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Vorsicht vor Gefälligkeiten: Hilfsbereite Nachbarn haften für Schäden auf dem Grundstück nebenan
Wer „Urlaubsvertretung“ bei Gartenbewässerung übernimmt, muss sich absichern!
25.07.2016 (GE 14/2016, S. 887) Vorsicht vor zu viel Hilfsbereitschaft unter Nachbarn, besonders in der Urlaubszeit! Wer dem Nachbarn bei dessen Abwesenheit den Rasen sprengt und die Blumen gießt, haftet, wenn dabei ein Schaden am Nachbargrundstück entsteht. Einfache Fahrlässigkeit reicht dafür schon aus. Bevor man Nachbarn solche Gefälligkeiten erweist, sollten die einen Haftungsverzicht unterschreiben.
Der Fall: Während eines Kuraufenthalts seines Nachbarn übernahm es der Beklagte, dessen Haus zu versorgen und den Garten mit einem an eine Außenzapfstelle des Hauses montierten Wasserschlauch zu bewässern. An einem Tag drehte er zwar die am Schlauch befindliche Spritze zu, stellte aber nicht die Wasserzufuhr zum Schlauch ab. In der Nacht darauf löste sich der weiter unter Wasserdruck stehende Schlauch aus der Spritze, und deshalb liefen erhebliche Mengen Leitungswasser aus und in das Gebäude des Nachbarn, was zu Beschädigungen im Untergeschoss führte. Die Gebäudeversicherung des Nachbarn (die Klägerin) regulierte den Schaden und verlangte aus übergegangenem Recht vom Beklagten 11.691,53 €. Der Beklagte ist zwar gegen Schäden bei Nachbarschaftshilfe und Gefälligkeitshandlungen privat haftpflichtversichert, doch seine Privathaftpflichtversicherung hat eine Schadensregulierung abgelehnt.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, als er den Wasserhahn nicht wieder verschlossen habe. Außerdem hafte er auch schon bei einfacher Fahrlässigkeit, da von einer Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht auszugehen sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, auf die Berufung des Beklagten hin hat das OLG sie abgewiesen. Die zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Mit anderen Worten: Der gutmütige Nachbar muss zahlen, kann sich aber das Geld wiederum von seiner Haftpflichtversicherung holen.

Das Urteil: Anders als das OLG ist der BGH der Auffassung, dass der Nachbar (und damit dessen Versicherung) gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB hat. Nach dieser Vorschrift ist schadensersatzpflichtig, wer vorsätzlich oder fahrlässig u. a. das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt. Die Haftung des hilfsbereiten Nachbarn sei auch nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt gewesen.
Das OLG sei allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Versorgung des Nachbarhauses einschließlich der Bewässerung des Gartens durch den Beklagten im Rahmen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgte. Mithin kämen für den bei der Ausführung der Gefälligkeit entstandenen Schaden keine vertraglichen Ansprüche in Betracht, wohl aber hafte der Nachbar nach Deliktrecht (siehe oben „Exkurs“). Zutreffend sei auch, dass dem Beklagten jedenfalls einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, weil er den Außenwasserhahn nicht wieder zugedreht habe. Zutreffend habe das OLG auch angenommen, dass gesetzliche Haftungsbeschränkungen, insbesondere die für unentgeltliche Verträge geltenden (beispielsweise haften Schenker oder Verleiher nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, §§ 521, 599 BGB), auf die deliktische Haftung im Rahmen der unentgeltlichen Nachbarschaftshilfe nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar seien. Zu Unrecht habe das OLG aber angenommen, dass im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen sei, dass der Beklagte und sein Nachbar die Haftung des Beklagten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen hätten.
Es könne, so der BGH, nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf deliktische Schadensersatzansprüche (siehe Kasten oben) verzichte. Für die Annahme einer Haftungsbeschränkung genüge auch nicht der vom OLG als besonders bezeichnete Umstand, dass es sich vorliegend um eine alltägliche und unentgeltliche Gefälligkeit unter Nachbarn handele. Selbst eine Gefälligkeit in einer engen persönlichen Beziehung rechtfertige nicht ohne Weiteres die Annahme eines Haftungsverzichts. Zwar könne sich eine Haftungsbeschränkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung nach § 242 BGB (Treu und Glaube) ergeben, komme nach ständiger Rechtsprechung aber nur ausnahmsweise in Betracht, denn sie stelle eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund eines fiktiven beiderseitigen Willens dar, die von einem Haftungsverzicht ausgehe, an den beim Abschluss der Abrede (Nachbarschaftshilfe) niemand gedacht habe.
Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung sei grundsätzlich, dass der – im Deliktsrecht so genannte – Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. An diesen Voraussetzungen fehle es aber regelmäßig, wenn der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlaste, entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten.
Für die Annahme eines Haftungsverzichts sei grundsätzlich erforderlich,

■ dass der Schädiger nicht haftpflichtversichert sei,

■ für ihn ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestehe

■ und darüber hinaus besondere Umstände im konkreten Fall einen Haftungsverzicht als besonders naheliegend erscheinen ließen.
Im konkreten Fall sei der Schädiger
1. haftpflichtversichert gewesen,
2. habe kein nicht hinzunehmendes
Haftungsrisiko bestanden, denn das Bewässern eines Gartens durch den Nachbarn berge wie jede andere Tätigkeit zwar Gefahren, besonders gefährlich sei das aber nicht.
Dass der entstandene Schaden durch die Gebäudeversicherung abgedeckt sei, lasse auch nicht den Schluss auf eine Haftungsbeschränkung zu. Der deliktische Ersatzanspruch des Nachbarn gegen den Beklagten als Schädiger werde durch die Gebäudeversicherung nicht berührt.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 909 und in unserer Datenbank)


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