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Abgewohntes Mobiliar und sonstige Mängel: Ohne Besichtigung keine Gegenrechte des Mieters
Grob fahrlässige Unkenntnis
22.09.2022 (GE 17/2022, S. 871) Wer eine Wohnung ohne vorherige Besichtigung langfristig mietet, kauft die Katze im Sack und kann weder mindern noch fristlos kündigen. Ungünstige Eigenschaften der Mietsache muss der Vermieter jedenfalls nicht ungefragt offenlegen; ein Inserat mit günstigen Fotos ist keine arglistige Täuschung. Verzichtet der Mieter vor Abschluss des Mietvertrages auf eine gründlichere Besichtigung der Wohnung, schließt seine grob fahrlässige Unkenntnis von Mängeln eine Minderung oder fristlose Kündigung aus.
Der Fall: Die Mieterin hatte eine möblierte Eigentumswohnung gemietet. Die Parteien verzichteten wechselseitig für die Dauer von einem Jahr auf das Recht zur ordentlichen Kündigung; auf eine gründliche Wohnungsbesichtigung vorher verzichtete die Mieterin. Am Tag der Übergabe beanstandete sie beschädigte Stellen einer Couch, dreckige Steckdosen und abgewohntes Mobiliar; wenige Tage später focht sie den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung an, erklärte den Rücktritt und kündigte fristlos. Die Zahlungsklage der Vermieterin war erfolgreich.

Das Urteil: Das Landgericht Lübeck verneinte eine arglistige Täuschung; ungünstige Eigenschaften der Mietsache müsse der Vermieter nicht ungefragt offenlegen. Eine Täuschung entfalle auch wegen der fehlenden Besichtigung: „Derjenige, dem etwas egal ist, kann hierüber auch nicht getäuscht werden.“
Ein gesetzliches Rücktrittsrecht bestehe nur vor Überlassung der Mietsache; danach sei nur eine Kündigung möglich. Eine fristlose Kündigung scheide aus, da die mietvertraglichen Mängelrechte vorrangig maßgeblich seien. Solche Rechte seien jedoch nach § 536b BGB ausgeschlossen, da die Mieterin grob fahrlässig gehandelt habe, wenn sie eine vorherige Besichtigung unterlassen habe. Die Rüge zum Zeitpunkt der Abnahme der Wohnung sei verspätet gewesen, da maßgeblicher Zeitpunkt der des Vertragsschlusses sei.

Anmerkung: Die Vermieterin war offensichtlich nicht als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB anzusehen, weswegen ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 4 BGB nicht in Betracht kam (siehe dazu LG Berlin GE 2021, 1492).
Ob tatsächlich ohne Besichtigung eine grob fahrlässige Unkenntnis von Mängeln anzunehmen war, ist zweifelhaft. Im Münchener Kommentar (Rn. 5 zu § 536b) heißt es, dass grobe Fahrlässigkeit nur dann vorliegt, wenn der Mieter mit Mängeln rechnen musste, zumal ein Mieter grundsätzlich nicht verpflichtet sei, die Mietsache auf Mängel zu untersuchen.
Eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB wegen Entziehung des Gebrauchs kann zwar bei erheblichen Mängeln, die der Vermieter trotz Aufforderung nicht beseitigt, in Betracht kommen. Wenn aber in Kenntnis der Mängel die Mietsache abgenommen wird, scheidet eine fristlose Kündigung aus (OLG Hamburg ZMR 2005, 856). Eine grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis gleich.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2022, Seite 907und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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