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Grober Kalkulationsirrtum der Berliner Wasserbetriebe
06.10.2000 (GE 11/2000, 696) Regenwasserabgabe steigt ab Juni auf 2,93 DM/m2 versiegelter Fläche.
Seit dem 1. Januar 2000 ist das Entgelt für Abwasser aufgeteilt: Ein Teil muß für das häusliche Abwasser bezahlt werden, ein anderer Teil für Regenwasser, das von versiegelten Teilen (Dächern und versiegelten Bodenflächen) eines Grundstücks in die öffentliche Kanalisation abgeleitet wird. 1,75 DM je m2/a versiegelter Fläche kostete diese Regenwasserabgabe, der Tarif war aber vom Senat nur vorläufig bis zum 31. Mai genehmigt worden, weil die Wasserbetriebe noch nicht alles Flächenermittlungen fertiggestellt hatten. Jetzt stellte sich heraus, daß die Wasserbetriebe mit ihrer Hochrechnung um sage und schreibe 40 % daneben getroffen hatten. Statt 1,75 DM ergeben sich nunmehr 2,44 DM/m2/a versiegelter Fläche und bezogen aufs ganze Jahr. Nach Adam Riese erhöht sich deshalb der ab Juni zu zahlende Anteil auf 2,93 DM. Haus & Grund kritisierte die Fehlkalkulation mit deutlichen Worten.

Zum 1. Januar 2000 wurden die Abwasserpreise der Berliner Wasser-betriebe (BWB) um 0,99 DM/m3 auf 3,86 DM/m3 gesenkt. Im gleichen Zuge wurde ein Niederschlagswasserentgelt von 1,75 DM/m2 ver-siegelte Fläche eingeführt. Damit wurde der Rechtsprechung Rech-nung getragen. Demnach müssen Kommunen, in denen der Anteil der Kosten für die Ableitung des Niederschlagswassers an den Gesamt-kosten der Abwasserentsorgung mehr als 15 % beträgt, die Ent-gelte getrennt kalkulieren und berechnen. Daß dieser Wert in Berlin schon längst erreicht war, wurde erst offenbar, nachdem Haus & Grund Berlin die BWB auf Offenlegung ihrer Tarifkalkulation verklagt hatte.

Grundlage für das Entgeltsplitting ist die Erfassung aller versiegelten, angeschlossenen und in die Kanalisation einleitenden Flächen. Anfang 1999 hatten die BWB mit der Erfassung dieser Flächen begonnen. An-schließend wurden diese Unterlagen den jeweiligen Grundstücks-ei-gentümern zur Prüfung zugesandt. Bei der Erfassung wurden Daten des Landes Berlin, der BWB und Luftbilder abgeglichen (vgl. GE 1998, 1174; GE 1999, 951 ff.; GE 1999, 1458 ff.).
Im November 1999 waren noch nicht alle Flächen ausgewertet. Des-halb und aufgrund der rechtlichen Zwänge zur Einführung eines ge-trennten Entgeltes wurden die insgesamt versiegelten, angeschlosse-nen und in die Regenwasserkanäle einleitenden Flächen mit einer Hochrechnung ermittelt. Die so ermittelte Gesamtfläche ergab, daß ein Niederschlagswasserentgelt von 1,75 DM/m2 die den BWB entstehen-den Kosten deckt. Dieses Entgelt wurde von der Preisprüfungsbehörde wegen der noch unvollständigen Flächenbilanz nur vorläufig geneh-migt. Mit der Genehmigung, die bis zum 31. Mai 2000 befristet war (vgl. GE 2000, 87), wur-den die BWB beauflagt, die Flächenbilanz zum 30. April der Genehmi-gungsbehörde erneut zur Prüfung vorzulegen.

Neuer Wert: 2,44 DM/m2/Jahr
In den zurückliegenden Monaten wurde die Flächenbilanz, so die BWB, „weiter vervollständigt“ (offenbar immer noch nicht ganz). Dabei stellte sich nach Angaben der BWB heraus, daß „wider“ Erwarten in den ein-zelnen Stadtbezirken ein sehr unterschiedlicher Anschlußgrad vor-handen sei. So sei es mit der jetzt vorliegenden Flächenbilanz zu erheblichen Abweichungen gegenüber der Hochrechnung gekommen. Tatsächlich fließe von weniger Dächern, Höfen und anderen Flächen Niederschlagswasser in die Kanalisation als 1999 hochgerechnet. Bei gleichbleibendem Aufwand für die Ableitung des Niederschlagswassers und geringerer einleitender Fläche errechnet sich nunmehr für das Jahr 2000 ein Entgelt von 2,44 DM/m2. Dieses Entgelt ist über das ganze Jahr gerechnet, so daß sich bei einer Höhe von 1,75 DM/m2 bis zum 31. Mai ein Entgelt von 2,93 DM/m2 für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Dezember ergibt.

