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Unerlaubte Untervermietung an Touristen und Scheinanmietung durch Vermieter heben sich auf
Kündigung nach beiderseits nicht unerheblichen Pflichtverletzungen
29.08.2018 (GE 15/2018, S. 909) Überlässt der Mieter seine Wohnung ohne Erlaubnis des Vermieters entgeltlich an Touristen, kann diese Pflichtverletzung für eine verhaltensbedingte außerordentliche oder fristlose Kündigung ausreichen. Begeht der Vermieter seinerseits vor der Kündigung eine erhebliche Pflichtverletzung, können sich die gegenseitigen Pflichtverletzungen neutralisieren. Einen solchen Fall hat das Landgericht angenommen, als Vermieter dem Verdacht der unerlaubten Gebrauchsüberlassung mit illegalen Methoden nachgehen wollten.
Der Fall: Die Kläger verlangen nach Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung von der Beklagten Räumung und Herausgabe ihrer Wohnung, weil der mit Genehmigung der Kläger in die Wohnung aufgenommene Untermieter die Wohnung wohl in Abwesenheit und Unkenntnis der Beklagten vom 11. auf den 12. April 2017 und nach erfolgter Abmahnung nochmals vom 16. auf den 17. Mai 2017 über „airbnb“ vermietet hatte. Allerdings waren diese Vermietungen nur zum Schein und auf Veranlassung der Kläger vorgenommen worden, um später gegenüber der Beklagten und/oder ihrem Untermieter den gerichtsfesten Nachweis der unerlaubten Untervermietung führen zu können. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb erfolglos.

Das Urteil: Durch die unerlaubte Vermietung an Touristen hätten zwar zumindest nach der vorherigen Abmahnung die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorgelegen. Dies auch ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte nicht selbst (unter-) vermietet hatte, sondern in ihrer Abwesenheit und Unkenntnis ihr Untermieter, dessen Verhalten der Beklagten aber zuzurechnen sei.
Die Pflichtverletzung der Beklagten sei allerdings nicht hinreichend erheblich, um eine Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen. Während eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB eine mit der Gebrauchsüberlassung einhergehende Verletzung der Rechte des Vermieters „in erheblichem Maße” verlangt, kann der Vermieter eine verhaltensbedingte Kündigung des Mieters nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur dann erfolgreich aussprechen, wenn die schuldhafte Pflichtverletzung „nicht unerheblich” ist. An beiden Voraussetzungen fehle es.
Im Falle einer unbefugten Gebrauchsüberlassung sei sowohl bei einer fristlosen wie einer ordentlichen Kündigung das Vorliegen einer hinreichend erheblichen schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters durch eine umfassende Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu prüfen.
Im vorliegenden Fall seien folgende Aspekte von Bedeutung:
■ Das Mietverhältnis sei bisher über mehrere Jahre beanstandungsfrei gewesen,
■ die Mieterin habe möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung der – allerdings nicht eingeholten – Untermieterlaubnis gehabt,
■ eine Wiederholungsgefahr habe eher nicht bestanden,
■ am schwersten wiege allerdings, dass die Untervermietungen, deretwegen gekündigt worden war, mit keiner tatsächlichen Nutzung der Mietsache verbunden waren. Denn die Beweiserhebung habe ergeben, dass die Anmietungen nur zum Schein und auf Veranlassung der Kläger vorgenommen worden seien, um später gegenüber der Beklagten und/oder ihrem Untermieter den gerichtsfesten Nachweis der unerlaubten gewerblichen Vermietung der Wohnung führen zu können.
Eine nur versuchte Gebrauchsüberlassung indes wiege weniger schwer als eine vollzogene. Und wäre sie vollzogen worden, hätte sie nur zu einer jeweils eintägigen Nutzung der Mietsache geführt, was weniger ins Gewicht falle als eine längerfristige Gebrauchsüberlassung, die zu einer größeren Abnutzung der Mietsache und einer stärkeren Beeinträchtigung der Nachbarmieter führe.
