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Wann verjähren Rückzahlungsansprüche des Mieters?
Unwirksame Betriebskostenvereinbarung: Gezahlt wurde trotzdem – sogar zu viel
12.07.2017 (GE 12/2017, S. 688) Hat der Vermieter mangels wirksamer Vereinbarung keinen Anspruch auf Zahlung von Betriebskosten, kann der gleichwohl zahlende Mieter Vorschüsse nicht mehr zurückfordern, wenn er die 1-Jahres-Frist für Einwendungen gegen eine Abrechnung versäumt hat. Rechnet der Vermieter verspätet ab, und bringt der Mieter seine Einwände fristgerecht vor, beginnt die Verjährung für den Rückzahlungsanspruch mit Ablauf der Abrechnungsfrist.
Der Fall: Der Mieter verlangte Rückzahlung geleisteter Nebenkostenvorschüsse für die Jahre 2007 bis 2014, weil die Umlage der kalten Betriebskosten im Mietvertrag nicht wirksam vereinbart worden sei, was der Vermieter, der über die Jahre 2007 bis 2011erst im September 2014 und über 2013 am 18. September 2014 abgerechnet hatte, bestritt. Im Übrigen erhob er die Einrede der Verjährung.
Im (Formular-) Mietvertrag war unter „Miete und Nebenkosten“ angekreuzt, dass die Miete „brutto kalt“ monatlich … € beträgt. Ferner war ein Heizkostenvorschuss von … € angegeben und sodann ein Klammerzeichen mit der Zeile für einen „Betriebskostenvorschuss gemäß § 17 des Mietvertrages“ gesetzt worden, ohne dass eine bestimmte Summe vorgesehen war. In § 17 (Betriebskosten) hieß es, in der Miete seien die nachfolgenden Betriebskosten gemäß § 27 der II. BV enthalten, auch hier wurde kein Betrag genannt, vielmehr war der dafür vorgesehene Kasten durchgestrichen.
Das Amtsgericht gab der Rückzahlungsklage mit Ausnahme der Vorschüsse für 2013 statt. Der Mietvertrag der Parteien lasse nicht hinreichend erkennen, dass neben den Heizkosten auch die Umlage der kalten Betriebskosten vereinbart sei. Der Anspruch des Mieters sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist laufe erst ab Erteilung der Abrechnungen für 2007 bis 2011 am 17. Oktober 2012. Für 2013 bestehe indes kein Rückzahlungsanspruch, weil der Mieter gegen die Abrechnung vom 18. September 2014 nicht fristgerecht Einwendungen erhoben habe. Hiergegen wandten sich beide Parteien mit selbständigen Berufungen.

Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 63, änderte das amtsgerichtliche Urteil teilweise ab. Die Berufung des Mieters sei nicht begründet. Das AG habe einen Rückforderungsanspruch des Mieters für 2013 zutreffend verneint, weil er innerhalb der Einwendungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB (ein Jahr nach Abrechnung) keine Einwendungen erhoben habe. Dagegen habe der BGH aber klargestellt, es sei unerheblich, ob lediglich für einzelne Betriebskostenarten oder für die Betriebskosten insgesamt keine Umlagevereinbarung getroffen worden sei. In beiden Fällen handele es sich um einen inhaltlichen Fehler der Abrechnung, der zu rügen sei (GE 2016, 854; GE 2014, 661; GE 2012, 543). Die fehlende Rüge werde auch nicht durch die vorangegangenen Rügen betreffend die Abrechnung für 2012 und die Abrechnungen für 2007 bis 2011 ersetzt. Vielmehr sei die Rüge für jede Abrechnung zu wiederholen (BGH GE 2010, 901).
Die Berufung des Vermieters sei teilweise begründet. Der Vermieter sei gemäß § 812 Abs. 1 BGB (nur) zur Rückzahlung der für 2010 bis 2014 vom Mieter gezahlten Nebenkostenvorschüsse verpflichtet. Der Mieter sei hier nicht zur Zahlung von Vorschüssen auf die kalten Betriebskosten verpflichtet gewesen, weil es an einer wirksamen Vereinbarung der Parteien zur Zahlung der kalten Betriebskosten fehle. Zwar könnte sich aus der verbindenden Klammer vor dem ausgewiesenen Nebenkostenvorschuss ergeben, dass dieser sowohl für Heizkosten als auch für die kalten Betriebskosten zu zahlen sei. Gegen eine derartige Auslegung sprächen hingegen alle übrigen Umstände. Diese ließen keinen Willen der Parteien für die Vereinbarung von Vorschüssen auch für die kalten Betriebskosten erkennen. Das folge schon aus den unterschiedlichen Vereinbarungen über Heizkosten und Betriebskosten in § 9 und § 17 des Mietvertrags. In § 17 des Mietvertrags seien betreffend die kalten Betriebskosten beide Rahmen, in denen für die Abrechnung Ergänzungen vorgesehen seien, ausdrücklich gestrichen worden. Aus dem Streichen sei danach der Wille zu erkennen, insoweit keine Absprache treffen zu wollen. Der vereinbarte Vorschuss betreffe allein die Heizkosten.
Die Berufung des Vermieters habe hingegen insoweit Erfolg, als die Ansprüche des Mieters teilweise verjährt seien. Das AG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist erst nach Erteilung der im Rechtsstreit vorgelegten Abrechnungen (ab 1. Januar 2013) laufe. 
Die Verjährung beginne grundsätzlich ab Entstehen der Forderung, wenn diese fällig sei und zum Gegenstand einer Klage gemacht werden könne.
Der Anspruch des Mieters auf Erstattung etwaiger Überzahlungen werde regelmäßig mit der Erteilung der Abrechnung fällig. Dies gelte jedoch nicht, wenn der Vermieter nicht innerhalb angemessener Frist über die Betriebskosten abrechne. Andernfalls bliebe die (gesetzliche) Abrechnungsfrist ohne praktische Bedeutung, und der Vermieter hätte es in der Hand, die Fälligkeit eines Rückzahlungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern. Dieser Folge könne nur dadurch wirksam begegnet werden, dass der Mieter die Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen verlangen könne, wenn der Vermieter nicht fristgerecht abgerechnet habe; dieses Ergebnis sei dem Mietvertrag im Wege der ergänzenden Auslegung zu entnehmen. Der Rückforderungsanspruch des Mieters werde deshalb in einem solchen Fall nicht erst mit der Mitteilung der Abrechnung des Vermieters, sondern bereits dann fällig, wenn die Abrechnungsfrist erfolglos abgelaufen sei.
Das führe im vorliegenden Fall dazu, dass jedenfalls die Rückforderung der für 2007 bis 2009 geleisteten Vorschüsse verjährt sei. Denn für 2009 sei bis zum 31. Dezember 2010 abzurechnen gewesen, so dass hinsichtlich des ab dem 1. Januar 2011 fälligen Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse am 31. Dezember 2014 die Verjährung eingetreten sei. Die Klage sei hingegen erst am 31. Dezember 2015 bei Gericht eingegangen. Die Rückzahlungsansprüche für die früheren Abrechnungszeiträume bis 2008 seien danach ebenfalls verjährt. 
Die Ansprüche auf Rückzahlung der Vorschüsse für 2010 bis 2014 seien hingegen nicht verjährt. Die Abrechnung für 2010 habe dem Mieter bis zum Montag, dem 2. Januar 2012 zugehen müssen, so dass der Rückzahlungsanspruch mangels Abrechnung ab dem 3. Januar 2012 fällig gewesen sei. Dieser Anspruch wär am 31. Dezember 2015 verjährt. Die am 31. Dezember 2015 bei Gericht eingegangene Klage habe den Lauf der Verjährungsfrist rechtzeitig gehemmt. Die Rückzahlungsansprüche für die weiteren Abrechnungszeiträume ab 2011 seien danach ebenfalls nicht verjährt.

