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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Landgericht Berlin bestätigt Mietpreisbremse und hält Untermietwucher für unbeachtlich 
Mietspiegel als Beweismittel für die Mietermittlung nach Rüge
12.06.2017 (GE 10/2017, S. 564) Die Beschränkung der Neuvermietungsmiete auf 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete („Mietpreisbremse“) ist eine gerechtfertigte Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Eigentümers, und die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung ist verfassungskonform, so das LG Berlin. Rügt der Mieter einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse, so kann die zulässige Neuvertragsmiete mit Hilfe des Berliner Mietspiegels ermittelt werden. Dass der Mieter seinerseits zwei Drittel seiner Wohnung zum Vierfachen (!) der zulässigen Miete untervermietet, steht seinem Rügerecht nicht entgegen.
Das Landgericht Berlin bestätigte mit seiner Entscheidung vom 29. März 2017 - 65 S 424/16 -, die es auf 35 Seiten begründet, das von uns bereits veröffentlichte Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 8. September 2016 - 11 C 414/15 - (GE 2016, 1446).
Die Zivilkammer 65 sah, wie bereits kurz berichtet, keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Gesetzesvorschrift (§ 556d BGB = Mietpreisbremse) oder der darauf beruhenden Berliner Verordnung. 
Das soziale Wohnraummietrecht habe die Aufgabe, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen einerseits der Vermieter und andererseits der Mieter zu gewährleisten. Der rasante Anstieg von Wohnungssuchenden in Universitätsstädten und Ballungszentren habe einen punktuellen Eingriff des Gesetzgebers erforderlich gemacht, um zu starke Mietsteigerungen in angespannten Wohnungsmarktlagen für einen begrenzten Zeitraum zu verhindern. Angesichts des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraums sei das Instrument der Mietpreisbremse nicht zu beanstanden.
Es sei zwar für einen Vermieter aufgrund des derzeit knappen Wohnungsangebotes wirtschaftlich möglich, eine hohe Miete zu erzielen, wenn er einen neuen Mietvertrag abschließe. Aber diese Position sei verfassungsrechtlich nicht unbegrenzt geschützt und dürfe rechtlich eingegrenzt werden. Denn die Sozialbindung des Eigentums sei zu beachten, zumal in der Bundesrepublik der überwiegende Teil der Bevölkerung den Wohnbedarf durch Miete decken müsse. Hinzu komme, dass die Attraktivität eines bestimmten Wohnungsmarktes häufig auf Umstände zurückzuführen sei, die nicht auf Leistungen des Vermieters beruhten, wie z. B. eine gute Infrastruktur, ein hohes Arbeitsplatzangebot oder das Ansehen einer Universitätsstadt. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zeitlich und räumlich begrenzt dem Vermieter, der von der Attraktivität eines Standortes profitiere, die auf Leistungen der Allgemeinheit beruhe, Kürzungen zumute.
Auch die vom Senat von Berlin erlassene Verordnung über die Mietpreisbegrenzung bewege sich im Rahmen des zugrunde liegenden Gesetzes. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass der Senat die Verordnung auf ganz Berlin ausgedehnt habe. Es stehe außer Frage, dass es in Berlin einen angespannten Wohnungsmarkt gebe und der Leerstand immer weiter sinke. Die Verordnung beruhe auf sachgerechten Erwägungen, zumal der Senat selbst in den Wohnungsbau investiere bzw. diesen fördere, z. B. durch die schnellere Erteilung von Baugenehmigungen für Wohnraum aufgrund von Bonuszahlungen des Senats an zügig arbeitende Bauämter (nach neueren Informationen sind an der Fortführung der Bonuszahlungen allerdings Zweifel angebracht).
Die Höhe des als unwirksam zurückzufordernden Mietteils richte sich nach der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich eines Zuschlags von 10 %. Die Vergleichsmiete sei nach dem Berliner Mietspiegel 2015 zu ermitteln. Die Kammer habe bereits im Rahmen zahlreicher Mieterhöhungsverfahren festgestellt, dass der Berliner Mietspiegel zumindest als einfacher Mietspiegel herangezogen werden könne. Dies gelte hier ebenso. 
Danach stehe dem klagenden Mieter ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.105,45 € zu hoher Miete für fünf Monate von August bis Dezember 2015 zu; ebenso könne er zu Recht verlangen, festgestellt zu wissen, dass die ab Januar 2016 vereinbarte Miete in Höhe von jeweils 221,09 € netto kalt unwirksam sei.
Der Umstand, dass der Mieter zwei der drei Zimmer seiner Wohnung – unstreitig mit Zustimmung der beklagten Vermieterin seit Beginn des Mietverhältnisses – an Untermieter zu Bruttowarmmieten untervermiete, die den Betrag der nach den Regelungen der Mietpreisbremse zulässigen Nettokaltmiete übersteige, stehe der Anwendung der Regelungen gegenüber der Vermieterin nicht entgegen. 
Ganz wohl war der Kammer dabei allerdings nicht. Zuzugeben sei der Beklagten, so heißt es in der Entscheidung, dass dies die Klage „in einem fragwürdigen Licht erscheinen“ lasse. Die Untermietbeträge, die der Kläger von den Untermietern verlange (es waren im einen Falle 22 €/m2, im anderen 25 €/m2), ließen sich entgegen seiner Ansicht auch nicht mit der eingeräumten Mitnutzung von Küche und Waschmaschine sowie anteiligen zusätzlichen Nebenkosten auch für Strom, Telefon und Internet erklären. 
Es bestätige sich vielmehr, dass es in Berlin – wie auch in anderen Städten – teilweise einen „zweiten“ Wohnungsmietmarkt gebe, auf dem das soziale Wohnraummietrecht, das der Hauptmieter gegenüber dem Hauptvermieter für sich in Anspruch nehme, infolge der abgestuften Miet- und bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse sowie abgeleiteten Besitzrechte nur eingeschränkt Wirkung entfalten könne und tatsächlich selbst dann nur eingeschränkt entfalte, wenn der Untermieter sich seinerseits gegenüber dem Mieter mit Erfolg auf mieterschützende Vorschriften berufen könnte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 8. Februar 2017 - 65 S 433/16 -, zur Veröffentlichung in GE 2017 [11] vorgesehen). 
Andererseits sei eine Vielzahl von Mietern aufgrund der ihnen abverlangten Mobilität und Flexibilität u. a. in der Arbeitswelt, aber auch aufgrund der stark steigenden Wohnkosten auf eine Untervermietung angewiesen, um die Wohnung im teilweise über Jahrzehnte bewohnten Wohnumfeld halten zu können. 
Der hier aus dem Verhältnis des Mieters zu seinen Untermietern resultierende Wertungswiderspruch lasse sich rechtlich aber nicht im Verhältnis zum (Haupt-) Vermieter lösen, sondern nur im Verhältnis der Untermieter zum Mieter. Anderenfalls bestehe zudem die Gefahr, dass Vermieter durch Erteilung von Untervermieterlaubnissen die Mietpreisbremse unterliefen. 
Das Landgericht hat keine Revision zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, obwohl dafür ausreicht, dass eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen denkbar ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Diese Voraussetzungen sah das LG nicht gegeben, weil die Entscheidung auf zu einem vergleichbaren Instrument der Mietenbegrenzung (KappungsgrenzenVO) bereits höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen beruhe.


Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 596 und in unserer Datenbank


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