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Beherbergungsvertrag zur Unterbringung von Asylbewerbern: 12 € pro Nacht in Bruchbude
Land kann sich aber nicht aus Kostenübernahme mogeln
19.02.2018 (GE 02/2018, S. 86) Nach der Aufnahme eines Asylbewerbers in einer gewerblichen privaten Unterkunft hat der Betreiber für seine Leistungen einen direkten Zahlungsanspruch gegen das Land Berlin, wenn er diese aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung erbracht hat, so das Kammergericht. Abzocken lassen muss sich das Land aber nicht. Es muss jedenfalls nicht den in der Kostenübernahmeerklärung üblicherweise genannten Tagesmaximalsatz von 50 € bezahlen, sondern nur einen, der billigem Ermessen entspricht. Im konkreten Fall, wo Asylbewerber in einem ehemaligen, heruntergekommenen Hostel untergebracht waren, hielt das Kammergericht den für die Obdachlosenunterbringung üblichen Satz von 12 € für gerechtfertigt. Hat ein Beherbergungsbetrieb für die Aufnahme von Asylbewerbern vom Land Abschlagszahlungen erhalten, ist die Zahlung mit der zumindest konkludenten Abrede verbunden, dass eine Schlussabrechnung tatsächlich eine Vergütung in der entsprechenden Höhe ergibt. Falls nicht, muss zurückgezahlt werden, wobei der Empfänger von Abschlagszahlungen darlegen und beweisen muss, in welchem Umfang er tatsächlich Beherbergungsleistungen erbracht hat.
Der Fall: Ein Beherbergungsbetrieb (Klägerin) streitet sich mit dem Land Berlin (Beklagter) um die Übernahme der Kosten für die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Klägerin verlangt weitere Zahlungen, der Beklagte Rückzahlung überzahlter Beträge. Die Klägerin hat ein Gewerbe für "Autohandel (Import und Export), Vermietung und Verpachtung von Immobilien" angemeldet und Räume in einem ehemaligen, heruntergekommenen Hostel zur Unterbringung von Asylbewerbern gemietet.
Asylbewerber, die Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben, erhielten vom LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) Erklärungen über die "Kostenübernahme bei Notunterbringung in gewerblich genehmigten Unterkünften" zur Vorlage an Beherbergungsbetriebe. Danach sollten die Kosten in Höhe des vom Beherbergungsbetrieb allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatzes übernommen werden, maximal 50 € pro Person und Übernachtung.
Die Kostenübernahmeerklärung (KÜE) des LaGeSo enthielt außerdem Hinweise über das einzuhaltende Verfahren und die Rechnungslegung. Bei der ersten Rechnungslegung müsse der Nachweis der gewerblichen Nutzungsgenehmigung geführt werden. Außerdem wollte das Land klargestellt sehen, dass die Kostenübernahme kein Vertragsverhältnis zwischen dem Beherbergungsbetrieb und dem Land Berlin bewirkt.
Auf der Grundlage derartiger Kostenübernahmeerklärungen reichte die Klägerin diverse Rechnungen beim Beklagten für die Unterbringung von Asylbewerbern in dem ehemaligen Hostel ein und erhielt 142.350 € bzw. 133.950 €, den jeweils hälftigen Betrag zweier Rechnungen als Abschlagszahlung unter Vorbehalt. Später forderte der Beklagte die Klägerin vergeblich auf, ihren allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatz mitzuteilen und die Gewerbeanmeldung für die Vermietung und Verpachtung von gewerblichen Räumen, einen Nachweis über die Adressen, die Anzahl und die Größe der Apartments/Wohnungen/Zimmer und der dort untergebrachten Personen sowie die dazugehörigen Nachweise der gewerblichen Nutzungsgenehmigungen für Unterbringung bzw. Pacht- oder Mietverträge einzureichen.
Mit der Klage fordert die Klägerin für die Übernachtung von Asylbewerbern den noch nicht ausgezahlten jeweils weiteren hälftigen Teilbetrag aus den beiden Rechnungen sowie weitere 101.350 € aus einer zusätzlichen Rechnung. Der Beklagte fordert Rückzahlung der Abschlagsbeträge und bestreitet u. a., dass Verträge mit der Klägerin über die Unterbringung von Flüchtlingen geschlossen wurden, dass aufgrund derartiger Verträge ein Betrag von 50 € pro Tag und Person zu zahlen ist und schließlich, dass die Klägerin überhaupt irgendeinen der Asylbewerber untergebracht hat. Die Klägerin hat einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid über 241.950 € bewirkt, den das LG aufgehoben und Klage und Widerklage abgewiesen hat. Die Berufung des Beklagten war teilweise erfolgreich, die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, da die Klägerin nach Ansicht des KG bereits überzahlt war.

Das Urteil: Wenn die Klägerin einen Asylbewerber bei sich beherbergt hat, weil ihr dieser eine Kostenübernahmeerklärung des Landes vorgelegt hat, muss das Land die Beherbergungsleistungen nach Maßgabe der Kostenübernahmeerklärung auch vergüten, so das KG. Durch die Aufnahme eines Asylbewerbers aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung entsteht ein direkter zivilrechtlicher Zahlungsanspruch des Beherbergungsbetriebs.
