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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Zahlungsverzug mit mehr als einer Monatsmiete: Die vereinbarte Miete ist Messlatte - nicht die geminderte
Fristlose Kündigung nur bei vollem Rückstandsausgleich wirksam
30.11.2017 (GE 21/2017, S. 1253) Messlatte dafür, ob der Zahlungsrückstand des Mieters die Miete für einen Monat übersteigt, ist nicht die berechtigterweise geminderte, sondern die vereinbarte Gesamtmiete. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs wird nur dann unwirksam, wenn der Mieter vor Zugang der Kündigung den Rückstand vollständig tilgt.
Der Fall: Die monatliche Miete betrug 386,96 € zuzüglich einer Vorauszahlung auf die Betriebskosten - mit Ausnahme der Heizkosten - in Höhe von 93 € pro Monat, insgesamt 479,96 €. Der Mieter zahlte auf die Miete für Februar 2015 nur einen Teilbetrag von 407,96 €. Der von ihm für den Monat März 2015 geleistete Teilbetrag von 402,96 € wurde dem Konto des Vermieters am 16. März 2015 gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 16. März 2015, das dem Mieter am darauf folgenden Tag zuging, erklärte der Vermieter die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Ein vollständiger Ausgleich des Zahlungsrückstandes für diese beiden aufeinander folgenden Monate erfolgte in der Folgezeit - auch innerhalb der Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB - nicht. Mit der Klage begehrte der Vermieter restliche Mietzahlung sowie Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Das Amtsgericht gab der Zahlungsklage teilweise statt und verurteilte den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Auf die Berufung des Mieters wies das Landgericht die Klage insgesamt ab. Mit der Revision verfolgte der Vermieter sein Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.

Das Urteil: Der VIII. Senat des BGH hob das Berufungsurteil insoweit auf, als hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabebegehrens zum Nachteil des Vermieters erkannt worden war. Im Umfang der Aufhebung wurde die Berufung des Mieters gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen - allein den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden - Herausgabeanspruch des Vermieters nach § 546 Abs. 1, § 985 BGB verneint. Es habe verkannt, dass die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a BGB berechtigt war. Nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts habe die zu zahlende monatliche Miete unter Berücksichtigung einer vom Berufungsgericht als berechtigt angesehenen Mietminderung von 5 % wegen des Zustands des Teppichbodens 455,96 € betragen. Auf die März-Miete habe der Mieter erst am 16. März 2015 einen Betrag von 402,96 € gezahlt. Somit habe sich der Mieter mit einem Gesamtbetrag von 503,96 € in Verzug befunden. Das Berufungsgericht habe allerdings bei der Beurteilung, ob dieser Zahlungsrückstand die Miete für einen Monat überstiegen habe, zu Unrecht auf die (berechtigterweise) geminderte Miete von 455,96 € abgestellt. Miete im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB und damit Bezugsgröße für den kündigungsrelevanten Rückstand sei jedoch nicht die geminderte Miete, sondern die vertraglich vereinbarte Gesamtmiete. Im Streitfall wirke sich dies indes nicht aus, da der Zahlungsrückstand von 503,96 € auch die von den Parteien vertraglich vereinbarte monatliche Gesamtmiete von 479,96 € übersteige.
An der daraus folgenden Berechtigung des Vermieters zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietvertrages habe - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die vorstehend erwähnte, einen Tag vor dem Zugang des Kündigungsschreibens erfolgte Zahlung des Mieters in Höhe von 402,96 € nichts geändert. Denn hierdurch sei der vorbezeichnete Zahlungsrückstand nicht vollständig ausgeglichen worden; wegen der verbleibenden Restforderung von 101 € sei damit der Vermieter nicht, wie § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB voraussetze, "vorher" - mithin vor dem Zugang der Kündigung - "befriedigt" worden. Der Senat bleibe bei seiner ständigen Rechtsprechung, dass nur eine vollständige Zahlung des gesamten Rückstands zu der gesetzlich geforderten Befriedigung des Vermieters führt. Andernfalls hätte es der vertragsuntreue Mieter in der Hand, einer berechtigten fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses - gegebenenfalls auch mehrfach - dadurch zu entgehen, dass er lediglich eine Teilzahlung vornimmt, die den Gesamtrückstand (knapp) unter die Grenze des für eine solche Kündigung erforderlichen Betrages verringert. Eine solche Möglichkeit des Unterlaufens des Kündigungsrechts des Vermieters solle durch § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a BGB verhindert werden.

Anmerkung: Messlatte für kündigungsrelevanten Rückstand ist nach Auffassung des BGH die vertraglich vereinbarte Gesamtmiete (A). Bei berechtigter Minderung verringert sich die vereinbarte Miete (A) um den Minderungsumfang und ist dann (bis zur Beseitigung des Mangels) die geschuldete Miete (B). Nur hinsichtlich der geschuldeten Miete kann Verzug eintreten, der BGH geht dennoch von der vereinbarten Miete als Bezugsgröße aus und nennt zur Bestätigung eine ganze Reihe von Entscheidungen der beiden Mietsenate. Eine dogmatische Begründung dafür findet sich in keinem der Urteile; es wird nur nach dieser Formel gerechnet.
Je größer aber der Betrag für A angenommen wird, desto mehr ist beim Zahlungsverzug B die Kündigungsmöglichkeit eingeschränkt.

Beispiel: Die monatliche Vertragsmiete (A) beträgt 500 €; der Mieter mindert im Januar und Februar berechtigterweise um 20 %, so dass die geschuldete Miete (B) 400 € beträgt. Im Januar zahlt er nichts, Anfang Februar zahlt er 390 €. Stellt man für den Zahlungsverzug - richtigerweise - auf die geschuldete Miete ab (nur mit ihr kann der Mieter in Verzug kommen), heißt das: Mietsoll 400 € x 2 = 800 €, mithin verbleibt ein Rest von 410 €, dann ist der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Zahlungstermine mit mehr als einer geschuldeten Monatsmiete in Verzug und die Kündigung ist berechtigt. Dagegen meint der BGH, die vereinbarte Miete von 500 € sei die Bezugsgröße; der offene Betrag von 410 € übersteigt somit eine Monatsmiete nicht, so dass eine Kündigung ausscheidet.
Der Ansicht des BGH zur erforderlichen vollständigen Zahlung der Rückstände vor Zugang der Kündigung ist vollumfänglich zuzustimmen. Theoretisch reicht für § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB schon eine Monatsmiete plus 1 Cent.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 1333 und in unserer Datenbank


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