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Umstrittene Mietpreisbremse: Wer will noch mal, wer hat noch nicht – vorgelegt oder ausgesetzt?
Ortsübliche Miete + 10 % nicht ausschließlich auf Basis von Vergleichswohnungen
11.07.2018 (GE 12/2018, S. 743) Die 67. Zivilkammer des LG Berlin hat bekanntlich die Frage, ob die Mietpreisbremse nicht wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – den Gleichheitsgrundsatz – verfassungswidrig ist (GE 2018, 125), dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die 63. Zivilkammer des LG Berlin hat im Hinblick auf die Entscheidung der Kollegen einen Rechtsstreit ausgesetzt (GE 2018, 263). Jetzt hat die 67. Zivilkammer noch einmal nachgelegt, die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 556d BGB (Mietpreisbremse) dem Bundesverfassungsgericht wiederum vorgelegt und an ihrer Überzeugung „auch angesichts der vereinzelt in der Literatur geäußerten Kritik einschränkungslos“ festgehalten. Gleichzeitig äußerte sich die Kammer zu einer kreativen Idee des in diesem Fall beklagten Vermieters: Der hatte mietvertraglich vereinbart, dass sich die Mietvertragsparteien „zur Ermittlung der ortsüblichen Miete einvernehmlich auf § 558a Abs. 2 Ziffer 4 BGB” – also auf die Mietermittlung nur mit (mindestens drei) Vergleichswohnungen – beziehen; eine Vereinbarung, die das Gericht letztlich für unwirksam hielt.
Der Fall: Die Kläger machen als Mieter einer Wohnung die Überzahlung der nach den Regelungen der sog. Mietpreisbremse höchstzulässigen Miete geltend. Die Mietvertragsparteien schlossen im Oktober 2016 einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung zu einem monatlichen Mietzins von 1.149 € netto kalt (Vormiete 942,91 € netto kalt). In dem Mietvertrag war festgehalten, dass sich die Parteien „zur Ermittlung der ortsüblichen Miete … einvernehmlich auf § 558a BGB“ beziehen.
Die Kläger trugen vor, dass ausweislich des Berliner Mietspiegels 2015 die ortsübliche Vergleichsmiete für die rund 111 m² große Wohnung nur 6,99 €/m2 betrage, woraus sich eine zulässige monatliche Nettokaltmiete von nicht mehr als 853,05 € ergäbe. Der Beklagte/Vermieter war der Aufforderung, diese Miethöhe anzuerkennen, nicht nachgekommen und hatte sich u. a. auch auf die mietvertragliche Klausel zur Ermittlung der ortsüblichen Miete durch Vergleichswohnungen bezogen.
Das Amtsgericht hat der Rückzahlungsklage von 2.060,90 € stattgegeben. Dagegen legte der Vermieter Berufung ein und vertrat die Ansicht, die auf der Grundlage des § 556d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB gefasste MietenbegrenzungsVO des Berliner Senats sei unwirksam.

Der Beschluss: Das LG Berlin, ZK 67, legte dem Bundesverfassungsgericht erneut die Frage zur Entscheidung vor, ob die Mietpreisbremse mit Art. 3 und Art. 80 GG unvereinbar und daher nichtig sei (und zu vermuten ist, dass das nicht der letzte Vorlagebeschluss zur selben Rechtsfrage sein wird; die Verfassungsrichter werden das mit wenig Amüsement verfolgen, zumal die 67. Zivilkammer des Landgerichts bei beiden in Karlsruhe ansässigen Gerichtshöfen nicht den besten Ruf genießt).
Die ZK 67 vertrat erneut die Ansicht, § 556d Abs. 1, Abs. 2 BGB sei wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, was für die mit der Berufung verfolgte vollständige Klageabweisung entscheidungserheblich sei. Dazu bezieht sich die Kammer vor allem auf den Vorlagebeschluss vom 7. Dezember 2017 - 67 S 218/17 - (GE 2018, 124) und wiederholt ihre damalige Begründung, wonach die Mietpreisbremse gegen den Gleichheitsgrundsatz deshalb verstößt, weil keine hinreichende sachliche Rechtfertigung dafür vorliegt, bei der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete mit einem starren Prozentsatz an die ortsübliche Vergleichsmiete anzuknüpfen, die doch erhebliche regionale und kommunale Unterschiede aufweise.
Die gegen diese Betrachtung vorgebrachte Kritik, dass es nämlich aufgrund der Unterschiedlichkeit der lokalen Wohnungsmärkte bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt fehle, weist die Kammer zurück. Entscheidend für die nach Ansicht der Kammer verfassungswidrige Ungleichbehandlung ist, dass Vermietern, die in einer Gemeinde mit vergleichsweise hohen Vergleichsmieten tätig sind, die Vereinbarung
der am Markt erzielbaren Miete trotz Mietpreisbremse faktisch gestattet ist, weil die Marktmiete die dortige (hohe) Vergleichsmiete nicht um 10 % übersteigt, während Vermieter in Gemeinden mit vergleichsweise niedrigen Vergleichsmieten trotz gleicher Marktchancen an einer entsprechenden Vereinbarung gehindert sind, weil
die dortige Marktmiete (wie beispielsweise in Berlin) die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % übersteigt.
Dem Versuch des Vermieters, die Ermittlung der ortsüblichen Miete im Rahmen der Mietpreisbremse vertraglich ausschließlich unter Berücksichtigung von Vergleichswohnungen festzuzurren (drei Vergleichswohnungen mit deutlich über dem Mietspiegel liegenden Werten lassen sich leicht finden), erteilte die Kammer eine Absage. Eine solche mietvertragliche Klausel könne erstens den Kreis der in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismittel nicht beschränken (also z. B. die Mietermittlung durch Gutachten oder Schätzung mit Hilfe des Mietspiegels). Zweitens sei der Vereinbarung nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass sie sich auch auf die Ermittlung der nach der Mietpreisbremse preisrechtlich zulässigen Miete beziehe und nicht lediglich auf eine allgemeine Mieterhöhung nach § 558 BGB. Drittens verstoße die Vereinbarung im vom Vermieter verstandenen Sinne (nur Mietpreisbremse) zum Nachteil der Mieter gegen die nicht abdingbaren Vorschriften der §§ 556d ff. (Mietpreisbremse) und 558 ff. BGB (Mieterhöhung) und sei schon deshalb unwirksam.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 761 und in unserer Datenbank.


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