Die Kostenübernahmeerklärungen stellen eine öffentlich-rechtliche Zusage dar und damit eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Das Land wollte mit der Aushändigung dieser Erklärungen an Asylbewerber erreichen, dass diese für einen begrenzten Zeitraum Unterkunft von privaten Beherbergungsbetrieben erhalten, die in der Regel zur Aufnahme und Beherbergung von Gästen nur gegen Zahlung einer Vergütung bereit sind, wozu ein Asylbewerber in der Regel wirtschaftlich nicht in der Lage ist. Für das Land ist damit erkennbar, dass die Zusage der Kostenübernahme die entscheidende Voraussetzung für die Aufnahme eines Asylbewerbers in einem privaten Beherbergungsbetrieb ist. Der Hinweis auf den Kostenübernahmeerklärungen, wonach kein Vertragsverhältnis "bewirkt" wird, ist lediglich dahin zu verstehen, dass der die Erklärung vorlegende Asylbewerber nicht bevollmächtigt ist, für das Land einen Beherbergungsvertrag zu seinen Gunsten abzuschließen, der möglicherweise weitere Bestimmungen enthält, die nicht erforderlich sind, um die Beherbergung sicherzustellen. Kurzum: Die Kostenübernahmeerklärung ist eine rechtsverbindliche Zusage.
Allerdings steht der Klägerin nur eine Vergütung von 12 € pro Person und nachgewiesener Übernachtung zu. Nach der (nur) dem Grunde nach verbindlichen Kostenübernahmeerklärung verpflichtet sich das beklagte Land nur dazu, den "allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostensatz" eines Beherbergungsbetriebs, höchstens 50 €, zu übernehmen, aber keineswegs Kosten in beliebiger Höhe.
Wird ein Beherbergungsbetrieb aber für die Aufnahme von Asylbewerbern überhaupt erst eröffnet oder wiedereröffnet, kann er nicht auf einen "allgemein" - also nicht nur für den Fall der Beherbergung von Asylbewerbern, sondern auch darüber hinaus - ausgewiesenen Kostenansatz zurückgreifen, der muss stattdessen nach billigem Ermessen, ggf. durch gerichtliches Urteil erfolgen.
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin nur eine Vergütung von 12 € pro Person und Nacht zu. Nachdem ein früherer Hostelbetrieb in den von ihr gemieteten Räumlichkeiten bereits eingestellt war und die Räume offenbar abgerissen oder grundsaniert werden sollten, hat sie ihren Beherbergungsbetrieb dort unstreitig nur zur Aufnahme von Asylbewerbern eröffnet. Die Festlegung eines Übernachtungspreises von 50 € stellt damit keinen "allgemein ausgewiesenen" Kostenansatz dar, sondern ist ausschließlich mit Blick auf die Aufnahme von Asylbewerbern geschehen. Somit handelt es sich um eine einseitige Preisbestimmung durch die Klägerin.
Das beklagte Land Berlin hatte vorgetragen, aufgrund der sehr schlechten Ausstattung und des heruntergekommenen Zustands der Räumlichkeiten seien diese tatsächlich nicht als ein auch für Touristen geeignetes Hostel, sondern allenfalls als Obdachlosenunterkunft einzustufen gewesen. Für eine solche Obdachlosenunterkunft sei nur ein Übernachtungspreis von 12 € pro Nacht angemessen. Dem folgte auch das Kammergericht.
Der Klägerin sprach es für insgesamt 797 nachgewiesene Übernachtungen (797 x 12 € =) 9.564 €. zu. Mehr Übernachtungen seien nicht nachgewiesen. Darauf habe die Klägerin aber einen Anspruch, denn es habe eine gewerbliche Nutzungsgenehmigung und eine Gewerbeanmeldung für Vermietung und Verpachtung von gewerblichen Räumen vorgelegen. Dass diese Nachweise nicht bereits mit Rechnungslegung erbracht worden seien, wie es in der Kostenübernahmeerklärung verlangt war, ändere nichts am Zahlungsanspruch.
Den Rückzahlungsanspruch des Landes hielt das Kammergericht in Höhe von 128.586 € für begründet. Es handele sich um einen vertraglichen, keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch - und das hat Folgen.
Zwischen den Parteien sei aufgrund der Beherbergung ein vertragliches oder zumindest vertragsähnliches Rechtsverhältnis zustande gekommen. Wenn die Klägerin hieraus eine Abschlagszahlung beanspruche und eine vom Land ausdrücklich als Abschlagszahlungen bezeichnete erhalte, seien diese Zahlungen von Seiten des Landes zumindest mit der konkludenten Abrede verbunden, dass die Klägerin die Zahlung nur dann behalten dürfe, wenn eine abschließende Abrechnung tatsächlich eine Vergütung in der entsprechenden Höhe ergebe, und eine etwaige Überzahlung zurückzugewähren sei.
So sei es hier. Einem Vergütungsanspruch der Klägerin von 9.564 € stünden Abschlagszahlungen von 138.150 € gegenüber, folglich sei sie in Höhe von 128.586 € überzahlt und habe diesen Betrag an das Land zurückzuerstatten.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2018, Seite 123 und in unserer Datenbank.


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