Anmerkung: Der BGH hat sich verschiedentlich mit Rückforderungsansprüchen des Mieters wegen überzahlter Betriebskosten beschäftigt. Es waren im Weiteren Fälle, in denen Vorauszahlungen auf die Betriebskosten vereinbart waren.

1. Fortbestehendes Mietverhältnis
In einem fortbestehenden Wohnraummietverhältnis kann der Mieter keine vollständige Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen verlangen, wenn der Vermieter nicht fristgerecht über die Betriebskosten abgerechnet hat. In solchen Fällen ist der Mieter hinreichend dadurch geschützt, dass ihm bis zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Vermieters ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) jedenfalls hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zusteht (BGH, Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05 -, GE 2006, 844).

2. Beendetes Mietverhältnis 
Ist das Mietverhältnis beendet, und rechnet der Vermieter nicht rechtzeitig über die Betriebskosten eines Abrechnungszeitraums ab, kann der Mieter sogleich die vollständige Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen verlangen; er braucht nicht zuerst auf Erteilung der Abrechnung zu klagen (BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04 -, GE 2005, 543). 

3. Unmögliche Zurückbehaltung
Der Mieter hat bei Beendigung des Mietverhältnisses nur insoweit einen Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen, als er während der Dauer des Mietverhältnisses keine Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen (zuletzt BGH - VIII ZR 315/11 -, GE 2012, 1556).
Im vorliegenden Fall war nach Mietvertragsauslegung beider Instanzen eine Brutto-Kaltmiete vereinbart; ein Kostenvorschuss war nur für die Heizungskosten vorgesehen. Dieser war mit 170 € mtl. für die ca. 85 m2 große Wohnung recht hoch, so dass man auf die Idee kommen konnte, im Vorschuss seien die kalten Betriebskosten enthalten. Dagegen sprach, dass es mietvertraglich ausdrücklich hieß, „die Miete brutto kalt“ beträgt monatlich …, und dass der Passus unter § 17 (Betriebskosten) durchgestrichen war. Jedenfalls zahlte der Mieter mehrere Jahre die vereinbarten Vorauszahlungen und kam erst später zur Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs. In einem solchen Fall greift die Rechtsprechung des BGH zum Rückforderungsanspruch für überzahlte Betriebskosten bei vereinbarten Vorauszahlungen nicht. Der Mieter kann dementsprechend sogleich aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung verlangen.
Darauf, Einwendungen gegen die Abrechnung zu erheben, verfiel der Mieter nicht. Hier nun greift die u. a. in dem Urteil des Landgerichts erwähnte weitere Rechtsprechung des BGH (BGH, Hinweisbeschluss vom 18. Februar 2014 - VIII ZR 83/13, GE 2014, 661). Die Abrechnung von nicht vereinbarten Betriebskosten führt nicht etwa zur Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung aus formellen Gründen; der Mieter muss vielmehr auch in derartigen Fällen dem Vermieter innerhalb von zwölf Monaten seit Erhalt einer Betriebskostenabrechnung mitteilen, dass Betriebskosten – mangels Vereinbarung – nicht abzurechnen sind.
Diese Situation kann bei den beiden hier zusammenkommenden Rechtsinstituten des Einwendungsausschlusses (§ 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB) und der Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB) zu Problemen führen. Nach LG Berlin kann der Mieter die Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen verlangen, wenn der Vermieter nicht fristgerecht abgerechnet hat. Nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die Abrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Der Rückforderungsanspruch des Mieters wird deshalb nach LG Berlin in einem solchen Fall nicht erst mit der Mitteilung der Abrechnung des Vermieters, sondern bereits dann fällig, wenn die Abrechnungsfrist erfolglos abgelaufen ist. Dies hat auch Konsequenzen für den Beginn der Verjährung. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (hier Mieter) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (hier Vermieter) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Einwendungsfrist hat zu diesem Zeitpunkt mangels vorliegender Abrechnung des Vermieters aber noch gar nicht zu laufen begonnen.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 720 und in unserer Datenban
Autor: Klaus Schach


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