Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Nießbrauch und Mietvertrag
08.07.2002 (GE 13/02, Seite 844) Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge wird das Grundstück häufig schon zu Lebzeiten des Eigentümers an nahe Angehörige übereignet, wobei sich der Eigentümer den Nießbrauch an dem Grundstück vorbehält.
1. Problemstellung
Der Nießbraucher ist daran interessiert, die Mieten ungestört vereinnahmen zu können, ohne andererseits zu große Belastungen damit einzugehen. Der Mieter ist daran interessiert, die gemieteten Räume uneingeschränkt nutzen zu können. Er muß wissen, an wen er die Miete mit befreiender Wirkung zahlen kann und was mit dem Mietverhältnis geschieht, wenn der Nießbraucher stirbt. Schließlich muß er im Falle des Wechsels seines Vertragspartners davor geschützt sein, daß das Mietverhältnis vorzeitig beendet werden kann. Daraus ergeben sich verschiedene Vertragsgestaltungen mit unterschiedlichen Vorzügen und Risiken.

2. Vertragsgestaltungen
Abschluß mit dem Eigentümer: Schließt der Mieter unabhängig von der bereits erfolgten Nießbraucheintragung den Mietvertrag mit dem Eigentümer ab, so ist nur dieser aus dem Mietverhältnis berechtigt und verpflichtet. Nur der Eigentümer kann den Mieter auf Zahlung der Miete (der Kaution, auf Schadensersatz wegen nicht oder schlecht ausgeführter Schönheitsreparaturen) in Anspruch nehmen, nur der Eigentümer ist aus dem Mietvertrag verpflichtet. Das dürfte nicht im Interesse des Nießbrauchers liegen, der selbst die Miete vereinnahmen will, ohne darauf angewiesen zu sein, von dem Eigentümer gem. § 1030 Abs. 1 BGB die vereinnahmten Mieten zu verlangen. Der Mieter dagegen dürfte eher daran interessiert sein, den Mietvertrag mit dem Eigentümer zu schließen, da er sich im Fall der Veräußerung des Grundstücks gem. § 566 BGB an den Erwerber halten kann. Zudem finden die den Mieter bei Veräußerung schützenden Vorschriften der §§ 566 a, 566 b Abs. 1 und der §§ 566 c bis 566 e, 567 b BGB Anwendung. Der Erwerber tritt kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten des Vermieters ein, der als Vertragspartei aus dem Mietvertrag ausscheidet. Zudem haftet der ausscheidende Vermieter gem. § 566 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Mieter weiterhin für den vom Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge; er kann von dieser Haftung nur dadurch frei werden, daß er als früherer Vermieter dem Mieter von seinem Ausscheiden aus dem Mietverhältnis infolge Übergang des Eigentums Mitteilung macht, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist (§ 566 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der ausscheidende Vermieter haftet zudem kraft Gesetzes (§ 566 a Satz 2 BGB) weiterhin auf Rückzahlung der Mietsicherheit (Kaution), wenn der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses die Kaution nicht von dem Erwerber erlangen kann.
Wird gleichzeitig mit der Veräußerung durch den vermietenden Eigentümer dessen Nießbrauch begründet, so ändert sich an seiner Rechtsstellung als Vermieter nichts. Zwar tritt gem. § 566 BGB für eine logische Sekunde der Erwerber - also möglicherweise der nahe Angehörige, dem das Grundstück übereignet worden ist -, anstelle des vermietenden Eigentümers in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Wenn aber nach der Eintragung des Erwerbers unmittelbar der bisherige Eigentümer und Vermieter als Nießbraucher eingetragen wird, tritt wiederum dieser in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein (§§ 1070 Abs. 1, 566 BGB). Er allein bleibt aus dem Mietverhältnis berechtigt und verpflichtet.

Abschluß mit dem Nießbraucher: Schließt der eingetragene Nießbraucher selbst den Mietvertrag ab, so wird allein er aus diesem Mietverhältnis berechtigt und verpflichtet. Sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis kann er allein geltend machen, sämtliche Ansprüche des Mieters sind gegen ihn - nicht den Eigentümer - geltend zu machen. Der Nießbraucher kann sich auch nicht darauf berufen, daß er etwaige Mängel nicht beseitigen kann, weil der Eigentümer dies nicht zuläßt. Auch der Mieter einer vom Nießbraucher vermieteten Wohnung hat einen Anspruch auf Instandsetzung gegen seinen Vermieter, der die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs schuldet. Auf welche Weise er diesen Erfolg erreicht, ist seine Angelegenheit, demgemäß aber auch sein Risiko.
