der BGH im Dunkeln.
Seine frühere Rechtsprechung (zuletzt VIII ZR 205/08, GE 2009, 1038), nach der auch bei Mieterhöhungen nach § 558 Abs. 2 BGB eine Abweichung der vereinbarten Wohnfläche zu der tatsächliche Wohnfläche von bis zu 10 % als unbeachtlich angesehen worden sei, habe der Senat in dem Urteil VIII ZR 266/14, GE 2016, 49 aufgegeben.
Diesen Schwenk macht der BGH jetzt auch bei den nach Wohnfläche abzurechnenden Betriebskosten. Sie seien nach den tatsächlichen Gegebenheiten „und nicht nach den von subjektiven Vorstellungen geprägten Parteivereinbarungen zur Wohnfläche“ abzurechnen. Soweit der Senat früher Abweichungen bis zu 10 % von der vereinbarten zu der tatsächlichen Wohnfläche auch im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung als unbeachtlich angesehen habe, halte er daran nicht mehr fest.
Auch wenn bei der Umlage von Betriebskosten absolute Verteilungsgerechtigkeit nicht zu erreichen sei und vom Gesetz auch nicht verlangt werde, erfordere eine angemessene und interessengerechte Verteilung von Betriebskosten, dass objektiv und für eine geschlossene Wirtschaftseinheit (im Streitfall: für mehrere Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus) entstandene Kosten nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umgelegt werden, der gleichermaßen für alle zur Wirtschaftseinheit zählenden Nutzer gelte. Damit würden im Allgemeinen subjektive Vorstellungen einzelner Mietvertragsparteien zur Wohnungsgröße, die ihren Ausdruck in einer Beschaffenheitsvereinbarung zur Wohnfläche gefunden hätten, schon von vornherein als tauglicher Abrechnungsmaßstab ausscheiden.
Sofern und soweit Betriebskosten nach gesetzlichen Vorgaben daher ganz oder teilweise nach Wohnflächenanteilen umgelegt werden, gehe es mithin um den Anteil der tatsächlichen Wohnfläche der jeweils betroffenen Wohnung an der in der Wirtschaftseinheit tatsächlich vorhandenen Gesamtwohnfläche. Auch erwähne die Heizkostenverordnung mehrfach den Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“, der eher darauf hindeute, dass der Verordnungsgeber in erster Linie in diesen Regeln niedergelegte objektive Kriterien für die Heizkostenverteilung als maßgeblich ansehe. Dies spreche ebenfalls dafür, die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abrechnung nach Wohnflächenanteilen heranzuziehen.

Anmerkung: Die Kehrtwende des BGH war so erwartet worden und ist auch sachgerecht. Wo von subjektiven Umständen geprägte abweichende (und vom BGH akzeptierte) Wohnflächenvereinbarungen getroffen wurden – häufig etwa bei Dachgeschosswohnungen, wo die Grundfläche erheblich von der tatsächlichen Wohnfläche abweicht –, wird man möglicherweise auf andere zulässige Festmaßstäbe (Rauminhalt) ausweichen müssen.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 869 und in unserer Datenbank.


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