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Twitter-Drohungen aus der Amtsstube – nicht nur in Amerika
Namen & Nachrichten
21.01.2019 (GE 01/2019, S. 6) „Es war kein gutes Jahr für das Recht. Vertrauen ging verloren. Rechtsskepsis machte sich breit.“ Mit diesen Worten eröffnete RA Tobias Freudenberg, Schriftleiter der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW), dem Leitmedium der juristischen Welt in Deutschland, die erste Ausgabe der Zeitschrift im neuen Jahr.
Und er mahnte: „Für neues Vertrauen in Recht und Justiz ist es notwendig, dass die Gesetze vollzogen werden. Wer Recht hat, muss auch Recht bekommen. Recht muss gegenüber jedermann durchgesetzt werden. Kein Lebensbereich darf von geltenden Rechtsregeln ausgenommen werden.“ Kein Lebensbereich? Es gibt zumindest ein ganzes Bundesland, bei dem man die Frage stellen kann, was geltendes Recht hier eigentlich noch gilt? In Berlin-Schöneberg in der Potsdamer Straße 180, unmittelbar am „Sozialpalast“, gab es seit rund 40 Jahren in vom Bezirk gemieteten Räumen die Jugendclubs Potse und Drugstore. Die Nutzungsverträge waren Ende Dezember ausgelaufen, der Bezirk hatte unweit davon in einem Wohnhaus in der Potsdamer Straße 134 in Absprache mit Vertretern der Jugendzentren Räume für die beiden Clubs gemietet. Drugstore übergaben die Schlüssel für ihre Räume freiwillig. Der Jugendclub Potse hingegen verweigerte die Räumung mit der Begründung, die vom Bezirk angebotenen Ersatzräume seien zu klein. Es wurde demonstriert, die Räume blieben besetzt. Der Outlaw Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat des Nachbarbezirks Friedrichshain-Kreuzberg, reagierte auf die Besetzung über twitter mit einem „Gut so.“ Nach § 48 des Berliner Landesbeamtengesetzes (LBG) hat jeder Berliner Beamte – auch Stadträte sind Beamte (auf Zeit) – bei seiner Ernennung folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre, dass ich mein Amt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung von Berlin in Übereinstimmung mit den Gesetzen zum Wohle der Allgemeinheit ausüben und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen werde …“ Für diesen Stadtrat gelten die Gesetze offenbar nicht: Nach Beendigung des Mietverhältnisses folgt aus dem Gesetz (§ 546 BGB) die Verpflichtung zur Räumung, deren Nichtbefolgung findet der Stadtrat „gut“. Würde ein kleiner Beamter vielleicht die Steuerverlagerung in das Ausland für „gut“ befinden, dürfte sofort die Dienstaufsicht tätig werden. Wetten, dass die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann nicht tätig werden wird? Florian Schmidt gehört zu jenen, die aus einer moralischen Überheblichkeit heraus glauben, sich die Regeln selbst zurechtbiegen zu können. Nach eigenem Bekunden führt er eine schwarze Liste mit Architekten, die für angebliche Spekulanten arbeiten. Unliebsamen Architekten twitterte er ins Stammbuch: „Ich merke mir übrigens, welche Architekt*innen für spekulative Eigentümer arbeiten, also solche, die mit Baugenehmigungen nur spekulieren statt zu bauen. Auch Architekt*innen sollten einen moralischen Kompass haben.“ Damit meinte er natürlich nicht „einen“ moralischen Kompass, sondern „seinen“, und neben dem gibt‘s keinen. Als ob Architekten darüber entscheiden, ob das gebaut wird, was sie geplant haben. Vielleicht sollte man den Stadtrat etwas nachdrücklicher an seinen Amtseid erinnern und auch daran, dass es im deutschen Strafgesetzbuch (StGB), dem auch Kreuzberger Exterritoriale unterworfen sind, einen § 240 (Nötigung) gibt, der folgenden Wortlaut hat: „(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter … seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.“ Ich finde, der Baustadtrat Florian Schmidt geht auf sehr dünnem Eis.
Autor: Dieter Blümmel


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