Allerdings darf der Vermieter nicht zu einer Leistung verurteilt werden, deren Erfüllung ihm unmöglich ist. Der vermietende Nießbraucher ist aber trotzdem zur Mängelbeseitigung so lange verpflichtet - und entsprechend zu verurteilen -, wie nicht feststeht, daß die etwa notwendige Mitwirkung des Eigentümers nicht zu erreichen ist. Der Fall ist mit demjenigen vergleichbar, in dem die Zustimmung eines privaten Dritten erforderlich ist. Auch in diesem Fall schuldet der Verpflichtete, sich mit allen möglichen Mitteln, notfalls im Klagewege, um die erforderliche Mitwirkung zu bemühen; Unmöglichkeit ist erst anzunehmen, wenn feststeht, daß die notwendige Mitwirkung nicht zu erzielen ist (vgl. Emmerich in MüKo, a. a. O., Rdn. 17, 18 zu § 275 a. F.; BGH, Urteil vom 20. November 1981, V ZR 155/89, NJW 1982, 881, 883). Unter Umständen ist der vermietende Nießbraucher sogar verpflichtet, die Kosten der Instandsetzung dem Eigentümer vorzuschießen, damit dieser seine - etwa notwendige - Mitwirkung nicht länger verweigert.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung, die nach § 888 ZPO erfolgt, ist einerseits zu berücksichtigen, daß der vermietende Nießbraucher die Vornahme der erforderlichen Handlungen zur Erzielung des Enderfolges mitschuldet, während andererseits sein Unvermögen aber dann zu berücksichtigen ist, wenn feststeht oder der Vermieter nachweisen kann, daß er vergeblich alles getan hat, um den notwendigen Erfolg zu erzielen. Für diesen Einwand steht ihm letztlich auch der Weg der Vollstreckungsabwehrklage offen. Die Einwendung, der Vermieter werde im Wege der Zwangsvollstreckung der Gefahr ausgesetzt, in Rechte Dritter eingreifen zu müssen, ist demgemäß gegenstandslos. Erzwungen wird über die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO lediglich die Durchsetzung der Rechte des vermietenden Nießbrauchers gegenüber dem Wohnungseigentümer, nicht dagegen, wie es bei einer Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO der Fall wäre, die Durchführung der Instandsetzung unter Umgehung der Rechte des Wohnungseigentümers unmittelbar. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Verurteilung des vermietenden Nießbrauchers entfällt nicht bereits im Hinblick darauf, daß dieser zunächst Maßnahmen gegen Dritte zu ergreifen hat (vgl. insoweit BGH, LM ZPO § 253, Vorbem. Nr. 7), sondern ist gerade gegeben, um den untätigen Vermieter zur Ergreifung der erforderlichen Schritte anzuhalten.
Stirbt der Nießbraucher, so erlischt der Nießbrauch, damit aber nicht etwa der Mietvertrag mit dem Nießbraucher. In den mit dem Nießbraucher geschlossenen Mietvertrag treten vielmehr dessen Erben ein (§ 1922 BGB). Hinterläßt ein Vermieter mehrere Erben, so treten alle zusammen als Vermieter in den Mietvertrag ein, ohne daß eine Vertragsänderung notwendig ist.
Da der Nachlaß jedoch gemeinschaftliches Vermögen der Miterben wird (§ 2032 Abs. 1 BGB), können diese nur zusammen einen Mietvertrag neu abschließen (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Jeder Miterbe kann jedoch über seinen Anteil am Nachlaß verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB). Diese Verfügung erfolgt durch Veräußerung des Anteils am Nachlaß. Der Erwerber des Anteils wird der Rechtsnachfolger des veräußernden Erben hinsichtlich dessen Anteil mit der Folge, daß der Erwerber in die Vermieterstellung einrückt. Dann muß der Erbschaftserwerber die Rechte aus dem Mietvertrag geltend machen. Bei der Erbauseinandersetzung dagegen erfolgt eine Zuordnung der einzelnen Nachlaßbestandteile an einzelne Erben: Allein die entsprechende Auseinandersetzungsvereinbarung führt noch nicht zum Eintritt desjenigen Erben in das Mietverhältnis, dem der entsprechende Nachlaßgegenstand zugeordnet wird. Vielmehr ist der dingliche Vollzug dieser Vereinbarung notwendig; genauso wie bei der Veräußerung tritt daher der Miterbe, dem das vermietete Grundstück zugeordnet wird, erst mit Eintragung als Alleineigentümer in das Grundbuch als Vermieter in das Mietverhältnis ein, so daß er erst ab Eintragung in das Grundbuch die Rechte aus dem Mietverhältnis geltend machen kann.

