Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

News  →  Hintergrund


Zweitwohnungen dürfen auch künftig an Touristen vermietet werden
Zweckentfremdung: Anspruch auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen
10.08.2016 Die Berliner Bezirksämter müssen für die zeitweise Vermietung von Zweitwohnungen für Ferienzwecke Ausnahmegenehmigungen nach dem Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz erteilen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.
Am 9. August 2016 urteilte das VG Berlin in drei miteinander verbundenen Verfahren (- VG 6 K 91.16 -, - VG 6 K 151.16 - und - VG 6 K 153.16 -), dass die Berliner Bezirksämter für die kurzzeitige Vermietung von Zweitwohnungen als Ferienwohnungen grundsätzlich Genehmigungen nach § 3 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) erteilen müssen.

Auswärtige Eigentümer mit Zweitwohnungen in Berlin
Die Kläger dieser Verfahren sind Eigentümer von Zweitwohnungen in den Berliner Bezirken Friedrichshain und Pankow und haben ihren jeweiligen Hauptwohnsitz außerhalb von Berlin in Dänemark, Italien und in Rostock. Sie nutzen ihre – z.T. kreditfinanzierten - Zweitwohnungen anlässlich beruflich bedingter oder privater Aufenthalte in Berlin. Für die in der übrigen Zeit geplante vorübergehende Vermietung dieser Wohnungen an Touristen beantragten sie bei den jeweiligen Bezirksämtern Ausnahmegenehmigungen, die nach dem Berliner Zweckentfremdungsverbot-Gesetz für eine nach Tagen oder Wochen bemessene kurzzeitige Vermietung erforderlich sind, deren Erteilung von den Bezirksämtern aber abgelehnt wurde.
Die dagegen gerichteten Klagen hatten vor der 6. Kammer des VG Berlin Erfolg. Die Kläger hätten Anspruch auf Erteilung der Genehmigung nach § 3 ZwVbG. Zwar sei auch die untergeordnete Mitbenutzung einer Zweitwohnung als Ferienwohnung grundsätzlich eine Zweckentfremdung und damit verboten, jedoch bestünde in diesen Fällen auf Antrag hin ein Genehmigungsanspruch, da schutzwürdige private Interessen dem öffentlichen Interesse vorgingen.
Wesentlich sei, dass bei der überwiegenden Nutzung durch den Eigentümer als Zweitwohnung ein Wohnraumverlust gerade nicht eintrete; der Wohnraum bliebe als solcher erhalten. Es wirke sich nicht auf die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum aus, wenn die Zweitwohnung bei Abwesenheit des Eigentümers als Ferienwohnung vermietet werde oder leer stünde. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Berufen auf das Zweitwohnungsprivileg bestünden jeweils nicht. Eine damit zusammenhängende Frage ist, ob auch hauptsächlich in Berlin wohnende Eigentümer eine Genehmigung für eine Zweitwohnungsprivileg beanspruchen können.
Der Genehmigungserteilung stünde auch nicht das Argument der Bezirksämter entgegen, dass die Einhaltung der Genehmigungsauflagen nur schwer zu kontrollieren sei. Die Bezirksämter könnten hierzu entsprechende Auflagen erlassen, z.B. die Führung eines Gästebuchs oder ähnliche Nachweise anfordern.
Mit den Urteilen ist das Verwaltungsgericht erstmals dem politischen Statement des Berliner Senats entgegen getreten, dass der Betrieb von Ferienwohnungen in zweckentfremdungsrechtlich geschütztem Wohnraum schlechthin unzulässig sei. Das VG Berlin schließt sich damit der liberalen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Mitbenutzung von Wohnraum entsprechend der alten Rechtslage an.
Auch wenn die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen wurde, ist es jetzt an den Bezirksämtern, die Genehmigungsanträge der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Gleiches gilt für die vielen anhängigen Genehmigungsverfahren.

Keine Vermietung für mehr als 182 Tage im Jahr und bei Missbrauch
Dennoch dürfen die Urteile nicht insoweit missverstanden werden, dass jeder, der eine Genehmigung auf Grund der Zweitwohnungsregelung beantragt, auch eine solche erhalten wird. Grundsätzlich wird nur eine der privaten Wohnnutzung untergeordnete Ferienwohnungsnutzung genehmigungsfähig sein, was in der Regel eine legale Vermietung für mehr als 182 Tage im Jahr ausschließt. Auch stellte das Gericht klar, dass ein missbräuchliches Berufen auf die Zweitwohnungsregelung eine Genehmigung ausschließt. Dies könnte z.B. vorliegen, wenn die Eigennutzung nur in einem sehr geringen Umfang besteht und der tatsächliche Hauptnutzungszweck in der Ferienwohnungsvermietung liegt.

Urlaubsweise Vermietung an Touristen wohl auch genehmigungsfähig
Ohne dass dies Gegenstand der Urteile war, kann die Frage, ob eine Vermietung der eigenen Hauptwohnung während des Urlaubs des Wohnungsinhabers zulässig ist (sofern der Vermieter mit dieser Drittüberlassung sein ausdrückliches Einverständnis erklärt hat), ebenfalls als entschieden gelten. Da auch dort dem Wohnungsmarkt kein Wohnraum entzogen wird, muss auch in diesen Fällen auf Antrag hin eine Genehmigung erteilt werden.

Offene Frage: Genehmigung mit oder ohne Ausgleichsabgabe?
Offen bleibt aber eine wesentliche Frage: Darf die Genehmigung in Fällen der Zweitwohnung oder der „Urlaubsvermietung“ mit einer Ausgleichsabgabe gemäß § 4 ZwVbVO belegt werden? Dies dürfte unzulässig sein, da eine Ausgleichsabgabe den Verlust an Wohnraum kompensieren soll – nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts tritt aber ein solcher Verlust in Mitbenutzungsfällen gerade nicht ein.
Die heutigen Urteile waren ein wichtiger Erfolg für die „Share-Economy“ in unserer Stadt. Die konkrete Ausgestaltung des Genehmigungswesens wird aber weitere Fragen aufwerfen und sicherlich weitere klarstellende Urteile erfordern.
Autor: RA Lukas A. Wenderoth