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Mieterhöhung mit Sachverständigengutachten: BGH hält Besichtigung der Räume nicht für erforderlich
Die zu beurteilende Wohnung ist nur in das örtliche Preisgefüge einzuordnen
12.09.2018 (GE 16/2018, S. 971) Die Mietrechtskommentare sind sich einig, dass für ein Gutachten zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens der Sachverständige die konkrete Wohnung (oder eine vergleichbare) besichtigt haben muss. Der Bundesgerichtshof ist anderer Auffassung: Das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters sei nicht schon deshalb aus formellen Gründen unwirksam mit der Folge, dass die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung als unzulässig abzuweisen wäre, nur weil der Sachverständige die betreffende Wohnung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht besichtigt habe.
Der Fall: Die Vermieterin hatte ihr Mieterhöhungsverlangen für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Bremen mit einem Sachverständigengutachten begründet. Die Sachverständige hatte die Wohnungen im Haus nicht besichtigen können, da die Mieter nicht angetroffen wurden oder sich dazu bereit erklärt hätten; dies war im Gutachten vermerkt. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage ab; die Revision war erfolgreich.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof vermerkte zunächst kritisch, dass das Landgericht Bremen die Klage nicht hätte als unbegründet abweisen dürfen, sondern als unzulässig, wenn es das Gutachten für unverwertbar gehalten hätte. Dies sei aber nicht anzunehmen, denn die Begründung eines Mieterhöhungsverlangens sei nicht mit dem Nachweis der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete gleichzusetzen. Der Mieter solle die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens lediglich ansatzweise nachvollziehen können; inhaltliche Fehler des Gutachtens berührten die formelle Wirksamkeit des Gutachtens nicht.

Anmerkung: Der Bundesgerichtshof greift damit zu Recht die ältere Rechtsprechung auf, die verneint hatte, dass der Sachverständige die Mietwohnung besichtigt haben müsse (OLG Oldenburg WuM 1981, 150; OLG Celle GE 1981, 339), jedenfalls wenn eine Wohnung des gleichen Typs besichtigt worden sei. Er geht darüber hinaus, wenn er auch die Besichtigung einer vergleichbaren Wohnung nicht für unabdingbar hält. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, das von der Bezugnahme auf ein mit Gründen versehenes Gutachten spricht. Ausnahmsweise sei hier der Verfasser zitiert:
„Wenn das Gesetz diese Selbstverständlichkeit ausdrücklich erwähnt, ist das ein Hinweis darauf, dass jede Begründung durch den Sachverständigen die Berechtigung des Vermieters zur Mieterhöhung indiziert, soweit nicht dem Gutachten die Nichtigkeit auf die Stirn geschrieben steht, also die Begründung offensichtlich abwegig, nicht nachvollziehbar oder nicht dem (Gesetz) entsprechend ist. So liegt nur dann ein als Begründungsmittel ungeeignetes Gutachten vor, wenn der Sachverständige etwa nicht vom Wohnwert, sondern von Rentabilität- oder Kostenerwägungen ausgeht … Auch die schlichte, nicht mehr nachvollziehbare Berufung auf die eigene Sachkunde macht das Gutachten als Begründungsmittel ungeeignet … Andere Anforderungen gelten nicht, so dass der Sachverständige weder die fragliche Wohnung besichtigt haben noch Vergleichswohnungen angeben muss“ (Beuermann, Miete und Mieterhöhung, 3. Auflage, Rn. 92 f. zu § 2 MHG).
Seltsam bleibt freilich, dass es sich um eine Wohnung in einer Großstadt wie Bremen handelt und der Vermieter auf das teure (Kosten trägt immer der Vermieter) Begründungsmittel „Sachverständigengutachten“ zurückgreifen musste. Unter den 25 größten deutschen Städten ist Bremen die einzige Kommune, die noch nie einen Mietspiegel erstellt hat, obwohl inzwischen Bremens Mieterschutzbund und der Eigentümerverband Haus & Grund dies in seltener Eintracht fordern (Weser Report vom 18. Februar 2018).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 991 und in unserer Datenbank.
Autor: Rudolf Beuermann


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