Mietvertrag mit Eigentümer und Nießbraucher: Schließen Nießbraucher und (neuer) Eigentümer zusammen den Mietvertrag als Vermieter, so ist zu regeln, ob und gegebenenfalls wer die Rechte aus dem Mietverhältnis geltend machen kann. Da die Bestellung eines Nießbrauchs an dem veräußerten Grundstück erfolgt, um dem veräußernden Eigentümer den Zugriff auf die Mieteinnahmen zu sichern, erscheint es sinnvoll, bereits im Mietvertrag zu vereinbaren, daß die Miete und sonstige Zahlungen (Kaution, Betriebskostennachforderungen, Schadensersatz wegen nicht oder schlecht ausgeführter Schönheitsreparaturen usw.) bis zum Erlöschen des Nießbrauchs mit befreiender Wirkung nur an den Nießbraucher auf dessen Konto geleistet werden können und Zahlungen auf ein anderes Konto nicht als Erfüllung gelten. Dagegen ist fraglich, ob der Mieter außerdem verpflichtet werden kann, seine Ansprüche nur gegen den Nießbraucher geltend zu machen. Denn dies dürfte eine Vereinbarung sein, die zum Nachteil des Mieters seine gesetzlichen Gewährleistungsansprüche einschränkt - bzw. gegen den mitvermietenden Eigentümer völlig ausschließt -, was zumindest gem. § 307 BGB n. F. zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel in einem Formularmietvertrag führt. Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist zudem jede Einschränkung des Minderungsrechts des Mieters - auch eine individuelle im Einzelfall - unwirksam (§ 536 Abs. 4 BGB n. F.).
Hat der Nießbraucher - zusammen mit dem Eigentümer - ein Grundstück - oder einen Teil des Grundstücks (einzelne Wohnungen) - über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, so finden nach Beendigung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung von vermietetem Wohnraum geltenden Vorschriften der §§ 566, 566 a, 566 b Abs. 1 und der §§ 566 c bis 566 e, 567 b BGB entsprechende Anwendung (§ 1056 Abs. 1 BGB). Das würde bedeuten, daß der mitvermietende Eigentümer kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten des mitvermietenden Nießbrauchers eintritt, also nunmehr allein Vermieter wäre. Mit Erlöschen des Nießbrauchs scheidet also der Nießbraucher als Vertragspartei aus dem Mietvertrag aus, was natürlich auch so vertraglich vereinbart werden kann. Der ausscheidende Nießbraucher haftet grundsätzlich gem. § 566 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Mieter weiterhin für den vom mitvermietenden Eigentümer zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge; er kann aber von dieser Haftung dadurch frei werden, daß der Nießbraucher dem Mieter von seinem Ausscheiden aus dem Mietverhältnis infolge Beendigung des Nießbrauchs Mitteilung macht, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist (§ 566 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der ausscheidende Nießbraucher haftet aber kraft Gesetzes (§ 566 a Satz 2 BGB) auch weiterhin auf Rückzahlung der Mietsicherheit (Kaution), wenn der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses die Kaution nicht von dem allein verbliebenen mitvermietenden Eigentümer erlangen kann. Diese Weiterhaftung kann aber vertraglich - zumindest individuell - ausgeschlossen werden.

3. Ergebnis
Die Interessen des Nießbrauchers können am besten dadurch gesichert werden, daß er selbst oder zusammen mit dem Eigentümer den Mietvertrag abschließt. Im letzteren Fall muß allerdings mietvertraglich sichergestellt werden, daß er die Einnahmen aus dem Mietvertrag allein erhält.
Autor: VRiLG Harald Kinne