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Räumung von Hausbesetzern durch Gerichtsvollzieher
Nur bei genauer Bezeichnung der „Bewohner“ im Vollstreckungstitel
07.03.2018 (GE 03/2018, S. 156) Wenn gegen Hausbesetzer eine einstweilige Verfügung auf Räumung erlassen worden ist, heißt das noch lange nicht, dass nun auch eine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden kann, jedenfalls dann nicht, wenn die Besetzer im Titel namentlich nicht aufgeführt worden sind, so der BGH unter Hinweis darauf, dass in solchen Fällen aber eine Räumung nach Polizei- und Ordnungsrecht in Betracht kommt.
Der Fall: Die Eigentümerin (Gläubigerin) hatte eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach die Schuldner (Hausbesetzer) eine bestimmte Grundstücksfläche herauszugeben hatten. In der Verfügung waren die Schuldner so bezeichnet: „Eine Anzahl von 40 männlichen und weiblichen Personen, die sich als ‚Kulturkollektiv Arno-Nitzsche‘ bezeichnen und sich zum Zeitpunkt der Zustellung auf der … Fläche dauerhaft aufhalten.“ Nachdem die Eigentümerin die Gerichtsvollzieherin mit der beschränkten Räumung nach § 885a ZPO beauftragt hatte, lehnte diese den Räumungsantrag ab, weil die Schuldner zu 1) nicht in Person identifizierbar seien und deswegen auch eine Zustellung der einstweiligen Verfügung nicht in Betracht komme.

Der Beschluss: Das AG wies die Erinnerung der Gläubigerin zurück, die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der BGH wies die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin zurück. Die nach § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Zwangsvollstreckung notwendige Voraussetzung einer hinreichend sicheren Identifizierung der durch die einstweilige Verfügung betroffenen Personen fehle. Es reiche zwar aus, dass durch Auslegung anhand des Titels ohne Weiteres festgestellt werden könne, wer Partei des Verfügungsverfahrens sei. Hier sei aber nicht sicher feststellbar, ob eine auf dem Gelände angetroffene Person zur Gruppe der Schuldner zu 1) gehöre. Soweit die Gläubigerin geltend mache, dass das Beharren auf Formalien dem Phänomen der Hausbesetzungen bei gleichzeitiger vorsätzlicher Verschleierung der Besetzer nicht gerecht werde und nur dazu führe, dass Redliche und Gesetzestreue ohne rechtlichen Schutz und staatliche Unterstützung blieben, übersehe sie, dass eine Räumung von Hausbesetzern nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen könne. Widerrechtliches Eindringen und Verweilen in Wohnungen, Geschäftsräumen oder befriedetem Besitztum sei nach § 123 Abs. 1 StGB strafbar; die Verletzung strafrechtlicher Normen stelle stets eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der polizei- und ordnungsrechtlichen Eingriffsermächtigungen der Bundesländer dar, sodass die Gläubigerin nicht rechtlos sei.

Anmerkung: Unter Rn. 20 des Beschlusses befasst sich der BGH mit den im Schrifttum vorgeschlagenen Maßnahmen zur Vollstreckung eines Räumungstitels durch den Gerichtsvollzieher „gegen Unbekannt“, wonach die Polizei in analoger Anwendung des § 758 Abs. 3 ZPO oder aber im Wege der Amtshilfe vor der Räumung das betreffende Objekt sichern und damit gewährleisten solle, dass nur die aktiven Besetzer und keine Sympathisanten angetroffen werden; sodann sollten diese nacheinander zur Personalfeststellung nach draußen verbracht werden und nach Identifizierung vom GV eine Ausfertigung des gegen unbekannt ergangenen Räumungstitels erhalten und in einer Liste vermerkt werden; anschließend solle dann eine Berichtigung des Rubrums des Titels nach § 319 ZPO entsprechend den nunmehr ermittelten Personalien erfolgen. Diesem Verfahren erteilt der BGH eine klare Absage, weil sie im Widerspruch zum elementaren zivilprozessualen Grundsatz stehe, dass staatlicher Zwang nur zur Durchsetzung eines urkundlich bereits ausgewiesenen Anspruchs gegen die im Titel oder der Vollstreckungsklausel ausgewiesene Person ausgeübt werden könne. Dem ist nichts hinzuzufügen, nur die Frage, warum überhaupt Titel ergehen dürfen, wenn deren Vollstreckbarkeit mangels Bestimmtheit des Vollstreckungsschuldners ausgeschlossen ist. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO steht doch eindeutig entgegen, so ist doch z. B. bisher schon die Bezeichnung „gegenwärtig ca. 20 Personen als Hausbesetzer“ oder „die Besetzer des Gebäudes“ oder „eine wechselnde Anzahl von etwa 20 bis 100 Personen in einem besetzten Haus“ als nicht ausreichend angesehen worden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 76. Aufl., § 253 Rn. 27).

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2018, Seite 189 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Hans-Jürgen Bieber


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