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Ausblenderin auf Weltniveau
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05.09.2018 (GE 16/2018, S. 958) Manchmal muss man unserer Bundesjustizministerin Katarina Barley aber auch ohne Wenn und Aber beipflichten. „Eine Wohnung ist kein Stück Seife“, diktierte sie kürzlich dem Tagesspiegel in einem Interview in die Feder. Wer wollte diese bahnbrechende Erkenntnis bestreiten? Mit einem Stück Seife waschen die Barleys dieser Welt ihre Hände in Unschuld – schuld sind immer nur die anderen –, bis nichts mehr von der Seife übrig bleibt. Eine Wohnung dagegen muss erhalten werden. Sie nutzt sich zwar auch durch Gebrauch ab, aber dieser Abnutzung muss der Eigentümer durch Instandhaltung und gegebenenfalls auch durch Instandsetzung begegnen.
Und wenn das geschätzte Publikum mit dem Klo auf halber Treppe nicht mehr zufrieden ist, den wöchentlichen Hygiene-Gang ins Stadtbad als zu beschwerlich empfindet oder des Kohleschleppens vier Treppen hoch überdrüssig ist, weil dann die Zeit für das Kabel- oder Satellitenfernsehen knapper ausfällt, zwingt der Markt, inzwischen aber auch immer stärker der Staat, die Eigentümer zur Modernisierung. Recht hat sie, die Katarina Barley. Eine Wohnung ist wirklich kein Stück Seife. Aber abgesehen davon hat sie in dem Tagesspiegel-Interview keine Plattheit ausgelassen, sich keinem Vorurteil verweigert. Sie kennt aus eigener Anschauung und früherer Wohnungssuche in Hamburg (der Eigentümer wollte keine Juristen im Haus) die Sorgen der Mieter, von denen doch tatsächlich verlangt wird, dass sie Verdienstbescheinigungen vorlegen, Bürgschaften beibringen und sich – wie entwürdigend – in die Schlange von Wohnungssuchenden einreihen müssen (die Ministerin selbst musste das in Berlin nicht, sie hat ihre Wohnung 2013 unter der Hand von einer FDP-Abgeordneten ergattert, hoffentlich mit Wissen und Billigung des Vermieters, wofür spricht, dass sie inzwischen „leider tatsächlich eine deftige Mieterhöhung hinnehmen musste“ [eine in fünf Jahren!]). Und selbstverständlich hat die Ministerin „Verständnis für die Wut der Hausbesetzer“, auch wenn sie einen Satz weiter „illegale Protestaktionen als Bundesjustizministerin natürlich nicht gutheißen“ kann. Es sei „asozial, wenn reine Finanzinvestoren Häuser kaufen, die alteingesessenen Mieter mit teuren Modernisierungen vertreiben und die Wohnung dann in teure Eigentumswohnungen umwandeln“. Kein Klischee wird ausgelassen, dafür wird ausgeblendet, dass die spektakulärste Berliner Hausbesetzung ein landeseigenes Wohnungsunternehmen (Stadt und Land) betraf. Überhaupt erweist sich Barley in dem Interview als professionelle Ausblenderin. Es sei schon ein Unterschied, ob SPD oder CDU/CSU und FDP regierten: „In Bayern etwa hat der damalige Finanzminister Markus Söder tausende Wohnungen aus öffentlicher Hand an private Wohnungsbaugesellschaften verscherbelt“, kritisierte sie. Pech, wenn man dann auf weniger vergessliche Journalisten trifft, die die Ministerin daran erinnern mussten, dass auch SPD-Politiker in Zeiten knapper Kassen Wohnungen aus öffentlichem Eigentum an große private Wohnungsbaugesellschaften verkauft haben. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit beispielsweise hat 2004 die GSW und damit nicht Tausende, sondern gleich Zehntausende landeseigener Wohnungen an ein „Heuschrecken“-Konsortium aus den Investmentgesellschaften Whitehall Funds sowie Tochtergesellschaften von Cerberus Capital Management „verscherbelt“, um im Sprachduktus von Barley zu bleiben. Schon vor Wowereit hat die damalige Finanzsenatorin Dr. Annette Fugmann-Heesing (SPD) die Landesanteile an der Wohnungsbaugesellschaft GEHAG verkauft. Da gibt es also genug vor der eigenen Haustür zu kehren. Zum Abschluss des Interviews wollten die Tagesspiegel-Journalisten von der Bundesjustizministerin wissen, was sie denn von der jetzt in Neuseeland umgesetzten Idee hielte, den Verkauf von Immobilien an Ausländer zu verbieten, schließlich seien ein Grund für die hohen Immobilienpreise in Berlin, dass ausländische Investoren Wohnungen kauften. Das lehnt die Ministerin brüsk ab. Nicht nur, weil es europarechtswidrig wäre: „Mein Vater ist Brite. Er hat fast sein ganzes Leben in Deutschland verbracht, er hätte nach dem neuseeländischen Modell dann hier keine Wohnung kaufen dürfen – das wäre doch Unsinn.“ Stimmt, das wäre Unsinn. Wie so manche ihrer Äußerungen.


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