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Vor einer fristlosen Kündigung ist in einigen Fällen eine vorherige Unterlassungsklage nötig
Gesamte Wohnung jahrelang untervermietet
16.01.2023 (GE 23/2022, S. 1239) Eine unbefugte Gebrauchsüberlassung der Wohnung kann eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB und eine fristgerechte Kündigung wegen erheblicher Pflichtverletzung begründen. In Sonderfällen muss nicht nur eine Abmahnung, sondern zusätzlich auch eine erfolgreiche Klage auf Unterlassung vorausgehen.
Der Fall: Im Mietvertrag hieß es, dass der Mieter für die Dauer des Mietverhältnisses „das Recht auf Untervermietung“ habe. Die Mieterin überließ einer Untermieterin vor über 20 Jahren die gesamte Wohnung; eine Räumungsklage wurde im Jahr 2001 mit der Begründung abgewiesen, dass der Mieterin durch die Vereinbarung im Mietvertrag auch die vollständige Gebrauchsüberlassung der gesamten Wohnung gestattet sei. Knapp 20 Jahre später kündigte der Vermieter erneut fristgerecht und berief sich im Räumungsprozess darauf, dass die Mieterin bekundet habe, auch in Zukunft die Wohnung nicht selbst nutzen zu wollen. Wegen des erheblichen Zeitablaufs sei die vollständige Gebrauchsüberlassung nicht mehr gerechtfertigt. Auch die 67. Kammer des Landgerichts Berlin hielt die Kündigung für unbegründet.

Das Urteil: Das Landgericht Berlin verwies darauf, dass dem Kläger seit 2001 das von der Beklagten gelebte Nutzungsmodell bekannt sei. Der von der Mieterin mit der Untermieterin geschlossene Mietvertrag stamme aus dem Jahr 1994; der Vermieter habe also viele Jahre die vollständige Gebrauchsüberlassung widerspruchslos hingenommen. Eine etwaige Pflichtverletzung wäre daher allenfalls fahrlässig, wenn man nicht ohnehin annehmen wollte, dass auch weiterhin die vollständige Gebrauchsüberlassung gerechtfertigt sei. Wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls sei daher eine Kündigung erst möglich, wenn die Mieterin trotz eines entgegenstehenden gerichtlichen Unterlassungstitels die Gebrauchsüberlassung fortsetzen würde. Eine Unterlassungsklage habe der Kläger jedoch nicht eingereicht.
Es könne deshalb offenbleiben, ob nicht ohnehin die Kündigung aus dem Jahr 2019 wegen des Verbots der Wiederholungskündigungen unwirksam sei und ob und unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis zur vollständigen Gebrauchsüberlassung einseitig widerrufen werden könne.

Anmerkung: Die Argumentation des Vermieters, nach 30 Jahren könne eine Erlaubnis zur Untervermietung nicht mehr so ausgelegt werden, dass der Mieter, der auf Dauer die Wohnung nicht mehr selbst nutzen will, sie vollständig untervermieten darf, war so abwegig nicht, denn hier dürfte in der Tat die Geschäftsgrundlage entfallen sein (§ 313 BGB). Die herrschende Meinung (BGH, NJW 1984, 1031) hält zwar bei Fehlen eines vertraglichen Vorbehalts den Widerruf nur bei wichtigem Grund für gerechtfertigt. Ein solcher wichtiger Grund, etwa störendes Verhalten des Untermieters (Blank/Börstinghaus, Miete, Rn. 54 zu § 540 BGB), lag hier nicht vor.
Da bei einer Störung der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Vertragsanpassung geltend gemacht wird (keine automatische Vertragsänderung), ist es gerechtfertigt, wenn vor der Kündigung nicht nur eine Abmahnung, sondern auch eine erfolgreiche Unterlassungsklage einer Kündigung vorausgehen muss.
Das Landgericht hatte sich nur mit der fristgerechten Kündigung zu befassen, die ein Verschulden voraussetzt; die weitere fristlose Kündigung war aus einem anderen Grund ohnehin unwirksam. Wenn der Vermieter wegen der Untervermietung nicht nur fristgerecht, sondern auch fristlos gekündigt hätte, wäre das Ergebnis aber wohl gleichgeblieben, da in § 543 Abs. 1 BGB ausdrücklich geregelt ist, dass alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens, zu berücksichtigen sind.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 1265 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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