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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Verjährte Betriebskostennachforderungen dürfen nicht aus der Mietkaution befriedigt werden
Wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 216 Abs. 3 BGB
10.10.2016 (GE 18/2016, S. 1124) Der Anspruch des Mieters auf Rückgabe der geleisteten Kaution wird erst fällig, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen ist und dem Vermieter keine Forderungen aus dem beendeten Mietverhältnis mehr zustehen. Dem Vermieter ist es verwehrt, sich wegen bereits verjährter Betriebskostennachforderungen aus der Mietkaution zu befriedigen.
Der Fall: Das Mietverhältnis endete zum 31. Mai 2009. Zu Mietbeginn hatte der Mieter dem Vermieter ein Kautionssparbuch über 695,36 € verpfändet und übersandt. Die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2006 bis 2009 wiesen jeweils Nachzahlungsbeträge zugunsten des Vermieters aus. Mit am 21. Februar 2013 zugestellter Klage verlangte der Mieter Pfandfreigabe und Rückgabe des Sparbuchs. Der Vermieter berief sich auf die bestehenden Nachzahlungsansprüche aus den Betriebskostenabrechnungen in Höhe von insgesamt 959,57 € und machte diesen Betrag widerklagend geltend. Beide Parteien beriefen sich wechselseitig auf Verjährung. Das AG hatte die Klage abgewiesen und den Mieter auf die Widerklage verurteilt, aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 einen Betrag von 128,11 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Widerklage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Mieters, mit der er sich nur gegen die Abweisung der Klage wendete, ist beim LG ohne Erfolg geblieben. Mit zugelassener Revision verfolgte der Mieter sein Klagebegehren weiter. Der BGH hob das angefochtene Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LG zurück.

Das Urteil: Die Annahme, der Freigabeanspruch sei nach Ablauf von sechs Monaten seit Mietende, mithin Ende November 2009 fällig geworden, sei von Rechtsirrtum beeinflusst. Zudem handele es sich bei Betriebskostennachforderungen um wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 216 Abs. 3 BGB mit der Folge, dass der Vermieter vorliegend entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gehindert sei, sich wegen der zwischen den Parteien noch im Streit befindlichen verjährten Betriebskostennachforderungen der Jahre 2006 bis 2008 aus der Sicherheit zu befriedigen.
Dem Mieter stehe (frühestens) nach Beendigung des Mietverhältnisses und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist des Vermieters ein Anspruch auf Freigabe der Mietsicherheit zu. Dieser Anspruch werde allerdings erst fällig, wenn das Sicherungsbedürfnis entfallen sei, mithin zu dem Zeitpunkt, in dem dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zuständen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen könne (Bestätigung und Fortführung von BGH in GE 1999, 708; GE 2006, 510). Der Anspruch des Klägers auf Freigabe der Kaution sei deshalb nicht mit Ablauf des Monats November 2009 fällig geworden. Zu diesem Zeitpunkt hätten dem Vermieter nämlich die Betriebskostennachforderungen aus den Abrechnungen für die Jahre 2006 bis 2008 als unverjährte Forderungen zugestanden, und der Vermieter hätte sich wegen dieser Forderungen (ihren Bestand vorausgesetzt) – unzweifelhaft – noch aus der Sicherheit befriedigen können. Denn der älteste von dem Vermieter geltend gemachte Anspruch auf Zahlung restlicher Betriebskosten für das Jahr 2006 sei erst mit Ablauf des Jahres 2010 verjährt (dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist). Die zeitlich nachfolgenden Ansprüche seien entsprechend 2011 und 2012 verjährt. Die erst 2013 vom Vermieter erhobene Widerklage habe die Verjährung wegen der Betriebskostennachforderungen für die Jahre 2006 bis 2008 nicht mehr hemmen und somit den Eintritt der Verjährung nicht verhindern können.
Entscheidend sei damit, ob sich der Vermieter wegen der Forderungen auch nach dem Eintritt der Verjährung noch aus der Sicherheit befriedigen könne. Das hänge davon ab, ob diese Forderungen als wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 216 Abs. 3 BGB einzuordnen seien. Allerdings gehe es dabei nicht um ein Zurückbehaltungsrecht, das der Vermieter dem Freigabeanspruch des Mieters entgegenhalten könnte, sondern um die Frage, ob dieser Anspruch mangels durch das Pfandrecht gesicherter Forderungen zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst entstanden und somit fällig geworden sei.
Nach § 216 Abs. 1 BGB hindere die Verjährung eines Anspruchs, für den ein Pfandrecht bestellt sei, den Gläubiger nicht, seine Befriedigung aus dem belasteten Gegenstand zu suchen. Allerdings finde diese Vorschrift nach § 216 Abs. 3 BGB keine Anwendung auf die Verjährung von Zinsen und anderen wiederkehrenden Leistungen. Wiederkehrende Leistungen seien solche, die nach Gesetz oder Parteivereinbarung zu von vornherein bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Terminen erbracht werden müssten.