90 % der Berliner sparen auch künftig
Trotz des veränderten Niederschlagswasserentgeltes würden rund 90 % der Berliner, nämlich alle Mieter und Wohnungseigentümer in Mehrfamilienhäusern, davon profitieren, erklärten die BWB (übrigens sparen die am meisten, die ihr Regenwasser selbst versickern!). Mieter und Wohnungseigentümer in Mehrfamilienhäusern sparen, so die BWB, durch die Tarif-reform durchschnittlich 13 % ihrer bisher für Wasser und Abwas-ser anfallenden Kosten. Zu einem deutlich gesunkenen Schmutzwasserentgelt kommt in diesen Fällen ein vergleichsweise ge-ringer Anteil am Regenwasserentgelt hinzu. Grund: In solchen Gebäu-den wohnen viele „Wassernutzer“ unter einem Dach, von dem der Re-gen in die Kanalisation abgeleitet wird. Hier gilt die Faustformel: Je hö-her das Haus und je mehr Wohnungen darin, um so größer die Einspa-rung.

Jährliche Überprüfung
Die Tarife und Entgelte der BWB für Trink-, Schmutz- und Niederschlagswasser müssen jährlich von der Preisprüfungsbehörde neu genehmigt werden. Die Höhe des Niederschlagswasserentgelts ergibt sich aus den Aufwendungen für die Niederschlagsentwässerung und den ermittelten einleitenden Flächen. Aufgrund des umfangreichen Baugeschehens bzw. von Entsiegelungsmaßnahmen muß die Flä-chenbilanz jährlich angepaßt werden.
Die Genehmigung des angepaßten Entgelts ist wie die des im Dezem-ber 1999 bekanntgegebenen vorläufig. Die endgültige Tarifgenehmi-gung erfolgt nach abschließender Prüfung durch die Behörde.

Regiert bei den Wasserbetrieben das Chaos?
Haus & Grund Berlin hat die Anhebung der sogenannten Regenwasserabgabe zum 1. Juni 2000 von bisher 1,75 DM pro Quadratmeter versiegelter Fläche auf 2,93 DM/m2 heftig kritisiert. Dieser kapitale Irrtum sei offenbar bezeichnend dafür, wie man bei den Berliner Wasserbetrieben kalkuliere.
Die jetzt tatsächlich ermittelte Zahl sei mit der üblichen Fehlerquote von Hochrechnungen nicht mehr zu begründen, erklärte der Sprecher von Haus & Grund Berlin, Dieter Blümmel. „Es geht immerhin um eine Abweichung von rund 40 % bezogen auf das gesamte Jahr 2000, und sogar 67 % bezogen auf das 2. Halbjahr. Da besteht erheblicher Erklärungsbedarf.”

Haus & Grund klagt gegen Tarifgenehmigung vor dem Berliner Verwaltungsgericht
Haus & Grund Berlin, so Dieter Blümmel weiter, klage ohnehin gegen die Genehmigung der Wasser- und Abwassertarife 2000 durch die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vor dem Berliner Verwaltungsgericht.
Seit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe müssen nämlich die Tarife für Wasser und Abwasser wieder ausdrücklich vom Senat genehmigt werden, was für die Zeit davor strittig war und auch nicht geschehen ist. Man habe damit, neben den frühere Zeiträume betreffenden Klagen vor den Zivilgerichten, die immer noch vor dem Kammergericht anhängig sind, eine neue Prozeßlinie vor dem Verwaltungsgericht eingeschlagen, weil dort der Amtsermittlungsgrundsatz gelte, erklärte Haus & Grund Berlin.

Dieter Blümmel: „Wir vertreten die Auffassung, daß die Genehmigung der Tarife durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft gegen das Teilprivatisierungsgesetz verstößt, weil die Wasserbetriebe sich beim sogenannten betriebsnotwendigen Kapital künstlich reichgerechnet haben. Die Kunden in Berlin müssen tatsächlich Zinsen auf ihr eigenes Kapital bezahlen, statt Zinsen dafür zu erhalten.” Es sei bezeichnend für die Haltung der Politik in der Frage der öffentlichen Gebühren, daß der Senat versuche, sich einer inhaltlichen Überprüfung der Wasserentgelte durch das Verwaltungsgericht zu entziehen, indem er seine Anwälte erklären ließ, den Bürger gingen - vereinfacht gesagt - die Tarifgenehmigungen des Senators für Wirtschaft nichts an, denn das sei eine Sache zwischen dem Senat und den Berliner Wasserbetrieben.

Wer mit einer solchen Grundhaltung privatisiere, privatisiere an den Interessen der Berliner vorbei, erklärte Haus & Grund Berlin.