Außerdem wiege im Rahmen einer Kündigung der Vorsatz des Mieters schwerer als Fahrlässigkeit und eigenes Verschulden schwerer als zugerechnetes. Gemessen daran sei das der Beklagten zur Last gelegte Verschulden nur gering, obwohl sie die Weitervermietung der Wohnung durch ihren Untermieter nach Erhalt der Abmahnung weder unverzüglich noch hinreichend verlässlich unterbunden, sondern erst drei Wochen nach der Abmahnung das Untermietverhältnis wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung gekündigt habe. Letztlich bleibe damit nur der vergleichsweise geringfügige Vorwurf eines fahrlässigen eigenen Überwachungs- sowie eines zugerechneten vorsätzlichen Fremdverschuldens ihres Untermieters.
Viel schwerwiegender sei die Pflichtverletzung der Kläger gewesen. Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung hätten sich zweimal jeweils in Unkenntnis der Beklagten und ihres Untermieters Zutritt zur Wohnung verschafft, indem sie die Wohnung, die zuvor durch einen anderen Mitarbeiter der Hausverwaltung auf dessen Namen zum Schein über „airbnb“ angemietet worden war, nach – ohne nähere Identitätskontrolle erfolgter – Entgegennahme der an einem Kiosk deponierten Schlüssel geöffnet und betreten hätten. Die Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung hätten sich damit den Zutritt jeweils gegen, zumindest aber ohne den Willen der Beklagten und ihres Untermieters verschafft. Damit seien die Kläger, denen das Verhalten ihrer Hausverwaltung zuzurechnen sei, weit über das mietvertraglich Erlaubte hinausgegangen.
Zwar könne, so das Landgericht, eine vom Vertragspartner veranlasste – auch detektivische – Überwachung eines Vertragspartners zur Aufdeckung eines auf Tatsachen gegründeten konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung zulässig sein. Ob der Verdacht der unerlaubten Vermietung einer Mietwohnung über „airbnb“ hinreichend schwer wiege, um den Mieter zu überwachen oder überwachen zu lassen, ließ die Kammer offen. Jedenfalls müsse eine solche, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vertragspartners eingreifende Überwachung verhältnismäßig und damit geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.
Gemessen daran sei die bloße Scheinanmietung der Wohnung im Internet zwar noch nicht rechtswidrig gewesen. Denn für den Indizienbeweis einer unerlaubten Untervermietung sei es zunächst ausreichend, dass die Wohnung über „airbnb“ anmietbar war und auch tatsächlich angemietet wurde. Das darüber hinausgehende Handeln der klägerischen Hausverwaltung jedoch sei in jeder Hinsicht unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen, denn zusätzliche und entscheidende Erkenntnisse seien durch den Zutritt zur Wohnung nicht zu erwarten gewesen. Es komme hinzu, dass die Mitarbeiter der Hausverwaltung bei jedem ihrer ohnehin schon rechtswidrigen Wohnungszutritte das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Beklagten und ihres Untermieters zusätzlich dadurch schwerwiegend verletzt hätten, dass sie die Wohnung bis in die Schlafräume hinein jeweils ausführlich fotografiert hätten. Diese heimlichen Aufnahmen seien unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt erforderlich gewesen.
Abschließend erörterte die Kammer auch noch die Frage, ob sich die Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung durch ihren wiederholten Zutritt zur Wohnung eines Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB strafbar gemacht haben, oder ob dem ein täuschungsbedingtes Einverständnis entgegenstünde. Den Gedanken spann die Kammer nicht weiter aus, sondern ließ es ausreichen, dass der Hausverwaltung der Kläger bei der Überwachung der Beklagten eine Vielzahl grundlegender vertraglicher Pflichtverletzungen zur Last gefallen sei, die den Klägern selbst zuzurechnen seien. Daneben erschienen die Pflichtverletzungen der Beklagten als derart geringfügig, dass sie nicht geeignet sind, das für die Kündigung des Mietverhältnisses hinreichend erhebliche Gewicht zu entwickeln.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 936 und in unserer Datenbank.


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