Ob die Leistung, sofern sie in einer Geldzahlung bestehe, in der immer gleichen Summe erbracht werde, sei für die Beurteilung ohne Bedeutung; der zu zahlende Betrag könne schwanken oder auch zu manchen Terminen ganz ausbleiben. So verhalte es sich grundsätzlich auch bei (Nachzahlungs-) Forderungen aus Betriebskostenjahresabrechnungen. Die dispositive Regelung des § 556b Abs. 1 Satz 1 BGB sehe vor, dass die Miete nach bestimmten Zeitabschnitten (periodisch) zu entrichten sei. Die vertraglichen Vereinbarungen über die Mietzahlungspflicht folgten in der Regel dieser gesetzlichen Vorgabe. Es unterliege keinem Zweifel, dass derartige Mietzahlungen als regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 216 Abs. 3 BGB bzw. des § 197 Abs. 2 BGB zu qualifizieren seien. Dazu zählte indes nicht nur die Grundmiete, sondern – soweit sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung auf den Mieter umgelegt seien – auch die Vorauszahlungen auf die für das jeweilige Jahr zu erwartenden Betriebskosten (BGH, GE 2010, 975).
Den Charakter als wiederkehrende Leistung verlören Betriebskostenzahlungen des Mieters nicht dadurch, dass sie als Saldo einer Jahresabrechnung verlangt würden, zumal auch die sich daraus ergebenden, üblicherweise von Jahr zu Jahr in der Höhe schwankenden Zahlungen regelmäßig wiederkehrend zu erbringen seien, da der Vermieter über die Betriebskosten jährlich abzurechnen habe. Der Abwägungsvorgang als solcher stelle den Charakter der sich aus ihm (etwaig) ergebenden Zahlung als wiederkehrende Leistung nicht in Frage. Denn der Betriebskostenjahresabrechnung komme kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu; sie sei vielmehr ein reiner Rechenvorgang im Sinne des § 259 BGB, der (lediglich) die Fälligkeit des Nachforderungsanspruchs herbeiführe (BGH, GE 2010, 1414). Die Betriebskostenjahresabrechnung sei somit nicht rechtsbegründend (konstitutiv) für den Leistungsanspruch. Der Anspruch sei vielmehr bereits mit der mietvertraglichen Vereinbarung gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Übertragung der Betriebskostenlast auf den Mieter dem Grunde nach entstanden.
Im Ergebnis dürfe sich vorliegend der Vermieter daher gemäß § 216 Abs. 3, Abs. 1 BGB nicht mehr wegen der Nachforderungen für die Jahre 2006 bis 2008 aus der Sicherheit befriedigen, denn diese seien mit Ablauf des Jahres 2012 sämtlich verjährt.
Aus § 215 BGB folge nichts Abweichendes. Nach dieser Vorschrift schließe die Verjährung die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Der Anspruch auf Freigabe der Sicherheit werde jedoch erst fällig, wenn keine gesicherten Forderungen mehr vorhanden seien; die Frage eines Zurückbehaltungsrechts stelle sich somit gegenüber dem Freigabeanspruch nicht.
Im Übrigen sei die Frage, ob der Gläubiger sich wegen eines verjährten Anspruchs noch aus der Sicherheit befriedigen könne, in § 216 BGB abschließend geregelt. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck bestehe darin, dass hinsichtlich wiederkehrender Leistungen für die Befriedigung des Gläubigers aus einer Sicherheit nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung stehen solle, so dass der Schuldner nach Ablauf dieses Zeitraums und Eintritt der Verjährung der gesicherten Forderung die Verwertung der Sicherheit wegen derartiger Ansprüche verhindern und somit die Sicherheit zurückerhalten könne, wenn keine sonstigen gesicherten Forderungen mehr bestehen.
Dieser Zweck würde indes vereitelt, wenn der Gläubiger in einem solchen Fall die Rückgabe einer Sicherheit unter Verweis auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen verjährter wiederkehrender Leistungen verweigern könnte.
Obwohl sämtliche Betriebskostennachforderungen für die Jahre 2008 und früher mit Ablauf des Jahres 2012 verjährt gewesen seien, sei der Freigabeanspruch des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig geworden. Denn dem Vermieter hätte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung vom 3. November 2010 für das Jahr 2009 zugestanden. Die Verjährungsfrist für diese Forderung sei noch bis Ende 2013 gelaufen und durch die Erhebung der Widerklage im März 2013 gehemmt worden.
Wie durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts feststehe, belaufe sich diese Nachforderung indes auf (nur) 128,11 €. Wann und ob der Anspruch des Klägers auf Freigabe der verpfändeten Forderung überhaupt fällig geworden sei, hänge somit davon ab, ob der Kläger die Forderung im Laufe des Rechtsstreits bezahlt habe.
Die Sache sei daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Den Parteien sei Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu gewähren. Dabei werde das Berufungsgericht sich auch mit dem Vortrag des Klägers zu befassen haben, er habe die titulierte Widerklageforderung inzwischen beglichen.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1146 und in unserer Datenbank


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